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Die Ausschaffer

Die Schweizer Rechtsnationalen wollen kriminelle Ausländer automatisch ausweisen. Sagen die Eidgenossen Ja dazu, bekommt das Land eines der härtesten Gesetze Europas.

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© Reuters

Von Jan Dirk Herbermann, SZ-Korrespondent in Genf

Ein weißes Schaf tritt ein schwarzes Schaf. Das schwarze Schaf fliegt aus dem Gebiet, das mit weißem Kreuz auf rotem Grund gekennzeichnet ist. Neben dem symbolischen Rauswurf steht geschrieben: „Ja zur Ausschaffung krimineller Ausländer.“ Zwischen Bodensee und Genfer See prangt in vielen Orten das Plakat über die Ausweisung der Fremden: Es bringt die sogenannte Durchsetzungsinitiative der rechtsnationalen Schweizerischen Volkspartei (SVP) auf den Punkt.

Am Sonntag stimmen die Eidgenossen über die Initiative ab. Falls die Stimmbürger den Plan gutheißen, verpasst sich die Schweiz eines der härtesten Gesetze zur Ausländer-Ausweisung in ganz Europa. Und die Eidgenossenschaft könnte inmitten der Flüchtlingskrise anderen Ländern des Kontinents als Vorbild für drastische Regeln dienen.

Die Schweizer Regierung, das Parlament und die Parteien links von der SVP wehren sich vehement gegen die Durchsetzungsinitiative. Sie sei „barbarisch“, klagen etwa die Kritiker vom „Komitee gegen die unmenschliche SVP-Initiative“. Im Kern verlangt die SVP eine automatische und unverzügliche Ausweisung straffällig gewordener Ausländer. Zudem sollen die Behörden die „Ausgeschafften“ mit einem jahrelangen Einreiseverbot belegen.

„Mit der Durchsetzungsinitiative werden ausländische Mörder, Vergewaltiger, Einbrecher und andere Kriminelle zwingend ausgeschafft“, verspricht SVP-Präsident Toni Brunner. Die „Ausschaffung von Schwerverbrechern“ könne nicht mehr mit allerlei „Ausreden“ verhindert werden. Doch auch Ausländer, die sich eines gewaltfreien Delikts wie Veruntreuung schuldig machen, könnten automatisch des Landes verwiesen werden – genau dann, wenn sie in den letzten zehn Jahren bereits in einem anderen Fall zu einer Freiheits- oder Geldstrafe verurteilt worden waren. Von einer Härtefallklausel will die SVP nichts wissen.

„Wir reden hier von vorsätzlich kriminellen Ausländern, nicht von Ahnungslosen, denen dummerweise etwas passiert ist“, versichert der Fraktionsvorsitzende der SVP in der Bundesversammlung, Adrian Amstutz. „Anständige Ausländer haben bei uns nichts zu befürchten.“

Strikter Automatismus in der Kritik

Die Gegner der SVP sehen das jedoch völlig anders. Justizministerin Simonetta Sommaruga von den Sozialdemokraten warnt: „Die Durchsetzungsinitiative macht alle Ausländer in der Schweiz, zwei Millionen Menschen, zu Bürgern zweiter Klasse.“ Die Regierung sperrt sich vor allem gegen den strikten Automatismus von Verurteilung und anschließender Ausweisung. „Bei einer Annahme der Initiative könnten die Gerichte nicht mehr auf Besonderheiten eines Falles eingehen, auch schwere persönliche Härtefälle würden nicht mehr berücksichtigt“, betont die Justizministerin.

Zumal die sogenannten Secondos – Nachkommen von Einwanderern, die oft keinen Schweizer Pass haben – drohten, zu Opfern der SVP zu werden. Sommaruga erläutert ihre Befürchtungen anhand eines fiktiven Beispiels: Nach einem feucht-fröhlichen Fest brechen junge Erwachsene, Schweizer und Secondos, in ein Gartenhäuschen ein und entwenden ein paar Flaschen Wein. Zwar würden alle bestraft, Schweizer und Secondos. Die Secondos würden aber nach dem SVP-Plan zusätzlich aus der Schweiz „ausgeschafft“ – ohne irgendeine Prüfung ihrer persönlichen und familiären Situation.

Die Durchsetzungsinitiative reifte in den Köpfen der SVP-Bosse schon lange, bevor sich die Flüchtlingskrise in Europa zuspitzte. Konkret reagiert die Volkspartei auf einen 2010 errungenen Sieg an der Urne. Damals hatte die SVP die Volksabstimmung über die „Ausschaffungsinitiative“ erzwungen und gewonnen. Die darin vorgesehenen harten Regeln für Ausweisungen ausländischer Straftäter mussten Regierung und Parlament zwar pflichtgemäß umsetzen. Die SVP geißelt die beschlossenen Gesetze jedoch als zu lasch. Deshalb will die SVP jetzt Klarheit: Die Forderungen zur Ausschaffung sollen mit der neuen Initiative „durchgesetzt“ werden.