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Direktor muss Sekretärin vertreten

Nicht nur Lehrer fehlen. An mehreren Schulen sind auch die Sekretariate verwaist. Lehrer und Eltern protestieren.

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© Steffen Füssel

Von Kay Haufe

Beim Anruf im Gymnasium Cotta meldet sich direkt der Schulleiter. Jürgen Karras hat Telefondienst, notgedrungen. Denn im 900-Schüler-Gymnasium treten morgens Dutzende Fragen und Probleme auf, die schnell geklärt werden müssen. Mit nur einer Sekretärin ist das allerdings schwer zu bewerkstelligen. Also greifen der Direktor und sein Stellvertreter stundenweise pro Tag selbst zum Hörer oder übernehmen andere Sekretariatsaufgaben.

... denn dort ist eine Stelle unbesetzt. Ulrike Pechthold schafft nicht alles.
... denn dort ist eine Stelle unbesetzt. Ulrike Pechthold schafft nicht alles. © Sven Ellger

Schon lange ist im Schulverwaltungsamt bekannt, das die zweite Cottaer Sekretärinnenstelle vakant ist. Vor drei Jahren war eine Kollegin in Rente gegangen, nach einem Dreivierteljahr kam ihre Nachfolgerin, die schnell der Liebe in eine andere Stadt folgte. Die Springersekretärin, die seit Sommer 2017 aushalf, arbeitet jetzt in einem anderen Amt, wo sie mehr verdient.

Schulleiter Karras weiß, dass er nicht der Einzige ist, in dessen Sekretariat Mitarbeiter fehlen. „Nach meinem Rundruf an Förder-, Grund-, Oberschulen und beruflichen Schulzentren sowie Gymnasien sind rund 16 Prozent der Sekretärinnenstellen nicht besetzt. Aber leider haben mir nicht alle Schulleiter geantwortet, es ist also nur eine Schätzung“, sagt der Cottaer Direktor.

Im Personalamt der Stadt weiß man es genau. Es fehlen acht Sekretärinnen, darunter drei Vollzeitstellen, eine 30-Stunden-Stelle und vier 20-Stunden-Stellen, heißt es in der Antwort auf die SZ-Anfrage. Weitere zwei 20-Stunden-Posten, sogenannte Springersekretärinnen, sind ebenfalls derzeit unbesetzt. Konkret sind also weitaus mehr als acht Stellen vakant, denn eine Grundschule mit 280 Schülern hat zum Beispiel nur Anspruch auf eine halbe Stelle. Erst ab 400 Schülern ist eine Vollzeitkraft vorgesehen, ab 800 Schülern dann zwei. Die fehlenden Sekretärinnen sowie weitere, die im ersten Halbjahr 2018 aufhören, sollen nach Auskunft der Stadt durch eine breit angelegte Ausschreibung ersetzt werden. Voraussichtlich im ersten Quartal 2018 würden die ersten Neueingestellten die Arbeit aufnehmen.

Genau an dieser Praxis übt Jürgen Karras scharfe Kritik. „Es kann nicht sein, dass die Stadt erstmal abwartet und nicht schon ausschreibt, wenn klar ist, dass die Kollegin in Rente geht oder eine andere Stelle annimmt“, sagt er. Für seine verbleibende Sekretärin Ulrike Pechthold heißt das doppelte Arbeit. Seit 2002 ist sie Sekretärin im Schulhaus an der Cossebauder Straße. „Und ich bin gern hier“, sagt sie. Als erster Ansprechpartner für Schüler, Eltern und Lehrer laufen bei ihr viele Fäden zusammen. Sie nimmt Entschuldigungen entgegen, koordiniert Veranstaltungen, verschickt Schulschreiben, erstellt amtliche und interne Statistiken, kümmert sich um den Haushalt der Schule sowie nötige Formulare und gibt Auskunft zu Dutzenden Fragen. „Es wäre schön, wenn bald jemand käme, der ebenso Lust an der Arbeit hat, damit wieder Kontinuität einzieht“, sagt sie. Denn es könne nicht sein, dass Lehrer diese Aufgaben übernehmen.

Doch das ist nicht nur in Cotta der Fall. Auch in der 50. Grundschule in Klotzsche fehlt eine Sekretärin. Nur einmal wöchentlich kommt für wenige Stunden eine Springerkraft. Das führt unter anderem dazu, dass sich Kinder, die zu spät kommen, auf seltsame Art und Weise bemerkbar machen müssen. Weil es aufgrund der Sanierung im Haus keine Klingel gibt, sollen die Kinder an einem bestimmten Platz stehen und winken, damit sie von Lehrern im Erdgeschoss gesehen werden und die Tür öffnen können. „Das ist doch absurd“, sagt Maja Schefczyk, die Vorsitzende des Elternrates. Lehrer müssten jetzt große Teile der Sekretärinnenarbeit übernehmen. „Dabei hatten wir eine gute Sekretärin, die aber aufgrund der Befristung in die freie Wirtschaft gewechselt ist“, sagt Schefczyk.

Die Bezahlung ist auch für Schulleiter Karras ein Punkt, der es schwer mache, gute Kräfte zu finden. „Eine Sekretärin hat heute ein sehr breites Aufgabengebiet. Doch entlohnt wird sie, als hätte sie nur Telefondienst“, sagt er. Die Stadt sieht an der Stelle keine Handlungsmöglichkeit. „Die Stadtverwaltung darf keine von der Entgeltordnung abweichende Eingruppierung vornehmen“, heißt es aus dem Geschäftsbereich Finanzen, Personal und Recht.

Jürgen Karras sieht nur noch die Möglichkeit, über die Politik etwas zu verändern. Er plant, mit anderen Schulleitern eine Petition einzureichen, damit Sekretärinnenstellen künftig ohne Ausfallzeit besetzt werden. Dana Frohwieser, die schulpolitische Sprecherin der SPD-Stadtratsfraktion, hält das für einen guten Weg. „Bisher haben wir immer nur von einzelnen Schulen gehört. Es ist gut, wenn sich jetzt viele zusammentun und auf das Problem hinweisen“, sagt sie. Kommentar