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Doch keine Hitler-Brücke

Die Meißener Elbbrücke bestand genau so lange wie das 1 000-jährige Reich.

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© Stadtmuseum Meißen

Von Udo Lemke

Meißen. Die Brücke war noch gar nicht fertig, da hatten gleichermaßen glühende wie geschäftstüchtige Meißener Hitler-Verehrer schon „Postkarten und einen Stadtplan, welche die Brücke als Hitler-Brücke titulierten“, drucken lassen. Das hat Steffen Förster, Museologe am Meißener Stadtmuseum, 2009 bei der Vorbereitung seiner exzellenten Ausstellung zur Geschichte des Bauwerkes herausgefunden. Doch es sollte anders kommen.

Die Meißner Elbbrücke wurde vom 6. April 1933 bis zum 17. November 1934 nach Plänen des Dresdner Architekten Kurt Beyer errichtet. „Im Dezember 1932 hatte das sächsische Finanzministerium als Bauherr den Brückenbau in Meißen genehmigt und brachte ihn als ,Notstandsarbeit‘ im Arbeitsbeschaffungsprogramm der Regierung Kurt von Schleicher unter“, so Steffen Förster. Das Projekt war zuvor, seit 1927, „in demokratischen und parlamentarischen Planungsverfahren erörtert, geplant und genehmigt worden“. Der Neubau selbst fiel dann in die Phase der Konsolidierung des Hitlerregimes bis zum Sommer 1934 und zeichnet sich durch die brutale Verfolgung politischer Gegner aus.

In den damaligen Tageszeitungen sei begeistert vom lang herbeigesehnten Brückenbau geschrieben worden – „allein wegen der Bauingenieurleistung zu Recht!“ Wurden doch die Brückenpfeiler im fließenden Strom bei laufendem Schiffsverkehr errichtet. Neben Beton und Granitsteinen wurden für das Bauwerk 1 400 Tonnen Stahl und 2,5 Tonnen Bauniete verbraucht. In Spitzenzeiten waren bis zu 350 Arbeiter beim Brückenbau beschäftigt. Sodass am Ende insgesamt 85 000 Tagwerke zu acht Stunden zusammen kamen. Die Gesamtkosten betrugen 1,8 Millionen Reichsmark. Die Breite der Brückenfahrbahn betrug 18 Meter, ihre Gesamtlänge 203,90 Meter. Um zu testen, ob das Bauwerk auch hält, fand am 5. Juni 1934 eine Belastungsprobe statt. Dazu fuhren sechs Dampfwalzen und zehn Omnibusse über die Brücke, dahinter marschierten 250 Mann der Landespolizeischule.

„Allein, weil der Baubeginn in das verhängnisvolle Jahr 1933 fiel, wird bis in unsere Tage der Meißner Brückenbau 1933/34 gelegentlich als Teil einer kriegsvorbereitenden Strategie gewertet“, erklärt Steffen Förster. Davon könne allerdings keine Rede sein, denn in den Archiven sei nichts von derartigen Planungen und Absichten zu finden. Dass die Brücke so belastbar gewesen sei, habe nichts damit zu tun gehabt, dass sie etwa für Panzerquerungen konzipiert worden sei, sondern für eine Belastungsannahme im Güterverkehr der Meißner Straßenbahn berechnet gewesen sei.

„Im Jahre 1934 gab es aus Meißen die Anregung, die entstehende Brücke ,Adolf-Hitler-Brücke‘ zu nennen. Zu diesem Vorschlag sei seitens des sächsischen Finanzministeriums in der Reichskanzlei um Genehmigung ersucht und dort abschlägig beschieden worden. Der Grund: Das Bauwerk sei schon in der Systemzeit, also während der Weimarer Republik, geplant worden. Der Hitler-Vertraute Martin Bormann schrieb am 11. Februar 1935: „. . . dass der Führer und Reichskanzler aus grundsätzlichen Erwägungen und, um Berufungen zu vermeiden, nicht in der Lage ist, seine Zustimmung zur Benennung der neu erbauten Brücke in Meißen mit dem Namen ,Adolf-Hitler-Brücke‘ zu erteilen“.

Am 16. April 1945, 17 Uhr, wurde die Brücke vor anrückenden sowjetischen Truppen von den Nazis gesprengt.