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Die EU blamiert sich digital

Mit WiFi4EU wollte die Kommission das freie Internet für alle schaffen – ein peinlicher Fehler stoppt das Vorhaben.

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© dpa

Von Detlef Drewes, SZ-Korrespondent in Brüssel

Der Plan klang überzeugend: 15 000 Gutscheine für jeweils 15 000 Euro wollte die Europäische Kommission an Kommunen und öffentliche Einrichtungen verschenken, damit diese für mindestens drei Jahre einen Einwahl-Hotspot für mobile Internet-Nutzer errichten. Auch für die User selbst hatte man sich eine bequeme Lösung ausgedacht: Nach einer einmaligen Registrierung hätten sich die Bürger überall in Europa in das Datennetz einwählen können. Die Bons sollten ab dem 15. Mai 2018, 13 Uhr Brüsseler Zeit, vergeben werden – nach dem sogenannten Windhund-Verfahren. Wer sich zuerst auf der Webseite https://wifi4eu.eu angemeldet hätte, sollte einen Zuschlag bekommen, versprach die Brüsseler Behörde. Der Andrang war überwältigend. Innerhalb der ersten fünf Sekunden beantragten 3  500 Institutionen einen Gutschein, innerhalb der ersten drei Stunden waren es sogar 11 000 Interessenten. Eine Stunde später war die Webseite gesperrt – und ist seither auch nicht mehr erreichbar. Was war passiert?

Ein kleiner, aber überaus peinlicher Fehler hatte sich in die Software eingeschlichen. Das System versah die Anträge nämlich nicht mit dem Zeitstempel des zentralen Eingangsrechners, sondern übernahm die Uhrzeit des Computers, von dem aus sich die Bewerber eingewählt hatten. Eine durchaus folgenschwere Fehlfunktion, denn angesichts der unterschiedlichen Zeitzonen innerhalb der Gemeinschaft wurden dadurch möglicherweise einige Bewerber bevorzugt, andere benachteiligt. Damit war die Rechtmäßigkeit des gesamten Verfahrens infrage gestellt.

In einem Schreiben der Generaldirektion Kommunikationsnetzwerke, Inhalt und Technologie an den Juristischen Dienst der EU-Verwaltung wird die rechtliche Haltbarkeit der Aktion angezweifelt. Nun müsse geklärt werden, ob zweifelhafte Anmeldungen einfach gelöscht werden – oder ob man trotz der Fehler „das Verfahren einfach fortsetzen und die versprochenen Gutscheine ausgeben“ dürfe.

Hinzu kommt ein weiteres Problem. Die Webseite habe sich, so heißt es in dem Brief weiter, als „verwundbar“ erwiesen. Es solle geprüft werden, ob auf „irgendwelche Daten zugegriffen und diese kopiert“ oder anderweitig benutzt wurden. Die Antwort der Experten steht aus, interessierte Kommunen und öffentliche Stellen bekommen aber auch keine Rückmeldung, sodass die Verärgerung bei einigen Bürgermeistern wächst. Das Echo ist verheerend. „Die Kommission versucht, Technologien des 21. Jahrhunderts voranzutreiben und wendet dabei Methoden des 19. Jahrhunderts an“, erklärte der Europa-Abgeordnete Markus Ferber (CSU), der den Vorfall jetzt gegenüber unserer Zeitung öffentlich machte. „Die technische Ausgestaltung des Bewerbungsverfahrens ist nur als dilettantisch zu bezeichnen.“ Für die EU-Kommission sei dies eine „kräftige“ Blamage.