Merken

Die Farben der Elbe

Wie das Wasser aussah, konnte man früher an Gedichten ablesen, heute am Müll.

Teilen
Folgen
NEU!
© privat

Von Udo Lemke

Meißen. Sogar die Stern Combo Meissen hat sie vertont –  „Die Gelbe“, die Zeilen eines unbekannten Heimatdichters: „Warum ist denn die Elbe/bei Dresden so gelbe?/Se schämt sich ze Schande,/Sie muß aus’m Lande,/aus’m Lande so scheene,/so niedlich und kleene;/denn gleich hinter Meißen, pfui Spinne, kommt Preißen!“ Und auch der dänische Märchendichter Hans Christian Andersen spricht in einer Ballade davon, dass „die Treue leicht gelb wie die Elbe wird.“

Offenkundig sind in früheren Zeiten mehr oder andere Sedimente in den Fluss geschwemmt worden, denn gelb ist die Elbe ja schon lange nicht mehr. „Bei Hochwasser kam viel aus dem Böhmischen und Mährischen“, sagt Elke Kühne vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Dresden. Die Elbe und ihre Zuflüsse waren früher nicht oder viel weniger durch Dämme, Rückhaltebecken, Staumauern und andere Wasserbauwerke reguliert, die Landschaft noch viel stärker durch die Landwirtschaft geprägt. Davon abgesehen, wird die Elbe nie so klares Wasser wie ein Gebirgsfluss haben, dafür führt sie generell zu viele Partikel, die nicht nur viel Licht schlucken, sondern das Wasser auch bräunlich aussehen lassen. „Das hat nichts mit Verschmutzung zu tun, das ist natürlich“, so Elke Kühne.

„Die Farben der Elbe“ wörtlich genommen hat eine Gruppe von Studenten vom Institut für Industriedesign der Hochschule Magdeburg-Stendal. „Wir wollen zeigen, wie die Recyclingkunststoffe verarbeitet werden können und so wieder einen Platz in unserem Alltag bekommen“, erklärte ihr Professor Franz Hinrichsmeyer. Mitgemacht haben die Industriedesign-Studenten Doreen Hitzke, Laura Spilker und Niels Brecht. Im Hochschullabor untersuchten sie ein Gemisch aus Recycling-Kunststoff, der im Mehrwegsystem nicht mehr verwendet werden konnte und von Kunststoff, der aus der Elbe gefischt oder an den Ufern aufgesammelt worden war. Dazu organisierten sie regelrechte Elbesammelaktionen. Die Fundstücke wurden erhitzt oder verpresst und etwa zu farbigen Kunststoffplatten verarbeitet. Entstanden sind bislang auch Lampen, Barhocker und sogar ein Fahrrad.

Inzwischen haben Laura Spilker, Niels Brecht und Doreen Hitzke sogar ihr eigenes Modelabel „ways“ gegründet, schrieb das Magdeburger Stadtmagazin „Dates“ und dass der Colordrop das erste marktfertige Produkt gewesen sei: Das sind Ohrstecker, die aus Silber und eben jenem wiederverwendeten Kunststoff von der Elbe bestehen. „Wir wollen unseren Kunden Gutes tun und der Natur – frei nach unserem Motto: Die Meere, Flüsse, Wälder und Wiesen sind bunt genug – was ist mit dir?“, sagte Laura Spilker. So sind die heutigen Farben der Elbe in Gestalt des in und an ihr gefundenen Mülls in den Schmuckstücken aufgehoben.

Wenn von den Farben der Elbe die Rede ist, dann geht es natürlich nicht nur um ihr Wasser selbst, sondern auch um dessen Oberfläche. Alles Mögliche spiegelt sich darin. Ist es die Abendsonne, dann kann die Elbe schon mal aussehen, als würde sie brennen. Ganze Himmel samt Wolken passen in den Fluss. Bäume, Häuser und Hafenkräne verdoppeln ihre Formen und Farben in ihm, und wenn es das alte Dresden bei Nacht mit seinen Lichtern ist, dann wird die Elbe zum Zauberspiegel.