Von Daniel Förster
Pirna. Annemarie Träger ist tot. Viele Pirnaer kannten die engagierte Seniorin als „gute Seele“ der Marienkirche. Sie starb am 14. September im Alter von 94 Jahren. Zu ihrem Geburtstag Ende Juli hatte sie noch der Posaunenchor im Seniorenzentrum Sächsische Schweiz besucht und ein Ständchen gespielt. „Das hat sie noch einmal richtig aufleben lassen“, sagt Superintendentin Uta Krusche-Räder, die leitende Geistliche des evangelisch-lutherischen Kirchenbezirkes, die auch zu den Posaunenbläsern gehört. Jedoch sei Annemarie Träger inzwischen sehr schwach gewesen. Altersbedingt konnte sie zuletzt immer weniger Anteil am Leben im Heim nehmen.
Annemarie Träger war ein Pirnaer Urgestein und immer mit der Stadt verbunden, auch wenn sie in Dresden geboren wurde. In Pirna hat sie sich über Jahrzehnte ehrenamtlich engagiert. Und das in ganz verschiedener Weise: ob im Kuratorium Altstadt Pirna, im Kuratorium Gedenkstätte Sonnenstein, im Canaletto-Forum, im Neuen Pirnaer Geschichtsverein, im Kirchenchor und Förderverein der Stadtkirche St. Marien, in der Kirchgemeinde, im Kirchenbezirk und in der Diakonie. „Alles, was man sich vorstellen kann, überall war Frau Träger mit dabei – aus Interesse und aus Leidenschaft für Pirna“, sagt Superintendentin Uta Krusche-Räder. Und überall hatte sie Freunde, mit denen sie auch im hohen Alter noch Kontakt pflegte. Rührig und freundlich wird sie in Erinnerung bleiben. Mit einem kleinen Rucksack auf dem Rücken und Fotokamera in der Hand lief die feine alte Dame, immer elegant gekleidet und frisiert, durch die Stadt. Schnell kam sie ins Gespräch und hatte einen lockeren Spruch auf der Zunge.
Stets herzlich und bescheiden
Annemarie Träger war mit ihrer Familie schon in früher Kindheit nach Pirna gezogen. Seitdem war sie mit der Stadt fest verwurzelt. Sie war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Wohl auch deshalb war es ihr Lebensinhalt, möglichst viel mit anderen gemeinsam in Pirna zu bewirken. Dass die langjährige Hauptbuchhalterin in der einstigen Marmeladenfabrik in Pirna herzlich, umgänglich und zuverlässig war, verschaffte ihr unheimlich viele Sympathien – aber auch viele Posten, die sie gern ausfüllte. Für ihr Engagement erhielt sie 2001 das Bundesverdienstkreuz. Aber Annemarie Träger war Zeit ihres Lebens ein sehr bescheidener Mensch. Sie machte kein großes Aufheben um sich. Vielmehr sah sie den Verdienstorden als Auszeichnung für alle, mit denen sie zusammenarbeiten durfte. „Allein über 30 Jahre war sie im Kirchenvorstand Copitz und über 55 Jahre lang, bis 2006, sang sie in der Kantorei“, hat Uta Krusche-Räder festgestellt.
Trauergottesdienst
Ganz besonders hat sich Annemarie Träger der Stadtkirche St. Marien gewidmet. Für das Gotteshaus hat sie gelebt, es lag ihr sehr am Herzen. Sie war über viele Jahre treue Kirchenwächterin. Über Jahrzehnte führte sie kenntnisreich unzählige Gäste durch das Gotteshaus. Über jedes Detail wusste sie etwas zu erzählen. „Sie war immer ansprechbar und nie um eine freundliche und kompetente Antwort verlegen“, sagt Kirchner Thomas Albrecht. Sie engagierte sich in der Kantorei St. Marien und bereitete Kirchenkonzerte mit vor. Sie forschte zur Baugeschichte und zur Gewölbemalerei der spätgotischen dreischiffigen Hallenkirche, trug umfangreiches Material zusammen und erlangte neue Erkenntnisse. Als St. Marien zwischen 2002 und 2005 restauriert wurde, sei das die schönste Zeit für sie gewesen, hat Annemarie Träger einmal gesagt. Während der Sanierungsarbeiten entschlüsselte sie lateinische Inschriften und Bedeutungen der Malereien. Manch’ Entdeckung kam zum Vorschein, und das machte sie glücklich.
„Ihre“ Marienkirche hatte sie bis kurz vor ihrem 90. Geburtstag, als sie ins Seniorenzentrum zog, stets im Blick. Sie brauchte nur ans Fenster zu gehen, dann sah sie die Silhouette der Altstadt und das prächtige Gotteshaus. Gegenüber der Altstadt in Copitz war ihr Zuhause.