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Disneyland im Villenviertel?

Die neobarocke Villa Tolkewitzer Straße 57 ist 2014 verschwunden. Der Eigentümer wehrt sich gegen den Wiederaufbau.

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© Giorgio Michele

Von Christoph Springer

Wie viel muss von einem Baudenkmal erhalten sein, damit es auch nach seinem Wiederaufbau ein Denkmal ist? Reicht es, wenn noch ein paar Mauern stehen geblieben sind und einzelne Steine wiederverwendet werden? Ja, das reicht. So hat die Stadt diese Frage bei der Frauenkirche beantwortet. Ob diese Kriterien auch für die Villa Tolkewitzer Straße 57 gelten, die Mitte 2014 verschwunden ist, muss zurzeit das Verwaltungsgericht Dresden klären. Die Stadt verlangt den Wiederaufbau, „sicht- und materialidentisch“. Eigentümer Dieter K. aus Hessen hält das für eine Zumutung und wehrt sich mit allen Mitteln gegen diese Forderung.

Dabei ist er bereits vor drei Jahren zu weit gegangen, sind die Denkmalschützer überzeugt, die vor dem Gericht von Alexandra Zschörnig-Kempe aus dem Rechtsamt des Rathauses vertreten werden. Statt die Reste des Gebäudes nach zwei Bränden zu retten, wie die Stadt es nach Angaben von Frau Zschörnig-Kempe in drei Anordnungen verlangt hat, habe der heute 77-Jährige die Villa abreißen lassen, sagte sie.

Dieter K. kann nur schwer an sich halten, während die Rechtsvertreterin der Stadt diesen Vorwurf erklärt. Später beschreibt ein Kollege aus dem Denkmalamt, was er gesehen hat, als er am Morgen des 16. Mai 2014 zu der Villa gerufen wurde. „Es war unmöglich, hineinzukommen“, erinnert er sich. Dieter K. habe die Fachleute aus dem Amt von seinem Grundstück verwiesen. „Eine Stunde haben wir mit ansehen müssen, wie ein Bagger frontal in die vordere Hauswand gefahren ist.“ Erst als die Polizei erschien, stoppt K. den Bagger. Laut dem Denkmalamt hat er seine Abrissaktion am 16. Juni 2016 komplettiert. „Da wurden weitere mindestens 50 Prozent der Villa zerstört“, so der Denkmalschützer.

Der 77-jährige Ex-Dresdner will das nicht hinnehmen. K. musste sich bereits gegen die Behauptung wehren, die Villa selbst in Brand gesteckt zu haben. Das Strafverfahren gegen ihn wurde von der Staatsanwaltschaft ohne Verhandlung eingestellt, der Rentner aus Rüsselsheim kam nicht als Täter infrage.

Sein Mandant habe versucht, die Sicherungsauflagen zu erfüllen, die die Stadt ihm auferlegt hatte, erklärte sein Anwalt Christoph Schmidt. Das sei nicht wie gewünscht gelungen. „Die Außenwände waren bereits ein Stück nach außen gekippt, erklärte Dieter K., der selbst Ingenieur ist. Der Grund: Eine Metallsicherung fehlte, die die Wände zusammenhält. Es drohte die Gefahr, dass eine ganze Mauer oder einzelne Steine auf den neben seinem Grundstück verlaufenden Elberadweg in Blasewitz stürzen.

Diese Details standen für die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts unter Leitung von Gerichtspräsidentin Claudia Kucklick am Dienstag nicht im Mittelpunkt. Sie interessiert zunächst nur, ob das Denkmal, das Dieter K. laut Anordnung wiederaufbauen soll, überhaupt noch ein solches ist, wenn der Rentner diese Anordnung befolgt hat. „Danach ist es kein Denkmal mehr“, sagte ein Vertreter des Landesamtes für Denkmalpflege bei der Verhandlung. Schließlich sei bis zur Kelleroberkante alles weg, das sei dann eher ein „Disneyland-Objekt“.

So ähnlich ist das auch auf dem Neumarkt. Kein Haus, auch kein sogenannter Leitbau, der entsprechend seinem Vorbild wiederaufgebaut worden ist, gilt dort als Baudenkmal und steht unter Denkmalschutz. Diesen besonderen Status hat nur die Frauenkirche.

Das Verwaltungsgericht will nun entscheiden, ob Dieter K. die Wiederaufbau-Anordnung der Stadt befolgen muss. Sollte ein Urteil gegen diese Forderung fallen, müssen ein Ingenieur und ein Denkmalschützer als Zeugen gehört werden, die etwas zum Zustand der Villa Mitte April und Mitte Mai 2014 sagen können. Da war aus Sicht der Stadt noch so viel erhaltenswerte Bausubstanz vorhanden, dass es sich wie bei der Frauenkirche auch nach der Rekonstruktion des Gebäudes noch um ein Denkmal gehandelt hätte. Dieter K. sieht sich dagegen im Recht: „Das Denkmal besteht nicht mehr und wir haben es nicht zerstört“, sagte er nach der Verhandlung.