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Die zweite Chance

Ein Tharandter Verein hilft Jugendlichen zurück ins Leben. Vieles könnte einfacher sein.

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© K.-L. Oberthür

Von Carina Brestrich

Tharandt. Katrin hat ein Ziel: Sie möchte gern eine Ausbildung zur Verkäuferin anfangen. „Im Textilbereich – das wäre super“, sagt sie. Für die 21-Jährige wäre eine Lehre ein riesiger Schritt nach vorn. Nachdem ihre Eltern kurz hintereinander verstarben, fiel die junge Frau in ein tiefes Loch. Eine abgeschlossene Berufsausbildung hat die Alleinerziehende bis heute nicht. Doch Katrin ist inzwischen auf einem guten Weg. Dank des Vereins zur Förderung benachteiligter Jugendlicher in Tharandt hat sie wieder Halt gefunden. „Ich bin mir sicher, dass sie dieses Jahr einen Ausbildungsplatz findet“, sagt ihr Praxisbetreuer Ole Vogt.

Seit 19 Jahren hilft der Verein Jugendlichen, die auf die schiefe Bahn geraten sind, keinen Schul- oder Berufsabschluss haben. Die Gründe sind ganz verschieden: fehlende familiäre Strukturen, private Niederlagen, Drogen- oder Alkoholprobleme. „Geregelte Tagesabläufe kennen die Jugendlichen meist nicht“, erklärt Claudia Werner. Sie ist eine von drei Sozialpädagogen im Verein. Gemeinsam versuchen sie, die Betroffenen, die zwischen 18 und 26 Jahre alt sind, in Arbeit zu bringen. Dazu arbeitet der Verein mit verschiedenen Unternehmen in der Region zusammen, unter anderem Tischler, Baubetriebe und Frisöre. Dort können die Jugendlichen mit anpacken, herausfinden, was sie interessiert. Am Ende reicht es für einige zum Beispiel zum Staplerschein, zum Sägeschein oder dem Gesundheitspass, der Voraussetzung für eine Arbeit in der Gastronomie ist. „So lernen die Jugendlichen, wieder einen Sinn im Leben zu sehen, sie bekommen Selbstvertrauen“, sagt Roland Wöller. Der CDU-Landtagsabgeordnete und frühere Staatsminister unterstützt als Schirmherr die Arbeit des Vereins: „Ich bin jedes Mal begeistert über die Erfolgsgeschichten“, sagt er.

Auch Marcel kämpft, bald zu diesen Erfolgsgeschichten zu gehören. Der 26-Jährige ist schon zum zweiten Mal da. Nach den ersten zwölf Monaten beim Verein fand er zwar über eine Zeitarbeitsfirma einen Job. Dann wurde er längere Zeit krank, zog sich wieder zurück. Diesmal aber wird er es schaffen, ist er sicher. „Derzeit spare ich für den Führerschein“, sagt er. Mit dem, so hofft er, seine Chancen auf einen Ausbildungsplatz zu erhöhen. Was er machen will, das weiß er schon: „Ich möchte gern Lagerist werden“, sagt er.

Der Blick auf die Statistik zeigt: Die Aussichten dafür sind nicht schlecht. 30 bis 40 Prozent der bis zu 16 Jugendlichen, die der Verein betreut, finden einen Arbeitsplatz. „Das ist eine vergleichsweise gute Quote“, sagt Claudia Werner. Dennoch hat der Verein auch mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Jugendlichen können maximal für zwölf Monate bleiben. „Für einige ist das ganz einfach zu kurz“, sagt Claudia Werner. Doch eine Verlängerung der Maßnahme ist mit viel Papierkram verbunden. Überhaupt ist der bürokratische Aufwand sehr hoch. Denn weil die Arbeit des Vereins durch EU-Mittel finanziert wird, gibt es viele Formulare auszufüllen: „Ein Drittel unserer Arbeit befasst sich mit Verwaltung.“

Um sich die Sorgen und Nöte des Vereins anzuhören, war jetzt Staatssekretär Stefan Brangs (SPD) zu Gast. Konkrete Lösungen für den Verein hatte er zwar nicht im Gepäck. Doch er macht Betroffenen Mut: „Nach der Zeit hier muss nicht Schluss sein“, sagt er. Auch für Leute, die lange Zeit ohne Arbeit waren, gibt es eine Chance. So gibt es ein neues Landesprogramm zur Unterstützung von Langzeitarbeitslosen. Ziel ist, besser auf jeden Einzelfall einzugehen und die richtige Maßnahme zu finden. Außerdem sollen alleinerziehende Langzeitarbeitslose oder Familien, in denen beide Partner schon lange ohne Arbeit sind, besser unterstützt werden. Marcel und Katrin sind dankbar für die Hilfe beim Start in ein geregeltes Leben. Dazu gehört nicht nur, eine Arbeitsstelle zu finden. „Eine familiäre Atmosphäre ist uns wichtig“, erklärt Claudia Werner. Deshalb wird jeden Tag gemeinsam gekocht und gegessen. Keine Tiefkühlpizza oder Fertiggerichte, wie viele es aus ihrem alten Leben gewohnt sind. „Hier lernen die Jugendlichen, warum es sich lohnt, morgens aufzustehen.“