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Die Grabsteine kehren zurück

Die Geschichte der Gedenkplatten in der Sophienkirche, die gestern unter die Busmannkapelle gebracht wurden.

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© Sven Ellger

Von Lars Kühl

Moritz aus dem Adelsgeschlecht der Brandensteins und Elisabeth von Rumohr sind eingeschwebt und ruhen im Halbdunkel bereits an ihrer Stelle. Auf den Grabsteinen sind Wappen und Inschriften deutlich zu erkennen. Christian von Treben und Rudolph von Vitzthum werden von den Spezialisten der Steinrestaurationsfirma Andreas Muth aus Zwickau gut gesichert am Kran behutsam in die Tiefe gelassen. Bis morgen folgen die restlichen Grabsteine. Dann liegen zwölf Originale aus der Sophienkirche im Sockelbauwerk der Busmannkapelle, die gerade als Gedenkstätte in Postplatznähe gebaut wird.

Sophienkirche – dieser mythische Ort mit gotischen Wurzeln, nach den Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, aber nicht unrettbar. Trotzdem wurde sie 1963 abgerissen, gegen den Volkswillen und trotz internationaler Proteste. Heute ist von ihr nur noch der Grundriss als rote Stein-Linie im Pflaster der Innenstadt erhalten. Im nächsten Jahr soll sie für Besucher wieder erlebbar sein. So plant es die Gesellschaft Busmannkapelle. Die Kirche ist als Bauwerk unwiederbringlich verloren. Das weiß Vorstandsvorsitzer Peter Schumann. „Wir restaurieren deshalb absichtlich nicht.“ Die nachempfundene Kapelle soll ein Ort des Nachdenkens werden. „Die Vergänglichkeit der Geschichte von Dresden soll vorgestellt werden.“

Die zurückgekehrten Grabsteine aus Sandstein – deutlich größer als heute üblich – sind ein weiterer Schritt. Sie stammen aus der Zeit von 1600 bis 1685, sagt Schumann. Die Steine wurden nur gereinigt und konserviert. Deshalb sind manche gut erhalten, andere lediglich in Bruchstücken. Die Anordnung, sechs auf jeder Seite, hat rein optische Gründe. „Ein geschichtlicher Zusammenhang zwischen ihnen war nicht mehr zu finden“, sagt Schumann. Ursprünglich waren es viel mehr Grabsteine, die in der Fürstengruft unter der Sophienkirche lagerten. Einige sind heute in den Treppenaufgängen der Kreuzkirche aufgestellt. „Aber viele sind verloren gegangen.“

Die zwölf unter der Busmannkapelle werden in einem Raum liegen, den es im Originalbau nie gab. Der ist für Ausstellungen konzipiert. Auf den Sichtbeton könnten Bilder an die Wände projiziert werden. In der Mitte wird ein Glastisch auf zwei Steinquadern stehen, die bei den Grabungen für die Gedenkstätte entdeckt wurden.

Vor dem Ausstellungsraum wird es ein getrenntes WC geben, dazu zwei Büroräume und eine Garderobe. In den Keller gelangen die Besucher später über 19 Stufen einer Wendeltreppe, die demnächst montiert werden soll. Voraussetzung war, dass die Grabplatten vorher in den Keller geschafft werden. Vom Erdgeschoss aus führen dann weitere 31 Stufen die Wendeltreppe hinauf zur Aussichtsplattform, erklärt Schumann. Im eigentlichen Kapellraum ist auch ein dreizehnter Grabstein zu sehen – der von Polykarp Leyser. Jenem Hofprediger, der 1602 die Sophienkirche nach einem Umbau geweiht hatte.

Da gab es die Busmannkapelle schon über 200 Jahre. Der Anbau war 1400 als sechsteiliges Sterngewölbe hochgezogen worden. Lorenz Busmann war insgesamt viermal Bürgermeister von Dresden und zusammen mit seiner Frau Stifter der Seitenkapelle. Nach seinem Tod wurde er dort beerdigt. Sein Grab tauchte aber nie auf, erzählt Schumann, wahrscheinlich als Folge von Elbe-Hochwassern. Als Baurat Hans Erlwein 1910 den Auftrag erhielt, die einsturzgefährdete Sophienkirche im Innern instand zu setzen, soll er ein gut erhaltenes Mönchsgewand gefunden haben, das auf Busmann schließen lässt. Dieses ist allerdings verschollen.

Zu sehen sind dagegen nach Fertigstellung der Kapellen-Nachbildung die Büsten von Busmann und seiner Frau, die in den hohen Fensterbögen mit den Original-Steinen angebracht werden. Außerdem sollen die erhaltenen Bildwerke des zerstörten Nosseni-Epitaphs zurückkehren. Der Schweizer Giovanni Maria Nosseni hatte 1606 den Hauptaltar für die Sophienkirche entworfen, der heute rekonstruiert in der Loschwitzer Kirche steht. Das Grabmal zu seinen Ehren war bis zu den Luftangriffen 1945 in der Sophienkirche.

Bis Ende November soll die Gedenkstätte mit Glaswänden geschlossen werden. Mit ihrem Kupferdach und der nächtlichen Beleuchtung wird sie nächstes Jahr auffallen. „Wir legen Wert darauf, dass hier nicht eine Religion führend ist“, sagt Schumann. Ein Kruzifix soll es nicht geben. Stattdessen werden Textzeilen der UNO am Eingang angebracht: mit der Bitte um Frieden.