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Die Uhrmacher-Macherin

21 Jahre leitete Marion Vogler die Glashütter Uhrmacherschule. Nun nimmt sie Abschied – und will selbst etwas lernen.

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© Egbert Kamprath

Von Maik Brückner

Glashütte. Jeder Uhrmacher kennt sie in Glashütte, obwohl sie selbst keine Uhrmacherin ist: Marion Vogler. Sie unterrichtete Generationen von Uhrmachern und Werkzeugmachern. In den zurückliegenden 42 Jahren hat die Berufschullehrerin geschätzt vor 3 600 Lehrlingen gestanden, darunter auch vor einigen, die Karriere gemacht haben und heute Unternehmen und große Abteilungen führen. Dazu gehören unter anderem Nomos Glashütte-Chef Uwe Ahrendt, Mühle-Geschäftsführer Thilo Mühle, Berufsschullehrer Gunnar Müller von Glashütte Original und Bert Salomon, Leiter der Aus- und Weiterbildung bei Lange Uhren.

In den vergangenen 21 Jahren war Marion Vogler nicht nur Berufsschullehrerin, sondern leitete als Fachleiterin die Uhrmacherschule, die inzwischen zum Beruflichen Schulzentrum „Otto Lilienthal“ Freital-Dippoldiswalde gehört. Ende des Monats hört nun die 65-Jährige auf, sie geht in den wohlverdienten Ruhestand.

Obwohl Marion Vogler im Osterzgebirge geboren ist, spricht sie ein Hochdeutsch mit einem feinen thüringischen Akzent. Den hat sie ihrem Vater zu verdanken. Der bekam 1955 die Chance, beim Spielzeughersteller Piko im thüringischen Sonneberg zu arbeiten. Er nutzte diese und zog mit der Familie um. Das Besondere an Sonneberg: Die Stadt lag nah an der Grenze zur BRD und gehörte zum Sperrgebiet. Um das zu betreten, brauchte jeder DDR-Bürger eine Sondergenehmigung. Die Bewohner des Grenzstreifens hatten wiederum spezielle Ausweise. Das Leben hatte trotzdem auch Vorteile. „Die Versorgungslage war gut“, erinnert sich Marion Vogler. Schließlich wollte die Staatsführung verhindern, dass die Bewohner des Grenzstreifens auf dumme Gedanken kommen. Deshalb wurde auch kulturell viel geboten, es gab Jugendklubs mit vielen Arbeitsgemeinschaften, Tanzveranstaltungen und eine Volkshochschule mit einem breiten Angebot. „Und wir hatten Westfernsehen.“

Nach der Schule wollte Marion Vogler unbedingt Maschinenbauzeichnerin werden. „Vorbild war mein Vater.“ Der arbeitete zu dieser Zeit in der Konstruktionsabteilung eines Elektro-Installationsbetriebes, der Staubsauger, Kaffeemaschinen und Raumheizlüfter herstellte. Sie begann die Ausbildung und absolvierte parallel dazu ihr Abitur an der Volkshochschule. Nach der Lehre arbeitete Marion Vogler an der Seite ihres Vaters. „Das hat mich sehr geprägt“, sagt sie heute. Die Konstruktion sollte aber nicht das Ende ihrer beruflichen Karriere werden. Sie wollte studieren und konnte sich zwischen Magdeburg und Dresden entscheiden. Ihre Wahl fiel auf Dresden. „Das lag näher an der Heimat meiner Eltern.“ 1972 begann sie ein Studium, das sie vier Jahre später erfolgreich als Diplom-Ingenieur-Pädagogin für Maschinenbau abschließen konnte. Danach standen drei Pflichtjahre an. Die frisch gebackene Berufsschullehrerin landete in Riesa, um dort Metalluren auszubilden.

„Am Anfang war es hart“, erinnert sie sich. Denn die Jungs hatten es knüppeldick hinter den Ohren. Rückhalt bekam sie von den Kollegen. „Ich hatte ein tolles Lehrerkollektiv“. 1979 wechselte sie an die Berufsschule Makarenko des VEB Glashütter Uhrenbetriebe. „Die kannte ich, weil ich hier 1973/1974 ein Lehrerpraktikum absolviert hatte.“ Und das hatte ihr gefallen.

Unter den angehenden Uhrmachern und Werkzeugmachern hat sie sich deutlich wohler gefühlt. Zudem hatte sie mit Hartmut Knothe, der später die Berufsschule leiten sollte, einen guten Mentor gefunden. Marion Vogler unterrichte Technisches Zeichnen, Werkstoffkunde, Fertigungstechnik und Betriebsökonomie. Nach der Wende wechselte die Berufsschule vom Glashütter Uhrenbetrieb zum Landkreis, der sie mit den Berufsschulen in Dippoldiswalde vereinte. Das hatte auch für Marion Vogler Folgen. Sie unterrichtete fortan auch in Dipps, schulte dort angehende Dachdecker und Maurer. „Das war eine Herausforderung.“ 1997 wurde dann die Stelle der Fachbereichsleiterin in Glashütte frei. Marion Vogler ergriff die Chance, bewarb sich und wurde genommen.

Trotz ihrer Leitungsfunktion blieb sie weiter Berufschullehrerin, sie unterrichtete in den Fächern Kundenberatung und Verkauf sowie Konstruktion von Uhrenteilen. Letzteres brachte sie sich selbst bei. „Einen Wecker könnte ich schon zusammenbauen“, sagt sie. Auch andere Herausforderungen hat die Pädagogin gemeistert. Ihr Erfolgsrezept: positiv denken. Dass sich die Bärensteinerin nicht wie 65 fühlt, liegt an den jungen Leuten, mit denen sie tagtäglich zu tun hat und für die sie immer ein offenes Ohr hatte und hat. Doch nicht nur zu den Berufsschülern hat sie einen guten Draht, auch zum Landratsamt, dem die Berufsschule gehört und das für die Instandhaltung zuständig ist. In den letzten Jahren hatte das immer wieder geholfen, Sachsens einzige Uhrmacherschule konkurrenzfähig zu halten. Viel Hilfe bekam Marion Vogler und ihr Team von den Uhrenfirmen, von Lange, Nomos, Wempe, Mühle und Glashütte Original. Marion Vogler kam mit allen gut aus. Noch heute ist sie stolz darauf, dass es ihr einmal gelang, die Chefs aller wichtigen Uhrenfirma zu einem Termin begrüßen zu können. Das schafft in Glashütte sonst nur der Bürgermeister.

Ende August geht ihre Zeitreise an der Uhrmacherschule zu Ende. Es beginnt eine neue. Neben Arbeiten am Haus und im Garten möchte Marion Vogler nun öfters schwimmen gehen und Gymnastik treiben. Und sie möchte die Seiten wechseln, sich wieder auf die Schulbank setzten, um Englisch zu lernen. „Mit dieser Sprache kommt man weit.“ Damit werde es leichter, ihre Lieblingsreiseländer Italien und Portugal zu erkunden. Und sie möchte einen Satz beherzigen, der das Lebensmotto von Glashüttes Uhrenvater Walter Lange war: „Niemals stehen bleiben!“