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Die Glocken schweben vom Turm

Das alte Geläut der Hennersdorfer Kirche wird repariert und ergänzt. Jetzt beginnt eine große Tour.

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© SZ/Franz Herz

Von Franz Herz

Hennersdorf. Der Hennersdorfer Pfarrer Johannes Lorenz muss sich erst daran gewöhnen. „Es ist ein seltsames Gefühl, wenn die Glocken nicht läuten“, sagt er. Seit mehr als zwei Wochen fehlen ihm die vertrauten Töne schon. Aber sie werden wieder erklingen, harmonischer als bisher. Derzeit sind die Glocken auf Tour, die sie nach Nördlingen und Innsbruck führen wird. Die hat vergangene Woche begonnen, als sie am Dienstag aus dem Turm gehoben wurden. Ingo Wunsch von der Firma Mentner Krane aus Meißen und die Mitarbeiter der Heidenauer Glockenläute- und Elektroanlagen GmbH sind verantwortlich, dass die Glocken heil auf den Weg kommen. Wunsch lässt seinen Kran vom Tieflader kriechen. Auf den ersten Blick ist das eine kompakte Maschine, die sich auf Raupenketten bewegt. Doch gleich entfaltet sie sich wie ein Insekt, fährt vier Beine aus, auf denen sie sicher steht, und streckt den Ausleger in Richtung Kirchturm hoch.

Sicher auf dem Boden: Kranführer Ingo Wunsch und Glockenmonteur Ronny Möllenbruck verzurren die Glocken auf den Transportpaletten für eine sichere Fahrt.
Sicher auf dem Boden: Kranführer Ingo Wunsch und Glockenmonteur Ronny Möllenbruck verzurren die Glocken auf den Transportpaletten für eine sichere Fahrt. © Frank Baldauf
Jahrhundertealte Verzierungen: Die meisten kennen Glocken nur als Klangkunstwerke, aber sie sind auch liebevoll gestaltet, wie dieses Detail der großen Glocke aus der Hennersdorfer Kirche zeigt.
Jahrhundertealte Verzierungen: Die meisten kennen Glocken nur als Klangkunstwerke, aber sie sind auch liebevoll gestaltet, wie dieses Detail der großen Glocke aus der Hennersdorfer Kirche zeigt. © SZ/Franz Herz
Auf zur großen Reise: Der Kran hebt hier die Glocke über die Kirchhofsmauer auf den Lkw für die Fahrt zur Glockenschweißerei und -gießerei in Nördlingen und Innsbruck.
Auf zur großen Reise: Der Kran hebt hier die Glocke über die Kirchhofsmauer auf den Lkw für die Fahrt zur Glockenschweißerei und -gießerei in Nördlingen und Innsbruck. © Frank Baldauf

Dort haben die Glockenfachleute alles vorbereitet. Das Glockenjoch aus Stahl, das ist die Konstruktion, an der die Glocke hängt und schwingt, wird in einzelnen Partien aus dem Turm geholt. Es wurde Anfang der 1950er-Jahre eingebaut und hat inzwischen Haarrisse bekommen. „Jetzt bauen wir wieder ein Joch aus Holz dort ein, ist doch ein bewährtes Material“, sagt Lorenz.

Dann hängt die erste Glocke am Kran. Es ist die Kleinere, die Taufglocke. Ihre 220 Kilogramm sind keine Mühe für den Kran. Behutsam steuert Wunsch sie auf den Boden, wo die Kollegen sie auf eine Transportpalette dirigieren. Die Glocke stammt aus dem Jahr 1927. Dann kommt der spannende Moment. Die deutlich größere und ältere Festtagsglocke mit 750 Kilogramm wird angehängt und schwebt vorsichtig auf die zweite Palette.

Jetzt können die Zaungäste sie genau ansehen. Doris Wünsch ist mit der großen und der mittleren Gruppe aus dem benachbarten Kindergarten gekommen, um zuzusehen. „Der Pfarrer hat uns Bescheid gesagt, und für die Kinder ist das natürlich ein Erlebnis“, sagt die Erzieherin. Andreas Mäder ist zufällig gerade auf dem Friedhof, weil er das Grab seiner Mutter neu bepflanzt hat. Er beobachtet die Aktion. Wenn jetzt keine Glocken mehr zu hören sind, ist das schade. Aber die Zeit geht vorüber, erwartet er.

Nun steht die Festtagsglocke ebenfalls auf einer Holzpalette. Sie stammt aus dem Jahre 1529, wie in römischen Ziffern darauf steht. Auf Lateinisch ist geschrieben: Allein Gott sei Lob und Ehr in Ewigkeit. Nun sind aber auch die Schäden zu sehen, die im Laufe der Jahrhunderte entstanden sind: kleine Abplatzungen und zwei Löcher, die einmal für die Aufhängung oben reingebohrt wurden. „Die werden nun in der Glockenschweißerei in Nördlingen repariert“, erzählt der Pfarrer. Danach gehen beide Glocken nach Innsbruck, wo am 25. Mai eine mittlere dazu gegossen wird, die sich dann im Klang genau an die beiden Vorhandenen anpasst. Das wird die Friedensglocke. Zum ersten Advent soll in Hennersdorf wieder ein volles Geläut erschallen. Das Projekt kostet rund 60 000 Euro. Dafür muss die Kirchgemeinde auch einen erheblichen Eigenanteil aufbringen, für den sie noch Spenden sammelt.

Spendenkonto: DE11 3506 0190 1617 2090 27, KD-Bank Dortmund, Empfänger Kirchspiel Dippoldiswalde, Zweck: Glocken Hennersdorf.