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Die Gefahr wächst auf der Felskante

Steinschläge und Baumstürze können im Elbsandstein stets passieren. Ein Anwohner in Schmilka wünscht sich aber mehr Vorsorge.

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© Dirk Zschiedrich

Von Gunnar Klehm

Schmilka. Steffen Böhme fühlt sich mit seiner Sorge allein gelassen. Seit Jahren verfolgt er oberhalb seines Grundstücks an der Bundesstraße in Schmilka, wie die Bäume an der Felskante immer größer werden und sich neigen. „Hundertprozentigen Schutz erwarte ich ja gar nicht. Aber ein bisschen Vorsorge muss sein“, sagt der 64-Jährige.

Die Vorsorge erwartet er vom Sachsenforst, dem der Wald oben auf dem Felsen gehört. Erst unterhalb der steilen Wand beginnt sein Grundstück. Seit 2014 ist er in Kontakt mit dem zuständigen Revierförster. In jenem Jahr gab es großes Aufsehen, als sich im Kirnitzschtal plötzlich ein etwa 50 Tonnen schwerer Felsblock aus der Wand löste und bis auf die Straße kullerte. Seitdem wird viel spekuliert, ob auch Wurzeln von Bäumen, die sich in Felsspalten pressen, das Unglück ausgelöst haben. Es könnten auch größere Bäume gewesen sein, die vom Wind oder der Eigenlast gebogen worden sind. Das ist der Lauf der Zeit im Elbsandstein. Jahr für Jahr werden immense Kosten vom Staatsbetrieb Sachsenforst und anderen Waldbesitzern aufgewendet, um trotzdem für Verkehrssicherheit zu sorgen. In der Waldpflege werden besonders schiefe Bäume abgeholzt, bevor sie unkontrolliert umkippen.

Böhme kennt sich aus an dem Hang. Er hat das Haus in Schmilka 1994 gekauft. Gewohnt hat er vorher schon mal dort. „Das war mal Wohnheim vom Zoll, da habe ich als Lehrling in einer WG drin gelebt“, erzählt er. Von Einheimischen hat er erfahren, dass auf dem gesamten Abschnitt oberhalb der Wohnhäuser an der Bundesstraße in den 1960er-Jahren alle Bäume zurückgeschnitten wurden. Vor einigen Jahren war auch mal jemand vom Sachsenforst bei ihm auf dem Grundstück und hat Böhme zugestimmt, dass auf der Felskante überm Haus „was gemacht werden müsste“. Passiert sei aber nichts, sagt Böhme.

Dem widerspricht die Nationalparkverwaltung, die für diesen Wald des Sachsenforstes zuständig ist. Zum Nationalpark selbst gehören die Bäume aber nicht. Der beginnt erst hinterm Waldweg zum Holzlagerplatz noch weiter oberhalb des Hanges.

Gesetzgeber fordert Dokumentation

Die Felskante zu den Grundstücken habe die Nationalparkverwaltung sehr wohl im Blick. Jährlich würden zwei Begänge stattfinden, erklärt der Sprecher der Nationalparkverwaltung, Hanspeter Mayr. Das erfolge einmal im belaubten Zustand der Bäume und einmal im unbelaubten. „In den Begehungen schätzt der zuständige Revierleiter die Gefährdungslage durch Bäume ein und dokumentiert sie“, so Mayr. Nach Sturmereignissen würde es noch zusätzliche Begehungen geben. Im Ergebnis seien in den vergangenen Jahren im betroffenen Abschnitt zahlreiche Starkbäume, vor allem Buchen, gefällt worden. „Dies ist im Gelände auch noch erkennbar, das meiste Holz der Bäume liegt noch im Hang, um Bodenverletzungen durch das Bergen des Holzes zu vermeiden“, heißt es.

Die letzten Begehungen hätten am 23. Januar und 7. Februar dieses Jahres stattgefunden. Dabei seien auch die von Böhme als gefährlich betrachteten Kiefern untersucht worden. „Wir schätzen jedoch ein, dass von den Kiefern keine akute Gefährdung ausgeht“, so Mayr. Dies sei den Anwohnern schriftlich mitgeteilt worden.

Das Prozedere der Verwaltung ist in der „Betriebsanweisung Verkehrssicherung im Landeswald“ des Sachsenforsts festgeschrieben. Darin werde die Verkehrssicherungspflicht an öffentlichen Straßen und an waldrandnahen Gebäuden mit dem gleichen Maßstab betrachtet. Etwas weniger streng wird das nur bei Wanderwegen gehandhabt. Hier bestehe lediglich eine Kontrollpflicht auf „Megagefahren“. Aus der Natur von Bäumen herrührende Schäden gelten hier als „höhere Gewalt“, deren Folgen als „allgemeines Lebensrisiko“. Wenn die Bäume regelmäßig auf Stand- und Bruchsicherheit kontrolliert wurden, nicht schadhaft waren und diese Kontrolle dokumentiert wurde, dann zählt ein umfallender Baum als „Naturereignis“ beziehungsweise als höhere Gewalt. Ein Schaden wäre vom Betroffenen zu tragen. Nur wenn die Kontrolle nicht regelmäßig erfolgte, müsste der Waldbesitzer dafür aufkommen.

Steffen Böhme ist mit seiner Sorge kein Einzelfall. Auch in Postelwitz ist das seit Jahren Thema. Ortsvorsteher Sepp Friebel hat mehrfach in der Stadtratssitzung nachgefragt, ob Sicherungsmaßnahmen an den Felsen nötig und möglich sind. Das sei flächendeckend schlichtweg nicht finanzierbar, hieß es von der Stadt.

Für sein Auto hat Steffen Böhme schon mal selbst vorgesorgt und ein massives Garagendach gebaut. Zuvor hatte ein herabstürzender Felsbrocken den alten Carport durchschlagen. Wie der Stein ins Rollen kam, ist ungeklärt.