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Die Mutbürger

Fast jeder dritte Schiebocker wählte AfD. Die „Bürger für Bischofswerda“ wollen dem Protest etwas entgegensetzen.

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© Rocci Klein

Von Ingolf Reinsch

Nur meckern ist zu wenig. Wer etwas verändern will, sollte auch was tun für die Allgemeinheit. Davon sind Robert Geburek, Frank Mehlhose und Patrick Wolf überzeugt. Und sie leben es vor. Alle drei sind Mitglieder der parteiunabhängigen Initiative „Bürger für Bischofswerda“ (BfB). Diese stellt fünf Stadträte. Und auch außerhalb von BfB sind sie mehr engagiert, als viele andere Schiebocker. Frank Mehlhose und Robert Geburek haben als Mitglieder des Fördervereins Fronfeste großen Anteil daran, dass Bischofswerdas ältestes Gebäude erhalten bleibt und zum Hospiz umgebaut wird. Darüber hinaus engagiert sich Robert Geburek gemeinsam mit Patrick Wolf im Verein Regenbogen. Der Verein übernahm in diesem Jahr von der Stadt den Treff „Freizone“ und die Schulsozialarbeit.

Votum für Stadtentwicklung: BfB und SPD initiierten 2009 ein Bürgerbegehren zur Zukunft des einstigen Speditionsgeländes an der Stolpener Straße.
Votum für Stadtentwicklung: BfB und SPD initiierten 2009 ein Bürgerbegehren zur Zukunft des einstigen Speditionsgeländes an der Stolpener Straße. © Steffen Unger
Saubere Stadt: Die Initiative Bürger für Bischofswerda rief den Frühjahrsputz ins Leben. Die Resonanz ist mäßig. Trotzdem findet die Aktion jedes Jahr statt.
Saubere Stadt: Die Initiative Bürger für Bischofswerda rief den Frühjahrsputz ins Leben. Die Resonanz ist mäßig. Trotzdem findet die Aktion jedes Jahr statt. © Steffen Unger
Bunte Botschaften: Bischofswerda feiert in diesem Jahr 790 Jahre. BfB nahm das zum Anlass, im Frühjahr 790 Luftballons in den Stadtfarben auf die Reise zu schicken.
Bunte Botschaften: Bischofswerda feiert in diesem Jahr 790 Jahre. BfB nahm das zum Anlass, im Frühjahr 790 Luftballons in den Stadtfarben auf die Reise zu schicken. © Rocci Klein

Die Männer vom BfB sind als kritische Geister bekannt, die auch mal anecken. Zum Beispiel dann, wenn ihre Stadträte hartnäckig nachfragen, wenn Argumente von Rathaus-Mitarbeitern aus Sicht der Abgeordneten nicht stichhaltig oder Zahlen nicht nachvollziehbar sind. Oder wenn sie Missstände in der Stadt ansprechen. Mit den Protest- oder Wutbürgern, wie sie seit dem Aufstieg der Alternative für Deutschland (AfD) landläufig verstanden werden, hat BfB allerdings nichts am Hut. „Wir haben einen konstruktiven Ansatz, wollen im Positiven etwas verändern“, sagt Frank Mehlhose. Die AfD setze auf Abschottung, BfB auf eine offene Stadt.

Bei der Bundestagswahl im September bekamen die Rechtspopulisten in Bischofswerda über 32 Prozent der Stimmen. Er habe mehr befürchtet, sagt Frank Mehlhose, und begründet es mit dem Stimmungsbild im September 2015: Am Tag nach der Eröffnung der Erstaufnahme für Flüchtlinge in einer ehemaligen Hero-Halle versammelten sich rund 300 Asylgegner vor dem Gelände an der Belmsdorfer Straße. Die Initiative Bürger für Bischofswerda rief zur Gegendemo auf. Nur rund 20 Leute kamen. Doch entmutigen lässt sich Bürger für Bischofswerda davon nicht.

2008 gründete sich die Initiative

BfB entstand vor knapp zehn Jahren aus der Unzufriedenheit mit einer stagnierenden Stadtentwicklung heraus. 2008 wurde in Bischofswerda der Oberbürgermeister gewählt. Unter der Leitung des damaligen Amtsinhabers Andreas Erler (CDU) werde sich nichts ändern, erinnert sich Robert Geburek. So dachten zunächst vier Bürger – Frank Mehlhose, Stefan Läsker, Robert Geburek und Thomas Bär – über Altarnativen nach. Im März 2008 gründete sich die Initiative Bürger für Bischofswerda. Sie nominierte mit Stefan Läsker einen eigenen OB-Kandidaten, der aus dem Stand heraus 18,3 Prozent der Stimmen holte, das zweitbeste Ergebnis nach dem Amtsinhaber. Das machte Mut, auch zur Stadtratswahl 2009 anzutreten. BfB wurde mit fünf Stadträten zweitstärkste Fraktion nach der CDU.

In den Jahren 2009 bis 2014 habe man sich im Stadtrat aufgrund der Mehrheitsverhältnisse als Opposition gesehen, sagt Frank Mehlhose. Doch was weh tat, war die Arroganz einiger langjähriger Stadträte. Sie werteten das neue Bündnis als „Jugendbrigade“ ab. Er habe das als „unverschämt“ empfunden, sagt Frank Mehlhose und kontert: „Eine 25-jährige Zugehörigkeit zum Stadtrat ist noch keine Qualifikation.“

In seiner zweiten Stadtratsperiode, die 2014 begann, sieht sich BfB nicht mehr als Opposition. Mit Linke und SPD gibt es inhaltliche Überschneidungen und gemeinsame Initiativen. Alle drei Fraktionen können die Stadtratsmehrheit erreichen. „Wir sehen uns als Kontrollorgan gegenüber der Stadtverwaltung“, sagt Fraktionsvorsitzender Robert Geburek. Und Frank Mehlhose, ebenfalls einer der fünf BfB-Stadträte, fügt hinzu: „Wir würden auch gern die Zusammenarbeit mit der CDU/FDP-Fraktion intensivieren. Es geht um Bischofswerda. Je schneller wir vorankommen, desto besser.“ – BfB machte da in der Vergangenheit viele Vorschläge, oft auch gemeinsam mit Linke und SPD. Etwa zu effizienten Verwalzungsstrukturen im Rathaus, zur Sanierung der Wesenitzsporthalle oder auch zur Förderung von Vereinen durch die Gewinne, die die kommunale Infokabel GmbH erwirtschaftet. Ein Vorstoß von BfB für einen Radweg oder wenigstens einen markierten Streifen für Radfahrer am verlängerten Drebnitzer Weg wurde nachträglich nicht mehr in die Planungen eingearbeitet. Um so nachdrücklicher mahnen die Bürger nun ein Verkehrskonzept für die Stadt an. Nicht immer bringt es Genugtuung, im Nachhinein recht zu haben. Etwa, was die komplizierte Haushaltslage der Stadt angeht. „Wir haben über Jahre die Problem angesprochen und bis 2014 keinem Haushalt zugestimmt“, sagt Frank Mehlhose.

Aus seiner Sicht sollte keiner, egal ob Oberbürgermeister oder Stadtrat, länger als zwei Wahlperioden amtieren. Nach zehn Jahren im Stadtrat wird er 2019 nicht mehr kandidieren. Die gewonnene Zeit möchte Frank Mehlhose vor allem seiner Familie widmen. Auf 30 bis 40 Stunden im Monat summiert sich die Arbeit als Stadtrat. Robert Geburek lässt eine erneute Stadtratskandidatur noch offen.