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Die Frau der vielen Sprachen

Sawsan Hussein bringt anderen Flüchtlingen Deutsch bei. Jetzt gibt sie ihren ersten Arabischkurs für Deutsche.

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© Sebastian Schultz

Von Britta Veltzke

Riesa. Vier Varianten für ein und denselben Buchstaben? Im Arabischen gibt es das offenbar. Sawsan Hussein zeigt es in ihrem Lehrbuch: Viermal der Buchstabe „I“ – für Menschen, die das hier gängige lateinische Alphabet gewöhnt sind, erscheinen die Unterschiede zwischen den arabischen „I“s verschwindend gering. „Die Schreibweise ändert sich, je nachdem an welcher Stelle des Wortes der Buchstabe steht“, erklärt sie. Sawsan Hussein – das „w“ in ihrem Vornamen spricht sich wie ein „u“ – lebt seit drei Jahren mit ihrer Familie in Riesa.

Im Jahr 2014 floh die heute 37-Jährige mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern aus der nordostsyrischen Stadt Qamischli. Dort hatte Hussein als Englischlehrerin gearbeitet. Ihre Familie gehört der größten ethnischen Minderheit Syriens an: den Kurden. Als Folge des syrischen Bürgerkriegs liegt ihre Heimatstadt seit 2016 in einem autonomen Gebiet.

Zu diesem Zeitpunkt war Sawsan Hussein bereits auf der Flucht: mit einer kranken Mutter, zum Teil zu Fuß, über die Türkei und den Balkan in Richtung Deutschland. 2015 kamen sie zunächst in Chemnitz an und landeten dann in Riesa. „Damals ging das noch. Da waren die Grenzen noch offen.“ Überall, wo die Familie länger blieb, versuchte sich Sawsan Hussein die Sprachen anzueignen. „In der Türkei blieben wir acht Monate, aber es war schwierig dort zu überleben, besonders weil meine Mutter auf Medikamente angewiesen ist.“ Außerdem kam dort ihre Nichte auf die Welt. Auch in Bulgarien habe sie die Sprache gelernt. „Wenn man Englisch und Kurdisch kann, ist das nicht so schwer“, sagt sie. „Aber ich habe dort keinen Job gefunden.“ Also ging es weiter, immer weiter. Sprachen sind die Spezialität von Sawsan Hussein. Inzwischen beherrscht sie neben ihrer Muttersprache Kurdisch und der syrischen Amtssprache Arabisch außerdem Englisch und ein wenig Persisch, das viele Afghanen, Iraner und Pakistaner sprechen. Auch Deutsch ist für sie inzwischen kein Problem mehr. Die Grundlagen hat sie sich selbst beigebracht, den Aufbaukurs hat sie in Riesa absolviert. Für alle weiteren Schwierigkeitsstufen musste sie immer nach Dresden fahren. Jetzt wartet Hussein gerade auf ihr C1-Zertifikat, die vorletzte Stufe. Danach folgt nur noch das Muttersprachniveau.

Hussein hofft, dass sie schnell ihr Zertifikat bekommt. „Dann kann ich auch offizielle Integrationskurse geben.“ Denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lasse dafür nur Kandidaten zu, die mindestens das Niveau C1 vorweisen können.

Husseins Traum ist es, mit Sprachen ihr Geld zu verdienen. Einmal hätte sie bereits die Chance gehabt. „Ich hätte als Sprachmittlerin in Dresden arbeiten können, aber dann kam die Genehmigung von der Ausländerbehörde, die ich für jeden Job brauche, zu spät. Das war sehr ärgerlich.“

Sawsan Hussein arbeitet bereits jetzt als Sprachlehrerin und Übersetzerin, hilft anderen Flüchtlingen bei Behördengängen oder Arztbesuchen, gibt Kurse im „Aufladen“ in Weida und im Offenen Jugendhaus – alles ehrenamtlich. Die größte Herausforderung für Deutsche, die Arabisch lernen, sei ebenfalls das Alphabet, sagt Sawsan Hussein. Nur dass es für Deutsche noch ein bisschen schwieriger sei. Denn alle 28 Buchstaben im arabischen Alphabet haben verschiedene Schreibweisen – nicht nur das „I“.

Wer an dem Arabischkurs von Sawsan Hussein Interesse hat, kann sich in der Riesaer Volkshochschule, Klötzerstraße 27, anmelden: 03525 740446.