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Die verrückte Brücke

Die Flut Anfang Juni hat in Nossen die einzige Zufahrt zu einem Grundstück beschädigt. Dort lebt eine herzkranke Frau.

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© Claudia Hübschmann

Von Dominique Bielmeier

Nossen. Der Keller ist schon seit Monaten wieder trocken. Die zerstörten Möbel wurden anstandslos von der Versicherung bezahlt. Dem Haus von Familie Samek in Ziegenhain sieht man nicht mehr an, welchen Schaden die Sturzflut vom 1. Juni dieses Jahres angerichtet hatte. Der Ketzerbach plätschert heute wieder friedlich vor dem Grundstück vorbei. Nur eine Hochwassermarke aus dem Jahr 2002 an der Fassade des Hauses deutet darauf hin, dass dessen Bewohner fluterprobt sind. Und natürlich diese verrückte Brücke.

Michael Samek blickt sie düster an. Der Dauerregen hatte Anfang Juni einen Sturzbach anschwellen lassen, der die gesamte Brückenkonstruktion um einen guten halben Meter zur Seite schob. Erst ein Baumstumpf am Ufer konnte sie stoppen, sonst wäre sie wohl ganz fortgespült worden (die SZ berichtete). Fünf Monate später ist die Brücke noch immer in diesem „verrückten“ Zustand. Neu sind rot-weiße Absperrbaken und ein Schild, das darauf hinweist, dass nur noch Fußgänger sie passieren dürfen. Sie seien aufgestellt worden, nachdem ein Gutachter Anfang September die Holzbrücke in Augenschein genommen habe, berichtet Michael Samek.

Das Problem: Die Brücke ist die einzige Zufahrt zum Grundstück der Familie. Zweimal habe er schon einen Marderschaden an seinem Firmenwagen gehabt, den er nun hinter der Brücke abstellen muss, erzählt Samek. Das ist jedoch seine geringste Sorge: „Meine Frau ist schwer herzkrank, wenn ihr mal was passiert, muss der Krankenwagen auf der Straße stehen bleiben“, schrieb der 63-Jährige in einer E-Mail an die SZ. Bürgermeister Uwe Anke gebe der Familie keine Antwort auf die Frage, wann sie endlich wieder ihre Zufahrt erhalte. Der letzte Stand war, berichtet Samek vor Ort, dass Fördermittel beantragt worden seien.

Was er besonders ärgerlich findet: Seine Kameraden bei der Feuerwehr würden die Brücke sofort wieder an ihre ursprüngliche Stelle ziehen. „Aber das wurde abgelehnt“, sagt Samek. Auch von mehreren Baufirmen habe der Mitarbeiter eines Baustoffhändlers Hilfe angeboten bekommen. Ende Juli erreichte ihn schließlich eine E-Mail vom Bürgermeister: „Heute erhielt ich vom Landratsamt die Mitteilung, dass wir die Schäden mit genauen Kostenangaben beim Wirtschaftsministerium (SMWA) melden können.“ Das bedeute aber noch nicht, dass auch entsprechende Mittel bereitgestellt würden. „Auch die Zeitschiene ist dabei dann noch unklar“, schrieb Anke.

Solange keine Fördermittel zur Verfügung stehen, habe das Bauamt die Alternative der Nutzung des bisherigen Fußweges vorgeschlagen. „Damit sollte die Anfahrt zu Ihrem Grundstück erst einmal gesichert sein.“ Doch der Fußweg verläuft zwischen Bäumen am Bach entlang, die so eng stehen, dass ein Auto unmöglich durchfahren könnte. Samek fühlt sich hingehalten.

Auf Anfrage der Sächsischen Zeitung erläutert Bürgermeister Uwe Anke den aktuellen Stand zur Brücke genauer. Bei der Staatsregierung sei eine Förderung beantragt worden. Aber: „Seit letzter Woche ist uns bekannt, dass es keine separaten Gelder für die Beseitigung dieser Hochwasserschäden gibt.“

Eine Reparatur der Brücke sei nicht möglich. Derzeit würden verschiedene Varianten untersucht und Vor- und Nachteile geprüft. Laut Brückenprüfung koste ein Neubau rund 230 000 Euro. „Vom Statiker liegen uns Kosten für eine für Pkw befahrbare einfache Metallbrücke von 80 000 Euro vor“, so Anke weiter. Ein Neubau könne über das Förderprogramm „KStB“ beantragt und bei Bewilligung dieser Gelder gebaut werden. Die Eigenmittel wären über den Stadthaushalt zu tragen.

Mit einer einfachen Metallvariante wäre Michael Samek schon völlig zufrieden. Die Brücke ist 1992 im Rahmen der Dorfentwicklung gebaut worden, erklärt Bürgermeister Uwe Anke. Damals habe sie rund 50 000 Euro gekostet, von denen 40 000 aus Fördermitteln stammten. Schon bei den Hochwassern 2002 und 2013 sei sie beschädigt worden, die „umfangreichen Reparaturen“ danach konnten durch Hochwassergelder gedeckt werden. „Als befahrbare Brücke dient sie ausschließlich der Zuwegung zum Grundstück Samek und darüber hinaus als Ersatz für die bis 1992 dort befindliche Fußgängerbrücke“, so Anke.

Das bestreitet Michael Samek jedoch, die Brücke sei auch als Zugang zu einer benachbarten Kita gebaut worden. Auch die Antwort des Bürgermeisters auf die Frage nach einer möglichen Zwischenlösung dürfte ihm nicht gefallen: „Die Zwischenlösung ist die Nutzungsfreigabe für Fußgänger.“ Ein Zurückversetzen stelle laut Aussage des Statikers die Tragfähigkeit und damit die Befahrbarkeit mit Fahrzeugen nicht wieder her, so Anke.

Für die Familie geht das Warten also vorerst weiter. Ab Februar geht Michael Samek in Ruhestand, braucht dann ein Privatauto, das er gerne wieder in seiner Garage abstellen möchte. Schon im Dezember feiert die Familie ein Jubiläum: Vor 20 Jahren haben sie das Elternhaus von Elke Samek direkt am Bach übernommen.