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„Die Frauen wollen nicht als Prostituierte gelten“

Ein neues Gesetz soll Sexarbeiter schützen. Doch in Dresden müssen Studios schließen und Frauen sind arbeitslos.

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© Sven Ellger

Von Julia Vollmer

Rund 400 bis 600 Frauen und 100 Männer arbeiten in Dresden als Prostituierte – hauptsächlich in Wohnungen. Davon gibt es rund 150, außerdem zwei Bordelle, die der Stadt bekannt sind. Daneben bieten Dutzende Masseure erotische Dienstleistungen in Studios an. Für alle jene gilt seit dem Sommer in Sachsen das neue Prostitutionsschutzgesetz. Es soll die Sexarbeiter vor Ausbeutung schützen. Sie müssen sich bei den Behörden registrieren, eine Gesundheitsberatung ist Pflicht.

Was bedeutet das Gesetz für die Betroffenen?

Das neue Gesetz bedroht die Existenz der Massagestudios, die erotische Dienste anbieten. „Wir mussten unsere Studios in der Neustadt und in Pieschen schließen“, so Kathrin Laux von Sinnesart. Laut neuer Regelung müssen sich die Masseure anmelden. „Die Frauen wollen aber nicht als Prostituierte gelten“, so Laux. Einige sind nun arbeitslos. Nun besteht nur noch das Studio in Cotta. „Früher arbeiteten bei uns 40 Mitarbeiter, heute sind es noch 20“, sagt die Inhaberin. Das Etablissement auf der Buchenstraße bietet keine Dienstleistungen mehr an, sondern ist nun ein Weiterbildungszentrum. Für Kathrin Laux ist das Gesetz ein finanzieller Einbruch, sie musste einen Kredit aufnehmen, um ihr Geschäft betreiben zu können.

Dass Prostituierte und Masseurinnen sich anmelden müssen, stößt auf Kritik bei Sozialarbeitern. Auch bei Ulrike Richter von Kobranet. Ihr Verein kümmert sich um die Sexarbeiter. Viele der Frauen, die in Dresden arbeiten, stammen neben Deutschland aus Thailand, Rumänien oder Bulgarien. „Sie haben Angst, dass ihre Familien von ihrem Job erfahren, wenn sie sich registrieren lassen“, sagte sie. Richter glaubt, viele werden dann illegal weitermachen. Laut Gesetz dürfen die Damen nicht mehr im gleichen Bett arbeiten und schlafen. Doch zwei Mieten – für Wohnung und Arbeitszimmer – könnten sich die meisten nicht leisten. Ein Grund mehr, die Anmeldung zu umgehen, fürchtet sie.

Wie werden die neuen Regeln kontrolliert?

Zuständig ist das Ordnungsamt. Die Betreiber werden vom Amt über die geltenden Bestimmungen informiert und aufgefordert, das Gewerbe und die Mitarbeiter anzumelden. Die Ordnungshüter kontrollieren vor Ort und führen Gespräche mit den Betreibern und den Sexarbeitern, so Anke Hoffmann aus dem Presseamt der Stadt.

Wie oft muss die Polizei in den Häusern eingreifen?

Eher selten, sagt Polizeisprecher Marko Laske. „Wenn, dann wegen des Verdachts des Leistungsbetrugs mit Blick auf Einkünfte neben Sozialleistungen.“ Fälle, bei denen sich Nachbarn über Wohnungsprostitution oder Massagestudios beschweren, seien sehr selten. Wenn Hinweise eingehen, sind sie meist anonym. Auch Zwangsprostitution sei aus Sicht der Polizei kein Schwerpunktthema in Dresden. Dazu gibt es regelmäßig Kontrollen von Polizei, Ordnungsamt und Finanzamt.

Wo dürfen sich Bordelle und Massagestudios ansiedeln?

Studios, die statt Gesundheits- eher erotische Massagen anbiete, gelten als sogenannte Vergnügungsstätten wie Diskos und Spielotheken. Sie sind in reinen Wohngebieten verboten, so Stadtsprecher Karl Schuricht. In Mischgebieten, wo es sowohl Wohnungen als auch Gewerbe gibt, sind sie nur eingeschränkt erlaubt. Da sie laut Stadt im Umfeld von Wohnungen regelmäßig als störend empfunden werden. Außerdem gilt die sogenannte Sperrbezirksverordnung, die regelt, wo solche Etablissements eröffnen dürfen. Im Stadtzentrum sind sie komplett verboten. Sonst gilt die Abstandsgrenze von 200 Metern zu Kirchen, Krankenhäusern, Kindergärten, Schulen und Seniorenheimen. Dieses Problem tauchte auch für Kathrin Laux und ihre Kollegen auf. Denn die Studios fallen erst unter die Verordnung, seit sich die Mitarbeiter als Prostituierte anmelden müssen. Sie setzen jetzt Hoffnung in die, von der Landesdirektion angekündigte, Überarbeitung dieser Regel. Sprecher Ingolf Ulrich will sich dazu mit Verweis auf den laufenden Prozess nicht äußern.