Merken

„Die Schellerhauer sind immer auf der Höhe“

Ortsvorsteher Ingo Rümmler sagt, warum er sein einst armes Dorf so sehr mag. Und was der Teufel mit dessen Gründung zu tun hat.

Teilen
Folgen
© Frank Baldauf

Von Mandy Schaks

Altenberg/Schellerhau. Einer der kleinsten Ortsteile von Altenberg mit gerade mal etwas mehr als 400 Einwohnern feiert Mitte Juni eine große Sause: Schellerhau wird 475 Jahre alt und gilt heute als eine Perle des Osterzgebirges. Und es gibt noch einen Grund zum Feiern. Vor 425 Jahren wurde die hübsche Dorfkirche geweiht. Die SZ sprach aus Anlass des Doppeljubiläums mit Ortsvorsteher Ingo Rümmler (55), der auch im Altenberger Stadtrat sitzt, darüber, woher Schellerhau eigentlich kommt und wo es noch hin will.

Herr Rümmler, sind Sie eigentlich ein waschechter Schellerhauer?

Ich denke schon, denn ich war nur die ersten fünf Tage meines Lebens nicht in Schellerhau.

Ist damit Ihre Familie eine alteingesessene?

Der älteste Vorfahre, über den ich etwas weiß, ist Wilhelm Rümmler. Er wurde 1857 geboren.

Spiegelt sich in Ihrem Stammbaum auch ein bisschen die Schellerhauer Entwicklung? Oder sind die Rümmlers da etwas aus der Art geschlagen?

Vom Waldarbeiter zum Elektromeister, so lässt sich auch die Schellerhauer Entwicklung beschreiben. Immer auf der „Höhe“.

Was schätzen Sie an Schellerhau? Warum leben Sie gern hier?

Besonders schätze ich die freie und offene Lage von Schellerhau mit dem sehr wechselhaften und doch etwas raueren Klima.

Es heißt, bei der Gründung von Schellerhau hatte vor 475 Jahren der Teufel seine Hände im Spiel. Erzählen Sie mal.

Wer hatte nicht schon einmal Streit mit seiner Großmutter? Und so ist die Sage von Schellerhau: Der Teufel hatte wieder einmal Streit mit seiner Großmutter. Er verließ wutentbrannt die Hölle, den Sack vollgepackt mit Häusern, denn er wollte sich irgendwo auf der Erde selbstständig machen. Allerdings hatte er nicht bemerkt, dass er auch ein Stück glühende Kohle vom Höllenfeuer eingesackt hatte. Gerade als er über die Schellerhauer Höhen flog, brannte die Kohle ein Loch in den Sack, und der Teufel verlor ein Häuschen nach dem anderen. Diese fielen in großem Abstand voneinander auf die Erde. Als der Teufel merkte, dass er fast alle Häuser verloren hatte, warf er den Rest auch noch hinunter und rief: „Zum Schinder!“

Und wie war es tatsächlich?

Viele Geschichten kursieren über den kleinen Ortsteil von Altenberg. In der eigentlichen Geschichte scheint Magnus von Bernstein die wichtigste Person zu sein, denn er veranlasste 1543 am Tage Walpurgis, das ist der 1. Mai, die Ortsgründung. Der weitere Ortsausbau dürfte nach dem Verkauf der gesamten Herrschaft an seinen Vetter und dessen Bruder Hans von Bernstein, dem Gründer von Bärenfels, erfolgt sein. Nachdem Altenberg schon im Jahre 1451 das Stadtrecht erworben hatte, suchte man später auch in der Umgebung von Altenberg nach abbauwürdigen Erzen. Als man in der Nähe der „Böhmischen Straße“ fündig wurde, verhandelte Hans Schelle mit dem Grundherrn Magnus von Bernstein über die Anlage eines neuen Dorfes und erhielt die Erlaubnis. Dieser Hans Schelle schickte zunächst vier Bergleute in das Gebiet, um Grubenholz zu schlagen sowie Kohle für das Altenberger Bergwerk beräumen zu lassen. Innerhalb der nächsten 17 Jahre stieg die Einwohnerzahl schon auf 37 an.

Wenn Sie die Entwicklung Revue passieren lassen, haben Sie da schon manchmal gedacht, das muss doch wieder mit dem Teufel zu tun haben?

Das Waldsterben in den 1980er-Jahren hat mich sehr stark geprägt. Und aktuell beschäftigt mich die Sorge darüber, dass wir als Schellerhauer Einwohner so wenig Einfluss auf unsere eigene Entwicklung haben. Es ist uns in den letzten Jahren trotz großer Bemühungen nicht gelungen, unseren Rundwanderweg um Schellerhau vom Ortsausgang Richtung Altenberg zu schließen, sodass unsere Gäste die letzten 500 Meter auf der Straße laufen müssen.

Und was würden Sie als die Sternstunden von Schellerhau bezeichnen?

Dass es Schellerhau mit seinen Einwohnern in den letzten Jahren gelungen ist, sich aus einem armen Waldhufendorf zu einem staatlich anerkannten Erholungsort zu entwickeln.

Was wünschen Sie Ihrem Ort in den nächsten 475 Jahren?

Eine Weiterentwicklung mit Augenmaß, wobei der Charakter unseres Ortes erhalten bleibt, aber die Menschen trotzdem gern hier wohnen.

Und privat?

Dass ich weiterhin ein bisschen Glück habe und so gesund bleibe wie bisher.