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Regeln rund ums Baden

In Bädern oder Seen muss gerade auf Kinder aufgepasst werden. Doch wer ist für die Aufsicht verantwortlich?

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© Sven Ellger

Von Klemens Deider

Drei Kinder sind seit Juli 2017 in Dresden beim Baden ertrunken, zuletzt der zehnjährige Saddam A., der vor einer Woche am Sonntag in der Elbe verunglückte. Bei Unfällen mit Kindern stellt sich oft die Frage nach der Aufsichtspflicht. Die Sächsische Zeitung ist dem nachgegangen.

Wie die Stadt mitteilte, ist aus rechtlicher Sicht das Baden in natürlichen Flüssen und Seen erlaubt, solange es Wasser und Ufer sowie Pflanzen- und Tierwelt nicht beeinträchtigt. Dieses Recht, der Gemeingebrauch, kann man auch nutzen, wenn das Gewässer nicht als Badegewässer ausgewiesen ist, wie bei der Elbe. Allerdings erfolgt das Baden dann auf eigene Verantwortung und man ist selbst für mögliche gesundheitliche Folgen verantwortlich.

Da Kinder, je nach Alter, die Auswirkungen ihres Handelns noch nicht vollständig überschauen können, kennt das Bürgerliche Gesetzbuch den Begriff der elterlichen Sorge, auch Sorgerecht genannt. Eltern haben für ihr Kind bis zur Volljährigkeit zu sorgen, aufzupassen, es zu erziehen und vor Gefahren zu schützen. Das Aufsichtsrecht stellt Eltern aber vor ein Dilemma: Einerseits müssen sie ihren Kindern Freiräume gewähren, damit diese lernen, mit Risiken und Gefahren umzugehen. Andererseits müssen sie ihre Kinder und Außenstehende vor möglichen Schäden schützen. Das trifft auch beim Baden zu. Besonders dort, wo Strömung, Strudel und Schiffsverkehr vorkommen, wie in der Elbe.

Das Dilemma der Eltern ist dem Gesetzgeber bewusst. So heißt es in § 1626 BGB, Absatz 2: „Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit des Kindes zu selbstständigem und verantwortungsbewusstem Handeln.“ Konkrete Regeln für den Umfang der elterlichen Aufsichtspflicht gibt es nicht. Was sie ihren Kindern erlauben und verbieten, hängt von ihrem Augenmaß ab. Somit auch, ab welchem Alter sie ihnen erlauben, allein spielen oder baden zu gehen. Um ihrer Aufsichtspflicht nachzukommen, sollten sie ihr Kind auf jeden Fall über mögliche Risiken beim Spiel, beim Sport oder im Straßenverkehr aufklären und klare Regeln vereinbaren. Im Fall des zehnjährigen Saddam A. liegen der Dresdner Polizei derzeit keine Anhaltspunkte für eine Verletzung der Aufsichtspflicht vor, so eine Polizeisprecherin. Er war mit Freunden, aber ohne Eltern, in der Elbe baden.

Anders sieht es in den Schwimm- und Freibädern der Stadt aus. Hier achten Badmitarbeiter auf die Gäste. Allerdings können sie ihre Augen niemals überall haben und auf jeden jederzeit achten. Rechtlich ist die Lage auch anders geregelt. Schon allein dadurch, dass die Badegäste mit dem Kauf der Eintrittskarte und dem Eintritt ins Bad die dortige Haus- und Badordnung anerkennen, wie Robert Lehne erklärt. Diese hängt an jedem Bad am Eingang aus.

Der 44-Jährige leitet das Freibad Cotta. „Die Badordnung gilt für alle gleichermaßen“, so der Schwimmmeister. Grundsätzlich seien er und seine Kollegen aufsichtspflichtig für alle Gäste. Das entbinde aber nicht die anwesenden Eltern im Bad von der Aufsichtspflicht für ihre Kinder, so Lehne. Das Gleiche gilt laut Badordnung für Kinder- und Jugendgruppen. Diese seien beim „Aufsichtspersonal an- und abzumelden. Die Aufsichtspflicht der Gruppenleiter wird dabei nicht aufgehoben.“

In der Badordnung heißt es zwar Aufsichtspersonal, aber auch, dass die Besucher das Freibad einschließlich der Spiel- und Sportanlagen auf eigene Gefahr nutzen. Zudem haften die Badmitarbeiter bei Unfällen nur dann, wenn ihnen in diesem Fall Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen wird. Eltern und Gruppenleiter sind also weiterhin in der Verantwortung, mit achtzugeben. Und trotzdem erlebt es Robert Lehne in seinem Bad immer wieder anders. Die Eltern liegen im Schatten auf der Wiese, während ihr Nachwuchs im tiefen Becken schwimmt und planscht oder vom Dreier springt. Leider keine Seltenheit, wie er berichtet: „Wir müssen sehr oft Eltern darauf hinweisen, dass sie auf ihre Kinder aufpassen sollen“, sagte der 44-Jährige. Kinder mit Schwimmflügeln dürfen deshalb nur in Begleitung ihrer Eltern ins Schwimmerbecken.

In den allermeisten Fällen bleibt es folgenlos, wenn Eltern nicht jederzeit ihre Kinder im Blick haben. Nicht so am 6. Juli 2017. Im Stauseebad Cossebaude ertrank ein vierjähriges Mädchen. Das Kind hatte mit seiner Mutter und drei weiteren Kindern das Bad besucht und sich einige Minuten unbeobachtet im Bereich des Badebeckens für Nichtschwimmer aufgehalten. Badegäste entdeckten sie auf dem Grund des Nichtschwimmerbeckens. In diesem Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft Dresden derzeit wegen fahrlässiger Tötung gegen die Mutter und einen Begleiter wegen Vernachlässigung der Aufsichtspflicht.