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Die Macht der Brauen

Lisa Basseng bietet in Rosenbach eine Kosmetik an, die man nicht sehen soll. Bald baut sie ein Haus, dann hat auch ihr Studio mehr Platz.

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© www.foto-sampedro.de

Von Susanne Sodan

Lisa Basseng kann bei vielen Frauen sagen, auf welcher Seite sie nachts schlafen. Dabei ist sie weder Orthopäde noch Schlafforscherin. Lisa Basseng macht Permanent Makeup, also dauerhaftes Make-up. Und zwar mit einem besonderen Spezialgebiet: Augenbrauen. An denen lässt sich eine ganze Menge ablesen, erzählt Lisa Basseng. Häufige Emotionen zum Beispiel. „Manche Menschen haben auch einfach von Natur aus zum Beispiel einen traurigen Gesichtsausdruck.“ Häufig, erklärt sie, hat das gar nichts mit Mund oder Augen zu tun – sondern mit der Form der Brauen. „Sie sind der Rahmen eines Gesichtes“, sagt Lisa Basseng. Und diesen Rahmen so optimal zu gestalten, hat die 31-Jährige sich zur Aufgabe gemacht.

Ihr kleines Studio ist in Rosenbach. An der Fassade eines Einfamilienhauses am Galgenberg ist ein Schild mit dem Namen angebracht: Natural Perfektion. Kommt man zur Tür rein, sieht es aber erst mal gar nicht nach Kosmetik aus, sondern nach einem gemütlichen Wohnhaus. Genau das ist es auch. „Es ist das Haus meiner Großeltern“, erzählt Lisa Basseng. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern im Obergeschoss, die Großeltern im Erdgeschoss. Ein Zimmer dort haben sie für ihre Enkelin aber freigeräumt. Und dort sieht es nach Kosmetik aus – mit weißer Liege, neben dem Kopfteil steht die Kosmetiklampe mit Lupe, an der Wand sind ebenfalls weiße Regale, in denen zig winzig kleine Fläschchen stehen. Gefüllt sind sie aber nicht mit Cremes, sondern mit Farben. An den Wänden hängen die Zertifikate der Fortbildungen, die Lisa Basseng in den vergangenen drei Jahren gemacht hat.

Aufgewachsen ist sie in Löbau. Nach der Schulzeit hat sie ein Studium zur Diplombetriebswirtin in Plauen gemacht. Zurück in der Oberlausitz hat sie im Handel gearbeitet. Die Idee zur Selbstständigkeit kam ihr vor rund drei Jahren, als sie in Elternzeit war. „Während ich gearbeitet habe, bin ich nicht viel zum Nachdenken gekommen“, erzählt Lisa Basseng. „Ich war auch nicht unglücklich mit meiner Arbeit, ich war schon zufrieden.“ In der zweiten Elternzeit – also mit zwei Kindern – seien aber Gedanken aufgekommen, wie: Schaffe ich das noch, mit Vollzeit und Schichten? Dazu kam, dass ihr Mann viel unterwegs ist. Er ist Rennfahrer in der GT3-Klasse.

Es war Zufall, dass sich Lisa Basseng zu der Zeit selber in einem Kosmetikstudio für Permanent Make Up die Augenbrauen pigmentieren ließ. „Das Ergebnis war nicht verpfuscht, es war schon okay. Aber ich habe mich doch gefragt, ob das nicht besser geht.“ Je mehr sie recherchierte, umso größer wurde das Interesse. Schließlich buchte sie ihren ersten Ausbildungskurs. Bei Permanent Make-up denkt man schnell an das TV-Sternchen Daniela Katzenberger und ihre Augenbrauen, die vor ein paar Jahren durch Pigmentierung unvorteilhaft auf die Stirn gerutscht waren. Lisa Basseng schüttelt den Kopf. Sie arbeitet anders. „Die Grundlage ist immer das, was da ist.“ Also die natürliche Augenbraue. Von ihrem Tisch an der Wand holt sie etwas, das aussieht wie ein Stift. Nur, dass er vorne keine Miene hat, sondern ganz feine Messerchen oder Nadeln. Damit – und mit der passenden Farbe – zeichnet sie die Augenbrauen per Hand nach. Dabei setzt sie tatsächlich feine Schnitte, über die die Pigmente in die Haut gelangen. Microblading heißt diese Methode. Lisa Basseng arbeitet noch mit einem zweiten Verfahren, das Powderbrows heißt. Dabei werden, ebenfalls mit winzigen Nadeln, viele kleine Pünktchen gesetzt. Als sie das zum ersten Mal nicht an einer Übungsmembran, sondern an einer Person machen durfte, „habe ich schon sehr geschwitzt. Da hatte ich großen Respekt.“ Striche oder Pünktchen, beides verblasst nach rund einem Jahr.

Vor den Nadeln aber kommt etwas ganz anderes zum Einsatz: der Zirkel. Kosmetik, das ist nicht nur Kunst, sondern auch Mathe. „Nur nach frei Hand arbeite ich nicht“, sagt Lisa Basseng. Wo eine Braue beginnen und wo sie enden sollte, wo der höchste Punkt und wie die Brauenstärke ist, wird vorher aufgezeichnet. „Vieles hat mit dem Goldenen Schnitt zu tun.“ Am wichtigsten sei ihr aber Natürlichkeit. „Es gibt keine hässlichen Frauen“, sagt Lisa Basseng. Aber man kann manches ausgleichen. Zu ihr kommen zum Beispiel Frauen, die lückenhafte Brauen haben, lichte oder ungleichmäßige Brauen. Manchmal kommen auch Frauen mit Jugendsünden zu ihr: Wenn die Mode nach dünnen Augenbrauen schrie, Frauen übermäßig viel gezupft haben, und manches Härchen dann eben nicht mehr nachwachsen wollte. Auch bei der Form könne man manches ausgleichen. „Ist eine Braue sehr steil geformt, kann das schnell grimmig wirken. Eine sehr gerade Braue kann den Blick drücken. Sowas kann man verfeinern und den Blick öffnen.“ Ziel: Anderen soll der Besuch bei ihr nicht auffallen. „Natürlich ist es schön, wenn die Kundin zu hören bekommt, dass sie gut aussieht. Aber man soll nicht gleich merken, dass das an den Brauen liegt.“

Wenn Lisa Basseng von den richtigen Farben erzählt, von der korrekten Hauttiefe, von Gesichtsachsen, vom Eyebrow-Festival in Rotterdam – eine Messe, die sich nur um Augenbrauen und die neuesten Methoden dreht – dann merkt man, dass auch das zweite Wort im Firmnennamen, Perfektion, zu ihr selber passt. Perfektionistisch sei sie, sagt sie selber. Aber auch ein Glückskind. Gerade auf dem Weg in die Selbstständigkeit habe sie viel Glück gehabt. „Ich hatte immer Leute um mich, die mich unterstützt haben.“ Ihr Mann zum Beispiel oder auch die Mutter und die Großeltern, die sich oft mit um die Kinder kümmern. Bald wird für die Familie, wie auch für das Studio, mehr Platz sein. Im Mai dieses Jahres beginnen Bassengs mit dem Bau ihres eigenen Hauses. Es wird gar nicht weit entfernt sein. Ein paar Grundstücke hinter dem Haus der Großeltern ist noch Bauland. Das neue Haus ist schon geplant, im Erdgeschoss wird es einen größeren Kosmetikraum geben. Der jetzige ist ein Zwischenschritt. „Aber es geht nur Schritt für Schritt, wenn man sich selbstständig machen will.“