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Döbeln hat eine stabile Crystal-Szene

Drogenabhängige tragen häufiger schwere Schäden davon. Oft hilft da keine einfache Therapie mehr.

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© Arno Burgi/ dpa

Von Sylvia Jentzsch

Döbeln. Sorgen bereiten der Polizei des Döbelner Reviers derzeit besonders zwei Bereiche: Drogenkriminalität und Betrug. Die Drogenkriminalität stagniert in Döbeln auf hohem Niveau. Die Stadt hat eine stabile Crystal-Szene. Aber auch die leichteren Drogen Cannabis und Marihuana seien wieder im Kommen, so Döbelns Polizeichef Andrée Wagner beim kriminalpräventiven Rat.

Martin Creutz Leiter der Suchtberatung der Diakonie Döbeln.
Martin Creutz Leiter der Suchtberatung der Diakonie Döbeln. © André Braun

„Aus polizeilicher Sicht ist die Crystal-Sucht nicht einzudämmen.“ Es sei sehr schwer, in die sehr konspirativ agierende Szene einzudringen. Strafen schreckten die Drogenkonsumenten nicht ab. „Die Präventionsprogramme greifen nicht. Die müssen wir auf den Prüfstand stellen. Viele junge Leute versauen sich ihr Leben“, sagte Wagner. Eine ganze Reihe Konsumenten von Crystal seien inzwischen Patienten in der psychiatrischen Klinik in Hochweitzschen. Die Drogenszene gibt der Polizei Rätsel auf. „Wir wissen nicht, wo die Konsumenten das Geld für ihre Sucht herbekommen. Das müssen wir noch untersuchen“, so Wagner.

Die Kriminalstatistik der Polizeidirektion Chemnitz zeigt, dass es im vergangenem Jahr fast 1 000 Diebstähle sowie etwa 40 Raubhandlungen gab, die von Konsumenten harter Drogen begangen worden sind. Im Landkreis Mittelsachsen stieg die Rauschgiftkriminalität um 145 auf insgesamt 805 Fälle. Das ist eine Zunahme von 22 Prozent.

Das wird auch bei den Zahlen, die dem Leiter der Suchtberatungsstelle der Diakonie Martin Creutz vorliegen, sichtbar. Im vergangenen Jahr hat das Team der Beratungsstelle 406 Klienten begleitet. Von ihnen hatten 281 ein Alkoholproblem und 87 eine gerichtliche Auflage, sich behandeln zu lassen. Der Anteil der Drogenabhängigen, die eine Auflage bekommen ist höher. Immerhin müssen sich 43 Klienten von 105 einer Beratung unterziehen, die ihnen vom Gericht auferlegt worden ist. Dabei handelt es sich meist um Klienten mit einer Bewährungsauflage oder die sich in einem offenen Verfahren befinden“, sagte Martin Creutz.

Das heißt aber nicht, dass es weniger Süchtige gebe oder sich die Zahl verändert habe. „In manchen Fällen laufen noch Ermittlungsverfahren oder sie werden eventuell eingestellt“, so der Leiter der Suchtberatungsstelle. Es gebe auch Drogenabhängige, die im Hauptverfahren eine Auflage bekommen, aber sich nie bei der Suchtberatungsstelle melden. „Die Zahl der Menschen, welche die Hilfe der Beratungsstelle annehmen, liegt in den letzten Jahren zwischen 400 und 500 Klienten. Die Dunkelziffer von Leuten, die unser Angebot nicht annehmen, ist uns nicht bekannt“, so Creutz. Von den etwa 70 000 Einwohnern des Altkreises Döbeln haben etwa vier Prozent ein Suchtproblem. Davon kommen etwa zehn Prozent zur Beratung. Zu ihnen gehören nicht nur Drogen- und Alkoholabhängige, sondern auch Menschen mit Essstörungen und mit Spielsucht.

Er hat beobachtet, dass die Schädigungen durch Suchtmittel immer schwerer werden, das Suchtbild immer komplexer wird. „Im vergangenen Jahr haben wir zwei Frauen in einem soziotherapeutischen Wohnen untergebracht. Sie waren nicht mehr abstinenzfähig. Ich gehe davon aus, dass mindestens zwei Jahre Therapie notwendig sind, um ihr Problem zu lösen“, so Creutz. Gründe für die schwereren Schädigungen sind die lange Zeit des Konsums und vor allem die Droge „Crystal“.

„Der Konsum dieser Droge ist auch in der Region auf einem hohen Niveau. Und weil diese Droge ein Potenzial hat, das die Leute fasziniert, nehmen sie sie immer und immer wieder, bis sie nicht mehr anders können. Wenn es dann zu einem finanziellen Engpass kommt, beginnt die Beschaffungskriminalität. Eine Zeitlang war das der Klau und Verkauf von Kupfer. Doch dem ist jetzt weitestgehend Einhalt geboten worden. Und wenn die Süchtigen nichts mehr zu verkaufen haben, dann verkaufen sie sich selbst“, sagte Creutz.

Anderen kann das Team der Suchtberatungsstelle der Diakonie durch unterschiedliche Formen der Therapie helfen. „Denn wer zu uns kommt, hat schon einmal einen großen Schritt in die richtige Richtung unternommen. Das Thema ist mit viel Scham besetzt. Es gehört also viel Überwindung dazu, sich für eine Beratung zu entscheiden. Und wer das wirklich will, dem kann geholfen werden“, so Creutz. Zu den möglichen Therapien gehören unter anderem Einzel- und Gruppengespräche, aber auch Entgiftungen. „Wir arbeiten da sehr gut mit dem Fachkrankenhaus Bethanien in Hochweitzschen zusammen“, sagte der Leiter der Suchtberatungsstelle. (mit jh)