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Die Sachsenkarte der Lebensqualität

Umwelt, Ärzte und Konzerte – ein Vergleich nach Punkten zeigt, wo das Leben welche Vor- und Nachteile hat.

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Von Georg Moeritz

Die Luft in Rostock ist viel besser als in Stuttgart. Der Frauenanteil im Stadtrat von Potsdam ist höher als in Ludwigshafen, und Cottbus hat mehr Sonnenstunden als Kassel. Das sind Argumente, mit denen Politiker die Lage im Osten beschönigen und West-Ost-Unterschiede kleinreden könnten. Doch für die ZDF-Deutschland-Studie „Wo lebt es sich am besten?“ haben Forscher der Prognos AG insgesamt 53 Kriterien ausgewählt, für die es Vergleichsdaten gibt. Laut ZDF liegt damit „erstmals ein umfängliches Ranking zu den Lebensumständen in Deutschlands Regionen“ vor. Bisher seien immer nur Teilaspekte wie Wirtschaft oder Wohnen verglichen worden – oder nicht alle 401 Kreise und kreisfreien Städte einbezogen worden.

Das Ergebnis der Studie zeigt trotzdem München, Heidelberg und Starnberg auf erwartbaren Siegerplätzen. Doch unter den schlechtesten 50 Platzierungen finden sich zehn in ostdeutschen Bundesländern, elf in Niedersachsen und 24 in Nordrhein-Westfalen. Drei Ruhrgebietsstädte finden sich eindeutig hinten, obwohl Schlusslicht Gelsenkirchen mit Kultur und bezahlbarem Wohnraum punkten kann. Doch das reicht nicht im Vergleich mit den sächsischen Kreisen, von denen keiner schlechter ist als Platz 297 von 401. Kultur und bezahlbaren Wohnraum gibt es auch im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge auf Platz 77, und der schlägt nach Punkten sowohl die Lausitz als auch Leipzig.

Chemnitz punktet mit Vereinen

Die Autoren haben nach eigenen Angaben „bewusst nicht“ Umfragen in ihre Bewertung einbezogen. Sie wählten messbare Kriterien aus drei Gebieten: Arbeit und Wohnen, Gesundheit und Sicherheit, Freizeit und Natur. Mit diesem Ansatz wurde es möglich, dass auch wirtschaftlich schwache Regionen dank blühender Landschaften weiter nach vorne rückten als in üblichen Standort-Rankings. Selbst die Zahl der Vereine wurde verglichen, als ein Indikator für Lebensqualität. Auch bei diesem Kriterium schlägt Dresden mit 7,6 Vereinen pro 1 000 Einwohner den Konkurrenten Leipzig mit dessen 6,9 Vereinen – aber Chemnitz meldet 7,7. Am Ende hat Chemnitz einen Punkt mehr als Leipzig.

Dresden bietet nach dieser Untersuchung mit Platz 12 in Deutschland eine Lebensqualität, die fast an die Münchner heranreicht und deutlich vor der Leipziger liegt. Die Wirtschaftsdaten zeigen, dass Leipzig die ärmere Großstadt ist: Der Durchschnitts-Leipziger hat rund 1100 Euro im Jahr weniger zur Verfügung als der Dresdner, die Arbeitslosenquote ist in Leipzig höher und auch die Zahl der Schuldner sowie der Kinder, für die Grundsicherung vom Amt bezahlt wird. Leipzig hat auch einige Sonnenstunden im Jahr weniger als Dresden – dafür aber mehr Erholungsfläche je Einwohner und dank der Seen auch mehr Wasserfläche für die Freizeit. Bei der „Restaurantdichte“ fanden die Forscher kaum Unterschiede, sahen aber im Kulturleben noch einige Vorteile für Dresden: Die leihen deutlich mehr Bücher aus Bibliotheken und nutzen deutlich mehr „klassische Kulturveranstaltungen“ als die Leipziger.

Den Prognos-Autoren ist klar, dass Stadt-Land-Unterschiede häufig größer sind als die Unterschiede zwischen einzelnen Städten. Doch die große Menge der untersuchten Kriterien erleichtert zumindest den Vergleich zwischen Städten und ländlichen Regionen. Beim Zusammenzählen kamen die Forscher auf exakt gleich viele Punkte für die Stadt Leipzig und den Landkreis Bautzen: je 176. Nur hinter dem Komma hatte Leipzig noch einen kleinen Vorsprung, sodass die Stadt in der Deutschland-Tabelle auf Platz 110 steht, der Kreis Bautzen dagegen auf Platz 113.

Nordsachsen fällt deutlich ab

Freilich ist die Arztdichte in Leipzig höher als im Kreis Bautzen, die Lebenserwartung in Jahren aber fast gleich: In Bautzen haben Frauen eine etwas höhere Lebenserwartung als in Leipzig, bei Männern ist es umgekehrt. Einbrüche und Gewaltverbrechen je 10 000 Einwohner sind in Leipzig deutlich häufiger, auch Schulabbrecher und Raucher. Der Kreis Bautzen schlägt die Stadt Leipzig nicht überraschend beim Anteil von Wald- und Wasserflächen und bietet im langjährigen Mittel auch sieben Sonnenstunden mehr pro Jahr.

Die Forscher stellten bei der Lebensqualität keine großen Unterschiede zwischen den Kreisen wie Bautzen, Görlitz und Meißen fest. Mittelsachsen bekam einige Punkte weniger, Nordsachsen allerdings fällt recht deutlich ab. Dieser Kreis mit den Städten Torgau, Oschatz und Delitzsch grenzt an Leipzig, aber auch an Brandenburg – die Unterschiede innerhalb dieses Kreises dürften erheblich sein. Nordsachsen bekam 18 Punkte weniger als die Kreise Görlitz und Meißen. Der Kreis hat zum Beispiel weniger Vereine, keine klassischen Kulturveranstaltungen mit eigenem Ensemble, aber mehr Wohnungseinbrüche und mehr kommunale Schulden.

Das ZDF sieht in der Studie eine Ergänzung zur Diskussion über die Lebensqualität in Deutschland und hat einige Fernsehbeiträge dazu vorbereitet.

Alle Ergebnisse der Studie ab Freitag unter https://deutschland-studie.zdf.de