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Die Wurzeln des Zwiebelmusters

Die Manufaktur würdigt das Dekor mit einer Sonderschau. Eine Serie beleuchtet seine Geschichte. Folge 1.

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© dpa

Von Dr. Hans Sonntag

Meißen. Um der Herkunft des sogenannten Zwiebelmusters auf den Grund zu gehen, ist es nötig, auch in die Zeit vor und um die Erfindung des europäischen Hartporzellans zurückzugehen. Das begehrte Weiße Gold war damals nur aus dem Fernen Osten zu erhalten. Eines der Eingangstore in Europa für Porzellane aus China und Japan bildeten die Hafenstädte in Holland. Für die Abwicklung des Ostasienhandels entstanden Handelsgesellschaften wie die 1602 gegründete Holländische Ostindische Kompanie mit umfassenden Machtbefugnissen.

Die Höhepunkte dieses Porzellanhandels lagen im frühen 18. Jahrhundert, denn der chinesische Kaiser der K`ang hsi-Zeit hatte die Exportgeschäfte mit Europa wesentlich gefördert und erleichtert. Schon zwischen 1604 und 1656 erwarben die Holländer über drei Millionen Stücke der begehrten Porzellane aus Fernost. Kurz vor 1600 entstanden in Delft die ersten Fayencewerkstätten, in denen vor allem die reine Blaumalerei mit Kobaltfarbe für Teller, Schüsseln, Krüge, Vasen, Figuren und Fliesen praktiziert wurde.

Die vorhandenen und bekannten ostasiatischen Porzellane hatten dabei Vorbildcharakter, denn die Dekore waren öffentlich zu sehen und konnten somit auch abgezeichnet werden. So geschah es auch durch den Sachsen Johann Gottlieb Mehlhorn, weil er daran sehr interessiert war. Gemalt wurden großblättrige Blumen, Felsen, Vögel, Früchte, Figuren und Architekturen, gestaltet in zumeist gedrängten Kompositionen, da die scheinbaren Leerräume der ostasiatischen Dekormotive noch nicht in ihrem ursprünglichen Sinne als Areale des denkenden, fühlenden und atmenden Künstlers erkannt wurden. Auch die späteren europäischen Porzellandekore weisen mitunter noch diese Verdichtungen der einstigen Vorbilder auf.

Aufschlussreich ist, dass die Britische Ostindische Kompanie 400 000 Porzellane im Jahr 1772 verkaufte, die Französische Ostindische Kompanie 230 000 im Jahre 1790 und Dänemark über 200 000 Stücke im Jahr 1760. Die Versteigerungen dieser elitären Kostbarkeiten waren gesellschaftliche Höhepunkte, bei denen die fachkundigen Beauftragten der europäischen Fürstenhöfe in Aktion traten. Auch für den sächsischen Kurfürsten Friedrich August I. wurden entsprechende Einkäufe getätigt, um seine Porzellanleidenschaft zu befriedigen, und seinen Traum vom spektakulärsten Porzellanschloss zu realisieren, denn im Japanischen Palais waren sowohl die ostasiatischen auch seine sächsischen, also Meissener Porzellane dekorativ integriert.

An die Meißner Porzellanmanufaktur wurden bei Bedarf besonders wertgeschätzte Porzellane ostasiatischer Herkunft aus der Porzellansammlung sowohl hinsichtlich ihrer Formgebung als auch ihrer Dekorgestaltung entliehen, damit sie den Porzellanmalern als Vorlagen für Kopien dienen konnten. Dass dabei diverse farbliche und gliederungsbedingte Veränderungen auftraten, ist kaum verwunderlich, denn die Maler kannten mit Sicherheit nicht die mannigfaltigen ostasiatischen Symbolwerte. Diese Veränderungen bezeugen jedoch auch die individuelle Kreativität dieser Maler, die eben nicht nur Kopisten sein wollten.

In diesem Kontext entstanden exakte Kopien aber ebenso auch modifizierte Dekorgestaltungen. So wurden z.B. aus den chinesischen Dekoren der „famille rose“, die in bunter Aufglasurmalerei vorlagen, kobaltblaue Unterglasurdekore, die viel rationeller in nur einer Farbe zu malen waren und außerdem nur zwei Brände benötigten. Die ostasiatischen Dekore gab es zudem in Kobaltblau, aus der Zeit um 1700 bis 1730. Die in Meißen nachgefertigten Porzellanobjekte wiesen gestalterische Unterschiede auch von Malerhandschrift zu Malerhandschrift auf, so dass es variierende Dekorfassungen gab, gekennzeichnet unter Umständen mit den persönlichen Signaturen der jeweiligen Blaumaler.

In Folge 2 gegen Ende dieser Woche erscheint ein Beitrag über die Entstehung des Namens Zwiebelmuster.