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Die unvollendete Dresdner Silhouette

Wo einst das Belvedere stand, klafft heute eine Lücke. Nun holt ein Investor alte Pläne wieder aus der Schublade.

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© Sammlung Holger Naumann

Von Tobias Hoeflich

Bernd Dietze ist überzeugt, die Mehrheit der Dresdner im Rücken zu haben. „90 bis 95 Prozent hätten feuchte Augen bekommen, wenn das Belvedere in historischer Form wiederentstanden wäre“, sagte der Chef der Baywobau einst. Dietzes Zitat stammt zwar aus dem Jahr 2008. Doch es gilt noch immer. Mit seinem Unternehmen plante er damals, das Gebäude auf der Brühlschen Terrasse zu rekonstruieren und Dresdens historische Silhouette zu vollenden. Doch an der Lücke im Brühlschen Garten hat sich nichts geändert. Nun will Dietze einen neuen Anlauf starten.

Wo einst gespeist und gefeiert wurde, lädt heute eine Grünfläche zum Blick aufs Neustädter Elbufer ein. Dabei will es der Freistaat als Eigentümer auch belassen.
Wo einst gespeist und gefeiert wurde, lädt heute eine Grünfläche zum Blick aufs Neustädter Elbufer ein. Dabei will es der Freistaat als Eigentümer auch belassen. © Sven Ellger

Seit dem 16. Jahrhundert war die Fläche der Brühlschen Terrasse fast durchgängig bebaut – wenn auch in unterschiedlicher Form. Vier Belvederes markierten im Laufe der Zeit den östlichen Auftakt zum Balkon Europas. Das letzte aus dem Jahr 1842 stand den Dresdnern als Gaststätte offen, ging aber im Bombenhagel 1945 unter. Entworfen hatte es Otto von Wolframsdorf. Der Architekt plante auch die Orangerie an der Herzogin Garten, die wieder aufgebaut wird. Geht es nach Dietze, könnte das auch mit dem Belvedere geschehen: „Man kennt ja den Dresdner Kulturkampf zwischen modern und historisch. Aber dort muss man das bauen, was dort auch hingehört“, ist er überzeugt. „An dieser Stelle kann man den Bürgern keine aufregende oder einfache moderne Architektur zumuten. Ein futuristischer Bau geht nicht.“

Genau bei der Frage gab es einst wohl Differenzen zwischen dem Freistaat, dem das Areal gehört, und dem Dresdner Stadtplanungsamt. Während das Land auf eine historische Bebauung setzte, tendierte das Rathaus wohl zu einem modernen Entwurf. Letztlich stoppte der Freistaat die Ausschreibung des Grundstücks im Jahr 2008. Man sehe dort keinen Bedarf für eine gastronomische Einrichtung, lautete die offizielle Begründung.

An einer neuen Debatte haben Stadt und Land offenbar wenig Interesse. „Das Gesamtensemble Brühlsche Terrasse und Brühlscher Garten bleibt beim Status quo. Wir sehen hier keine Nutzungsanforderung“, sagt Uli Kretzschmar vom Schlösserland Sachsen. Pläne für eine neue Ausschreibung des Grundstücks gebe es deshalb keine. Auch die Stadtplaner im Rathaus halten sich zurück. Ein neues Belvedere habe keine Priorität, heißt es. „Wichtiger war die Rekonstruktion der Stadtsilhouette durch den Wiederaufbau der Frauenkirche, der Quartiere am Neumarkt und des Schlossquartiers.“ Die Frage nach Rekonstruktion oder Neubau des Belvederes lässt das Amt unbeantwortet.

Für Torsten Kulke von der Gesellschaft Historischer Neumarkt ist klar, dass ein modernes Haus nicht auf die Brühlsche Terrasse gehört. „Das ist kein Ort für Experimente. Wenn ein Wiederaufbau infrage kommt, kann es nur diese Lösung geben.“ Damit meint er das Belvedere in der Version von Wolframsdorf. „Wenn das jemand bauen will, sind wir Feuer und Flamme.“

Kulke glaubt jedoch nicht, dass es dafür eine politische Mehrheit gibt. Das fürchtet auch die Dresdner FDP, die 2008 einen Antrag für den Wiederaufbau des alten Belvederes eingebracht hat. Sie zog ihn zurück, weil sich wohl keine Mehrheit im Stadtrat gefunden hätte. Auch heute zweifelt Holger Zastrow von der Fraktion FDP/Freie Bürger daran. „Das Thema ist uns zu wichtig, um es im Stadtrat aus ideologischen Gründen tot zu diskutieren, nur weil der Vorschlag von der falschen Seite kommt. Deshalb halten wir uns mit Initiativen zurück.“ Zu einem Wiederaufbau des historischen Belvederes stehe die Fraktion laut Zastrow nach wie vor: „Sollte der Freistaat weiter untätig bleiben, führt an einer erneuten öffentlichen und politischen Debatte kein Weg vorbei.“

Das dürfte Bernd Dietze von der Baywobau gern hören. Sein Konzept von damals hat der Geschäftsführer noch in der Schublade liegen. Zuletzt hatte sein Unternehmen mit Großprojekten wie am Neumarkt und auf dem Weißen Hirsch zwar reichlich zu tun, doch nun könne man sich durchaus erneut der Brühlschen Terrasse widmen. Dietze: „Die Pläne fürs Belvedere liegen noch da und wir stehen bereit, sie wieder aufzunehmen.“