Merken

Die Salami ist nicht mehr die Gleiche

Der Ex-Rennersdorfer Günter Rönitz bekam jetzt den Goldenen Meisterbrief. In der Gaststätte seiner Familie verkehrte einst Euroimmun-Gründer Winfried Stöcker.

Teilen
Folgen
© Nikolai Schmidt

Von Daniela Pfeiffer

Rennersdorf. Wenn Günter Rönitz Fleisch einkaufen geht, sind Sehen und Riechen die beiden wichtigsten Sinne. Ob Fleisch und Wurst frisch aussehen oder Verfärbungen auf der Oberfläche haben, ob der Geruch frisch ist, die Auslage ansprechend gestaltet ist – auf solche Dinge achtet der 76-Jährige als Fleischermeister im Ruhestand ganz besonders. „Die Struktur des Fleisches ist heute nach der ganzen Verarbeitung kaum noch wahrnehmbar.“

Günter Rönitz im weißen Kittel. So kannten ihn seine Mitarbeiter.
Günter Rönitz im weißen Kittel. So kannten ihn seine Mitarbeiter. © Repro: Nikolai Schmidt

Ein wenig trauert er den Zeiten im Schlacht- und Verarbeitungsbetrieb schon nach, das ist ihm anzumerken. Hier auf der Cottbuser Straße in Görlitz hat Günter Rönitz den größten Teil seines Berufslebens verbracht, war bis zuletzt dabei, als der Betrieb 1998 schließen musste. Nachdem er große Zeiten erlebt hatte – vor allem vor der Wende. Die Zahlen sprechen für sich: „In meiner Amtszeit als Leiter, also zwischen 1971 und 1998, sind 980 000 Rinder geschlachtet worden, das sind 250 jeden Tag“, sagt Rönitz. 15 Tonnen Wurst wurden zu DDR-Zeiten pro Tag hergestellt, noch mal so viele rohe Bratwürste fürs Weihnachtsgeschäft. 60 Lehrlinge wurden zu Spitzenzeiten ausgebildet – verteilt über drei Jahrgänge. „Mein Leben war vom Schlacht- und Verarbeitungsbetrieb geprägt“, sagt Rönitz.

Dabei sollte er gar nicht Fleischer werden, wäre es nach seinen Lehrern gegangen. Geboren wurde Günter Rönitz in Görlitz, lebte die ersten vier Jahre seines Lebens in Radmeritz, dem kleinen Dörfchen gleich hinter Hagenwerder. Die Eltern betrieben dort eine Fleischerei. Nach dem Krieg ging die Familie nach Rennersdorf, wo die Mutter schließlich eine Gaststätte führte, der Onkel die großväterliche Fleischerei. Kaufhaus-Investor Winfried Stöcker, der ebenfalls aus Rennersdorf stammt, kam in die Gaststätte als junger Bursche oft Klavier spielen, erinnert sich Günter Rönitz. 1948 kehrte Rönitz’ Vater aus dem Krieg zurück und arbeitete weiter als Fleischer. „Ich lernte 1956 schließlich selbst Fleischer, obwohl meine Lehrer das nicht wollten. Ich hatte die Schule mit Auszeichnung abgeschlossen und sollte auf die Oberschule und studieren.“ Die Eltern hielten das für keine gute Idee.

Studiert hat Rönitz später doch noch. Nach der Armee und einer kurzen Zeit als Fleischer in Döbeln machte er in der Volkshochschule die Hochschulreife nach, 1965 seinen Meister und absolvierte danach in Dahlen bei Oschatz ein Studium zum Ingenieur für Fleischwirtschaft. Mit seiner Frau lebte er danach in Eisenhüttenstadt, war dort Technischer Leiter im Fleischkombinat, begann von dort aus schließlich ein Studium der Fleischtechnologie an der Berliner Humboldt-Uni, das er auch abschloss. Das passierte bereits von Görlitz aus, denn der Ruf zurück in die Heimat war inzwischen gekommen. Der Schlachthof, in dem Rönitz auch bereits kurz gearbeitet hatte, wollte ihn als Verantwortlichen für die Neubauten der Rinderschlachtanlage und der Geflügelschlachterei in Schlauroth. Nach dem Bau übernahm er hier auch die Produktionsleitung. In all den Jahren sei immer alles reibungslos gelaufen, nie habe es hygienische Beanstandungen gegeben – darauf ist Günter Rönitz heute noch stolz.

Die Erinnerungen an den Arbeitsalltag teilt er heute noch gern mit den ehemaligen Kollegen, es gibt immer noch Treffen. Das Ende des Schlachthofes, der nach der Wende die Landeskrone Fleisch GmbH war, ist ein eher trauriges Kapitel. „Wir hätten mit einem Neubau im Gewerbegebiet Ebersbach eine Chance gehabt, aber nicht in der Innenstadt.“ Es kam nicht zustande, der Gesellschafter, dem das Schlachthof-Grundstück noch heute gehört, schloss den Betrieb 1998.

Fleischmachen hat Günter Rönitz aber nie aufgegeben, wenn auch heute nur noch für den Hausgebrauch. Im Keller seines Biesnitzer Einfamilienhauses wird noch einmal im Jahr geschlachtet, die Vorräte an die Familie verteilt. Auch Räucherwurst macht er dann und wann noch. „So eine rauchfrische Wurst, noch warm, auf einer frischen Semmel – das bekommen Sie nirgends mehr.“ Wie so vieles nicht mehr ist, wie es mal war. Welcher Fleischer stelle schon eine Salami noch selbst her, viele würden sie zukaufen. Überhaupt wird es ihm schwer ums Herz, wenn er von seiner Zunft spricht. „Unseren Berufsstand gibt es nicht mehr, nicht so wie früher jedenfalls. Schlachten, Zerlegen, Wurstmachen, Verkaufen, wir waren Alleskönner.“ In weiteren 20 Jahren, so fürchtet er, gibt es den Beruf sicher nicht mehr.

53 Jahre ist es nun her, dass Günter Rönitz seinen Meister machte. Dafür wurde er vor wenigen Tagen in Dresden mit dem Goldenen Meisterbrief geehrt – eine Auszeichnung für sein Lebenswerk. Rönitz bekam sie von der Handwerkskammer Dresden mit 169 weiteren Handwerksmeistern, darunter 29 aus dem Landkreis Görlitz. Eine schöne und würdige Veranstaltung, fand Rönitz. Er habe sich unter seinesgleichen sehr wohlgefühlt.