Merken

Die wollenen Rasenmäher vom Trutzsch

Im Nickerner Kasernengelände hält eine Schafherde die Brombeerbüsche im Zaum. Auch an den Wolf wurde gedacht.

Teilen
Folgen
© René Meinig

Von Nora Domschke

Der Weg nach Nickern war gar nicht so weit: Nur knapp zwei Kilometer musste Schäfer Frank Ringling vom Dörfchen Sobrigau aus mit seinen 70 Tieren zurücklegen. Nun futtern sie sich schon durch die dritte von vier eingezäunten Weideflächen rund um den Trutzsch. So heißt der kleine Hügel, der sich oberhalb der alten Kaserne zwischen Lockwitz und Nickern erhebt. Für den grandiosen Ausblick auf die Stadt haben die Schafe nicht viel übrig. Wohl aber für die frischen Triebe der Brombeerhecken, die sich seit Jahren auf dem Berg ausbreiten. Um die dornigen Gewächse im Zaum zu halten, knüpfte Petra Costa vom Dresdner Umweltamt Kontakt zu Schäfer Frank Ringling.

„Ich habe überlegt, wie wir die Flächen rund um den Aussichtspunkt ohne großen Aufwand pflegen können“, erklärt Petra Costa. Damit der Trutzsch mit seinen Streuobstwiesen für die Menschen zugänglich bleibt, setzt die Stadt nun auf die tierischen Vielfraße. Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen (Grüne) machte sich an diesem Mittwoch ein Bild von der naturbelassenen Oase im Dresdner Süden. „Der Hang ist eine wichtige Frischluftschneise für das dicht bebaute Gebiet“, sagt sie und deutet auf die großen Prohliser Wohnhäuser. Zuletzt seien außerdem etliche Hinweise von Anwohnern beim Umweltamt eingegangen, dass der Hügel mehr und mehr zuwächst.

Auf den vier Weideflächen, jeweils zwischen 0,7 und 1,2 Hektar groß, knabbern die Schafe nun nicht nur die Brombeertriebe, sondern halten auch das Gras kurz. Was nicht unbedingt auf dem Schaf-Speiseplan steht – zum Beispiel Brennnesseln – übernehmen zwei Ziegen. Ist eine Wiese „abgemäht“, treibt Ringling die Tiere auf die nächste. Hilfe bekommt der Schäfer dabei von seinem Deutsch-Kurzhaar. Dieser ist zwar ein Jagdhund – wie das mit dem Treiben geht, weiß er aber natürlich auch, sagt sein Herrchen. Mit Ringlings Herde hat der Hund in der Tat gut zu tun: Etwa die Hälfte der 70 Heidschnucken sind Lämmer. Wenn eines von ihnen ausbüxt, hat der Schäfer auf den großen Wiesen keine Chance, es einzufangen. Den ersten Härtetest – oder besser Schreckmoment – hat die Herde in ihrem neuen Domizil übrigens schon hinter sich. Anfang dieser Woche liefen einige Tiere außerhalb der umzäunten Fläche herum. Der Wildschutzzaun war heruntergetrampelt, daneben lag ein totes Schaf. Der Tatverdächtige: ein Wolf.

Diese Nachricht sorgte auch bei Petra Costa im Umweltamt für Unruhe. „Wir befinden uns zwar im sogenannten Wolf-Erwartungsgebiet“, sagt die Expertin. Bislang habe es in Dresden aber noch keine Vorfälle mit dem Raubtier gegeben. Das bestätigt Andreas Wegener von der Grünen Liga Dresden. Als Leiter des Streuobstwiesenprojektes kümmert er sich auch um die Bewirtschaftung der Flächen am Trutzsch. „Der Wolf ist da, es gab auch schon etliche Sichtungen.“ In Nickern sei man aber vorbereitet. Und zwar mit speziellen Zäunen. Der breitmaschige Drahtzaun ist 1,50 Meter hoch, am unteren Ende ist das Geflecht umgeknickt und liegt außen gut 30 Zentimeter auf dem Boden. „Dadurch soll verhindert werden, dass der Wolf unter dem Zaun ein Loch gräbt “, sagt Wegener.

Um Fördergeld für das Projekt zu bekommen, wäre eigentlich das Aufstellen eines Elektrozaunes nötig gewesen. Hier machen aber eben jene hartnäckigen Brombeerbüsche einen Strich durch die Rechnung. Sie wachsen schnell und sind schwer zu entfernen. Damit der Strom ungehindert fließt, müsste der Zaun immer wieder freigeschnitten werden. „Das ist bei der Größe der Flächen aber nicht machbar.“

Letztlich gab es im Fall des toten Schafs Entwarnung. Es sei ein älteres Tier gewesen und habe keinerlei Verletzungen. Schäfer Frank Ringling geht davon aus, dass Menschen beim kaputten Zaun ihre Hände im Spiel hatten. Der Aussichtspunkt ist ein beliebter Treff, das zeigen leere Flaschen, die einfach zurückgelassen wurden. Es gab Beobachtungen, dass Jugendliche auf die Weiden gingen, um die Böcke an den Hörnern zu halten. „Es wird sich zeigen, ob das hier ein Projekt mit Zukunft ist“, sagt Petra Costa. Wenn es zu viel Ärger gibt, gehen die Schafe zurück nach Sobrigau. Ansonsten bleiben die Tiere in den nächsten Jahren auf dem Trutzsch. Damit sie genug Futter finden, will das Umweltamt die großen Büsche zurückschneiden. Zuletzt wurden außerdem 1 850 Flatterulmen gepflanzt.