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Die gute Seele vom Campingplatz

Roland Wandelt kümmert sich ehrenamtlich um die Zelter am Gut Göhlis. Und hilft auch mal mit einem Bier aus.

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© Sebastian Schultz

Von Britta Veltzke

Riesa. Jetzt ist aber Schluss. Der September ist vorüber. Für den Campingplatz am Volksgut bedeutet das: Saisonende. Der Herbst ist eingekehrt. Die Blätter werden immer gelber und segeln zu Boden – ein Fall für Roland Wandelt. Der 62-Jährige kümmert sich um den Platz und natürlich um die Gäste. Regulär kann man bis zum 1. Oktober in Göhlis campieren. Doch schon Anfang September sind von Tag zu Tag weniger Besucher gekommen. Den letzten größeren Ansturm hat es gegeben, als Besucher des internationalen Darts-Turniers mit ihren Wohnmobilien ankamen.

Roland Wandelt ist auf dem Zeltplatz der Mann für alle Fälle. Ihn rufen Radtouristen auf der Suche nach einer Unterkunft an, er weist die Camper vor Ort ein, zeigt ihnen, wo sie duschen und aufs Klo gehen können, kassiert ab, gibt Tipps, hält den Platz in Ordnung – und das alles ehrenamtlich für den Verein Sprungbrett. In diesem Sommer hat sein Handy besonders häufig geklingelt. „Wir hatten etwa 900 Gäste, sicher 200 mehr als im Vorjahr. Der Warmwasser-Boiler stand in dieser Saison ständig unter Dampf“, sagt er lachend.

Inzwischen hat sich offenbar rumgesprochen, wie schön der Platz an den alten Gutsgemäuern ist. „Einer der Höhepunkte in diesem Jahr war eine Hochzeit auf dem Zeltplatz“, erzählt Wandelt. „Für die Feier wurde ein großes Zelt aufgebaut, die Gäste haben in Wohnmobilen und Zelten geschlafen, zum Teil auch in Hotels der Umgebung.“ Hintergrund für die Ortswahl war die Herkunft der Eheleute. Ein Teil der Familie kam aus Dresden, der andere aus Leipzig. „Also hat das Hochzeitspaar nach einem Ort gesucht, der genau in der Mitte liegt. Und grün sollte er sein. Vorab haben die beiden den Platz besichtigt und waren sich sofort einig.“ Leider sei das Wetter nicht gerade traumhaft gewesen.

Aber das war in diesem Sommer ja ein generelles Problem – den Besucherstrom hat das offenbar nicht gebremst. „Die meisten Gäste sind mit dem Fahrrad auf dem Elberadweg unterwegs. Wenn das Wetter plötzlich schlechter wird, müssen die Radler damit leben und kommen trotzdem.“ Wenn es mal zu sehr regnet, schließt Wandelt durchnässten Radtouristen auch schon mal das „Schwarze Schaf“ im Gutsgewölbe auf. Einen Aufenthaltsraum hat der Zeltplatz ansonsten nicht. Ein Schild leitet die Radler, die elbabwärts fahren, schon vor dem Flugplatz in Richtung Gut. Auch auf der offiziellen Internetseite des Elberadweges ist der Zeltplatz gelistet.

Roland Wandelt mag seinen Job als Campingwart vor allem, weil er so viele verschiedene Menschen trifft. „Es kommen Besucher aus England, Holland, Frankreich. Viele fahren von Prag bis Cuxhaven.“ Für Wandelt wäre das nichts. „Ich schwinge mich für einen Tageausflug aufs Rad, aber mehrtägige Fahrradtouren sind nichts für mich“, gibt er zu. Aber zum Urlaub machen hat er in der Hochsaison sowieso kaum Zeit. Maximal eine Woche gönne er sich in den Sommermonaten. „In der Zeit vertritt mich Axel Weinhold.“ Der Volksgut-Schäfer sei aber immer heilfroh, wenn er die Rolle als Campingwart nach seiner Rückkehr wieder abgeben könne. „Es klingelt ja ständig das Handy.“

Roland Wandelt versorgt die Besucher des Campingplatzes mit Stadtkarten, zeigt ihnen, wo sie einkaufen gehen können, verleiht Feuerkörbe. Und wenn es an einem Sommerabend mal an einem kühlen Getränk mangele, helfe er auch schon mal mit einem Bier aus dem heimischen Getränkedepot aus. Fremdsprachenkenntnisse? Fehlanzeige! „Ich habe ja zwei gesunde Hände, und wenn man wirklich gar nicht weiterkommt, dann bitte ich einen anderen Gast, zu übersetzen.“ Besonders eindrücklich seien in dieser Saison sechs Tschechen gewesen. „Die hatten gar kein Zelt dabei, nur Isomatten. Die haben in ihren Schlafsäcken unter freiem Himmel geschlafen. Da wusste ich erst gar nicht, was ich berechnen sollte.“ Ein Zelt kostet pro Nacht vier Euro genauso viel wie ein Erwachsener. Natürlich habe er am Ende nur 24 Euro kassiert, vier pro Nase, ohne Zelt.

Wenn seine Hilfe gebraucht wird, kommt Wandelt sofort rüber – manchmal mit den Enkeln im Schlepptau, die ihrem Opa gern helfen. Denn er wohnt nur einen Steinwurf entfernt in der Siedlung neben dem Gut. „Meine Frau sagt schon, ich verbringe mehr Zeit auf dem Zeltplatz als zu Hause.“ Denn häufig bleibt es nicht dabei, dass er die Leute nur einweist und wieder geht. „Wenn die Gäste Fragen zur Geschichte des Gutes haben, dann beantworte ich die natürlich gern, und wenn es gewünscht wird, gebe ich eine kleine Führung.“ Wer mit den gesprächigen Riesaer ins Plaudern kommt, kann sich das nur allzu gut vorstellen. Noch dazu ist Wandelt genau der Richtige, um über die Geschichte des Volksgutes zu berichten. Er gehört quasi zum Inventar.

Roland Wandelt war zu DDR-Zeiten der letzte Direktor des „Volkseigenen Gutes Göhlis“. Nach der Wende hat er den Betrieb im Auftrag der Treuhand abgewickelt. „1993 habe ich das Gut an den damaligen Riesaer Bürgermeister Horst Barth übergeben. Seitdem gehört es wieder der Stadt“, erzählt der 62-Jährige. Neben seinem ehrenamtlichen Job als Platzwart arbeitet Wandelt noch stundenweise als Lagerist. Wenn er in den nächsten Jahren in den „Ruhestand“ geht, wird er wohl noch mehr Zeit auf dem Zeltplatz verbringen.