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Die Prinzessin der Johannstadt

Eine Vietnamesin hat sich ihren Traum erfüllt. Unweit der Waldschlößchenbrücke ist einer ihrer Gärten zu sehen.

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© Sven Ellger

Von Niklas Hartwich

Thi Miub Tran steht am Johannstädter Ende der Waldschlößchenbrücke inmitten von Blumen. Mit dem hellblauen Kleid und dem markanten Schirm sticht sie hervor. Die 63-Jährige strahlt, denn sie fühlt sich wohl in ihrem Garten. Mit vielen verwinkelten Wegen, Beeten und farbenfrohen Blumen hebt er sich ab von den anderen. Vor Jahren begann sie mit ihrer vietnamesischen Familie und Freunden, das brachliegende Grundstück zu verwandeln. Es ist nicht ihr erster Garten.

Tran kam 1989 aus Vietnam in die DDR. Kurz nach dem Mauerfall war sie lange arbeitslos, bis sie im Textilgeschäft ihres Bruders einen Job fand. Mitte der 90er-Jahre brannte es jedoch ab, wahrscheinlich wegen Brandstiftung. Wieder war sie arbeitslos. In den folgenden Jahren änderte sich viel. Sie aß nur noch vegetarisch und putzte sich so heraus, dass sie von ihren Freunden Prinzessin genannt wurde. In dieser Zeit um das Jahr 2000 lernte sie auch den damaligen Ortsamtsleiter Dietrich Ewers kennen.

Dadurch wird die Prinzessin letztlich auf einer Baustelle aktiv. Ewers lässt gerade Brachflächen von ABM-Kräften notdürftig herrichten und begrünen. Die Johannstädter Vietnamesen haben Interesse und wollen helfen. Er freut sich über das Angebot und willigt sofort ein. Der Ortsamtsleiter hat damals nicht geglaubt, dass daraus eine Freundschaft für die nächsten zwei Jahrzehnte entsteht. Die mittlerweile dreifache Oma sicher auch nicht.

Die erste Fläche, die sie bearbeiten können, liegt auf der Pfotenhauerstraße 54 neben dem damals neu gebauten Pfennigpfeifer. Mit den Bauarbeitern haben sie ein kleines Abkommen geschlossen. Die vietnamesische Gemeinschaft kocht für ein paar Leute mehr und lädt die Schuftenden zum Mittag ein. Im Gegenzug helfen ihnen die Männer mit den Maschinen. Ganz ähnlich funktioniert es auch an der Waldschlößchenbrücke 2008. Diesmal erhält die mittlerweile selbst ernannte Prinzessin Thien Hoa, was so viel heißt wie Blume des Himmels, restliche Baumaterialien.

Damit kann die Stadt gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Einerseits kann sie das restliche Material abgeben und andererseits hatte sie jemanden, der sich um den Bereich kümmert. Denn als der Bau 2003 beschlossen wurde, ist klar, dass Ausgleichspflanzungen vorgenommen werden müssen. „Die Verantwortung war unklar. Das Tiefbauamt und das Amt für Stadtgrün schoben sich die Verantwortung gegenseitig zu“, erklärt Ewers. Und so setzte sich der damals bereits Pensionierte für die Vietnamesen ein. Sie durften auch diese Brachfläche gestalten und machen sich mit viel Elan an die Arbeit.

Noch heute ist die Johannstädter Prinzessin den Verantwortlichen dankbar. Sie betont: „Ewers war ganz wichtig, ohne ihn gäbe es keinen Garten“. Die Johannstädter Vietnamesen kreierten eine Oase, wie ehemalige Ortsamtsleiter feststellt.

In beide Flächen wurden mittlerweile fast 500 000 Euro investiert, schätzt Ewers. Und das aus eigener Tasche. Dabei gibt es ein Problem: Immer häufiger werden die Gärten durch Müll beschmutzt oder Pflanzen gestohlen. „Das ist sehr schade“, erzählt die Prinzessin traurig. Denn eine Pflanze kann schnell mal bis zu 20 Euro kosten. Zum Beispiel 15 frische Buchsbäume, gut zehn davon wurden in den letzten Wochen entwendet. „Ich baue hier schön, und die machen das kaputt, da muss ich weinen“, erzählt sie. Die Johannstädterin wünscht sich Hilfe. Doch nicht nur gegen den Diebstahl, sondern auch für die Pflege. Immerhin ist Hoa mittlerweile 63 Jahre alt, und auch die anderen Helfer sind nicht mehr die Jüngsten. Deshalb wird es langsam schwieriger. „Alle sollen zusammen helfen“, sagt sie. Schließlich sind die Gärten auch für jeden zugänglich und in Johannstadt etwas Besonderes.

Fast 20 Jahre Arbeit stecken in den Anlagen mit kleinen Seen, mit Spiralaufgang und schlangenförmigen Wegen durch Rosen- und Nelkenbeete. Auch viel Obst gibt es hier zu finden. Zum Beispiel Pfirsiche, Kirschen, Johannisbeeren und Pflaumen. Die Prinzessin freut sich, wenn die Besucher sich etwas nehmen und es genießen. Sie betont: „Ganz ohne Chemie, alles natürlich und gesund“. Sie träumt von einer friedlichen Welt, voller Liebe und Zuneigung. Blumen sind ihr Weg, das hohe Ziel zu erreichen.

Sie ist glücklich in Deutschland. Während die Prinzessin das sagt, fängt sie an zu weinen. Es tut ihr gut, den anderen Menschen zu helfen. Umso besser geht es der Prinzessin, wenn sie alte und junge Leute in den Gärten sieht. „Es fühlt sich gut an, und ich freue mich sehr“, erzählt sie lächelnd mit Freudentränen in den Augen.