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Die Dino-Liebe endet nie

Jede Generation entdeckt sie wieder für sich: Kinderzimmer sind fest in Dinosaurier-Hand. Moderne Technik lässt sie so originalgetreu wie nie auferstehen, so auch in der Dresdner Diono-World.

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© Sven Ellger

Jana Mundus

Mama – Papa – Schmetterling – Triceratops – Velociraptor – Brachiosaurus. Was hat der Vierjährige da gerade gesagt? Es sind Momente, in denen Eltern stolz sind, in denen sich in ihren Köpfen eine Ahnung von der Zukunft ihrer Kinder aufbaut. Von der möglichen beruflichen Laufbahn, die ihnen bevorstehen könnte. Der Nachwuchs hat Triceratops gesagt. Ohne zu stottern. Gerade vergangene Woche musste man den jungen Sprachneulingen noch erklären, dass sich da auf der Wiese im Garten eine Schnecke zentimeterweise vorwärts schiebt und keine Snegge. Und jetzt das. Von nun an ist der Haushalt im Dinofieber. Bücher werden gekauft, der Wissensdurst soll schließlich gestillt werden. Bettwäsche, T-Shirts und Brotdosen zieren von da an Abbilder prähistorischer Riesenechsen. Plüschsaurier „Rexi“ kuschelt zum Einschlafen mit den Kleinen. Schön.

Kinder lieben Dinosaurier. Und das ist erstaunlich. Die sind schließlich ganz und gar unniedlich, unnett und unsagbar gefährlich. Außerdem klebt an ihnen kein Fitzelchen Glitter oder Glitzer. Trotzdem faszinieren sie seit Jahrzehnten Generationen von jungen Menschen, Mädchen und Jungen gleichermaßen. Der Markt hat sich darauf eingestellt. Während Paläontologen monatelang nach Dinosauriern und deren Resten graben, ist die Suche im Spielzeugladen deutlich schneller von Erfolg gekrönt. Hier muss keiner graben, hier stehen die Urzeitriesen Schwanzspitze an Schwanzspitze im Regal.

Wer beim Online-Riesen Amazon nach Dinosauriern fahndet, bekommt über 100 000 Artikel angeboten. Die Kinderzimmer sind fest in Dinohand. Auch wenn es dort manchmal aussieht, als wäre ein Meteorit eingeschlagen – die Dinos der Neuzeit überleben in der kindlichen Welt ohne Probleme. Bis das grausame Zeitalter der Pubertät beginnt und die Giganten unerbittlich auslöscht.

Bis dahin allerdings begeistern die unattraktiven Wesen die kleinen Bewunderer. Der Psychologe Peter Walschburger von der Freien Universität Berlin hat sich mit diesem Phänomen beschäftigt. Seine Begründung dafür: die Angst-Lust. „Kinder fürchten sich eigentlich vor diesen riesigen Tieren, gleichzeitig genießen sie aber das Gefühl des Erschreckens und sind neugierig, wenn der Kontakt in einem Kontext erfolgt, in dem sie sich sicher fühlen können.“ Spielerisch begegnen sie dieser Aufregung und wissen dabei immer, dass Mama oder Papa in gruseligen Momenten nicht allzu weit entfernt sind. Die Eltern werden zum tröstenden Monster-Schreck.

Schon allein die Tatsache, dass es Dinosaurier vor über 200 Millionen Jahren gegeben hat und sie später ausgestorben sind, klingt fantastisch. Fast wie eine Legende. „Das macht das Thema für Kinder noch interessanter“, erklärt der Psychologe. Ihn überrascht es deshalb keineswegs, dass sich schon die Jüngsten nahezu unaussprechliche lateinische Namen der Saurier merken können. Das Gedächtnis funktioniere nämlich dann am besten, wenn es emotional erregt wird. Und Saurier seien nun einmal Aufregung pur für kleine Köpfe. „In dieser Situation kommt es zu ansonsten unüblichen Aufmerksamkeitsprozessen und Lernfortschritten und Kinder können sich so die kompliziertesten Dinge über Dinosaurier merken“, sagt Walschburger. Wer seinem Sprössling bei der morgendlichen Portion Müsli das Wort „Einkommenssteuererklärung“ beibringen will, wird deshalb enttäuscht. Zu langweilig.

Urzeitviecher kommen in Bewegung

Dinosaurier sind ausgestorben, lernt der Nachwuchs also und ist fasziniert. Wie schade, denken sich die Kinder. Bloß gut, sagen sich die Erwachsenen. Die Fahrt zur Kita wäre sonst von Sätzen begleitet wie: „Schau mal Mama, der Stegosaurus da drüben hat gerade den Fahrradfahrer gefressen.“ Zwölfjährige Mädchen würden im Kaufhaus Weinkrämpfe kriegen und rufen: „Die Hanna aus meiner Klasse hat zum Geburtstag einen Microchpachycephalosaurus bekommen, nur ich darf mal wieder kein Haustier haben.“ Wer mit seinen Kindern auf Dinosaurier treffen will, geht heute lieber ganz bequem ins Naturkundemuseum, kauft sich eine DVD oder fährt in den Saurierpark Kleinwelka bei Bautzen. In Dresden kommen die Urzeitviecher jetzt aber trotzdem in Bewegung.

John Zaller beherrscht den Trick der Wiederbelebung. Keine wirklich echte – aber echt wirken soll alles. Seine Saurier atmen, bewegen den Kopf, öffnen das Maul. Der US-Amerikaner ist Creative Director, also der oberste kreative Kopf, der Produktionsfirma Imagine Exhibitions. Seit vielen Jahren schon konzipiert und gestaltet das Unternehmen Ausstellungen überall auf der Welt. Einer der Schwerpunkte der Arbeit: Dinosaurier. Sie schlüpfen nicht aus Eiern, sondern werden in der Werkstatt geboren. Ein Stahlgerüst gibt ihnen Halt, das mit Kunststoff verkleidet und mit Technik für die Bewegungen versehen wird. Je nach Größe dauert solch ein Entstehungsprozess bis zu zwei Monaten. Gleich 60 Saurier wurden für die Ausstellung „Dinoworld“ gebaut, die jetzt bis zum 3. Februar ins Kulturquartier der Zeitenströmung einzieht. In München war sie in den vergangenen Monaten bereits zu sehen. Insgesamt 181 000 Besucher kamen, darunter allein gut 86 000 Kinder.

Der absolute Star der jungen Besucher: der Tyrannosaurus Rex. Mit seinen bis zu 30 Zentimeter langen Zähnen nicht der nette Saurier von nebenan, sondern Jäger und Fleischfresser. Doch genau das macht den Nervenkitzel für die jungen Gäste aus. „Die Kinder können hautnah erleben, wie er aussah, in welcher Welt er gelebt hat“, sagt John Zaller. Er will die Geschichte der Saurier erzählen und deutlich machen: Sie waren nie wirklich weg. „Was viele nicht wissen: Unsere Vögel stammen vom Saurier ab“, sagt er und bezieht sich damit auf eine gängige und auch oft diskutierte Theorie zur Abstammung. Gern würde er deshalb auch Hühner am Ende der Ausstellung zeigen, doch das ginge leider nicht. Für Eltern ist das Dinosaurier-Huhn ein interessanter Ansatz. Sie wären nicht dem Druck der Spielwarenindustrie erlägen. Sie könnten dem Mini-Paläontologen daheim ein Huhn schenken – das legt sogar Eier. Das Federvieh hat noch einen großen Vorteil. Der Name ist auch für Erwachsene ganz simpel zu merken: H-U-H-N.

Dino-World in Dresden: 29.9. bis 3.2.2019, Zeitenströmung, Königsbrücker Straße 96, Di – So, 10 – 17 Uhr, 14,90 Euro (Erw.) bzw. 11,90 Euro (Kinder)