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Die erste moderne Synagoge

Der von Gottfried Semper erfundene Baustil wurde zum Vorbild. Vor 180 Jahren wurde der Grundstein gelegt.

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© Lithographie von L. Thümling

Von Ralf Hübner

Ein vergoldeter Davidstern über der Eingangstür: Mehr ist von der alten Dresdner Synagoge Gottfried Sempers nicht geblieben. Er stammt von einem der beiden Nebentürme des bei den Pogromen 1938 zerstörten Baus. Der Feuerwehrmann Alfred Neugebauer hatte ihn in Sicherheit gebracht. Glasscherben auf dem Gelände des jetzigen Gemeindezentrums markieren den Grundriss des verschwundenen Gebäudes, für das am 21. Juni 1838 der Grundstein gelegt wurde. Seit vergangener Woche erinnert eine Tafel an das Ereignis.

Zur Grundsteinlegung vor 180 Jahren und zur Weihe zwei Jahre später erschien, was in Dresden Rang und Namen hatte. Was Gottfried Semper (1803–1879) bewogen hat sich des Synagogenbaus anzunehmen, ist nicht bekannt. Denn eigentlich hatte der Baumeister und Professor an der Kunstakademie unter anderem mit den Arbeiten für das erste Hoftheater gut zu tun. Auch das vergleichsweise bescheidene Honorar von 400 Talern dürfte kaum den Ausschlag gegeben haben. Fest steht, dass die jüdische Gemeinde wegen der Synagoge im April 1838 an den Stararchitekten herangetreten war, und schon gut zwei Monate später konnten die Bauarbeiter loslegen.

Möglich geworden war der Synagogenbau erst durch ein Dekret von 1837, dass den Juden in Dresden und Leipzig offiziell erlaubte, Religionsgemeinden zu gründen sowie Bet- und Schulhäuser zu errichten. Zuvor waren ihnen Andachten lediglich im privaten Rahmen erlaubt.

Juden gibt es in Dresden schon seit dem Mittelalter. Mit einer Verordnung hatte sie Markgraf Heinrich der Erlauchte 1265 unter seinen Schutz gestellt und ihnen die gleichen Rechte wie Christen eingeräumt.
Es gibt eine erste Synagoge am Jüdenhof, die später zu einem Brauhaus umgebaut und schließlich für den kurfürstlichen Stall abgebrochen wird. Immer wieder kommt es zu Pogromen und Vertreibungen wie etwa 1349. Friedrich der Streitbare lässt 1411 deren Grundstücke und Vermögen konfiszieren. Sie werden verfolgt und ausgewiesen. Erst August der Starke lässt sie wieder ins Land, wohl weil er sich finanziell Vorteile erhofft. Er holt sich 1696 Issachar Berend Lehmann als Hofjuden an die Residenz, der ihm zehn  Millionen Taler zum Erwerb der polnischen Königskrone verschafft. Bei Ende des Siebenjährigen Krieges 1763 leben rund 800 Juden in Dresden. Doch sie bleiben Restriktionen unterworfen. Verglichen mit anderen deutschen Ländern verläuft die bürgerliche Gleichstellung vergleichsweise schleppend. Die bringt ihnen erst die Verfassung von 1831.

Die Semper-Synagoge steht so auch für Integration und Emanzipation der Juden. Nach einigem Suchen erwirbt die Gemeinde ein Grundstück am östlichen Promenadenring. Die Finanzierung des trotz Einsparungen 30 204 Taler teuren Baus bleibt schwierig, unter den damals gut 600 Dresdner Juden gibt es nur wenige finanzkräftige Geldgeber. Der Bau gilt als erste moderne Synagoge schlechthin und ist Vorbild für weitere Synagogenbauten. Semper wollte mit dem Entwurf unter anderem auf den Jerusalemer Tempel und die orientalische Herkunft der Juden verweisen. Die Quadratform des Betsaales und die Kuppel erinnern an orientalisch-byzantinische Kuppelbauten. Das Gebäude war nach Osten gerichtet, der Westfassade waren zwei turmähnliche Vorbauten mit flachgewölbten, von Davidsternen gekrönten Kuppeln vorgestellt. Im Inneren griff Semper zu maurisch-byzantinischen Bau- und Schmuckformen, die symbolisch für Integration des Orientalischen im westeuropäischen Raum stehen sollten. Das war in der Synagogenarchitektur damals neu.

Während des Novemberpogroms wird die Synagoge in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 von der SA und anderen Nazis geplündert, niedergebrannt und die Ruine am 12. November gesprengt. Die Kosten der Trümmerbeseitigung werden der jüdischen Gemeinde auferlegt.