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Die Ausgebooteten ballern zurück

Karla Borger und Margareta Kozuch sind nach Streit mit dem Verband als Nationalteam anerkannt und siegen in Dresden.

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Von Alexander Hiller

Die Ausgebooteten schlagen zurück. Auf die ihnen eigene Art. Sportlich. Karla Borger und Margareta Kozuch sind auf dem besten Weg, sich in der deutschen Beachvolleyball-Szene einen festen Platz in der Spitze – hinter dem etablierten Olympiasieger- und Weltmeister-Duo Laura Ludwig und Kira Walkenhorst – zu erarbeiten.

Ihre Partnerin Karla Borger wurde nach dem Erfolg in Dresden vom deutschen Beach-Olympiasieger Julius Brink interviewt. Die Spiele 2020 hat das neue Duo auch in der internen Zielvorgabe stehen.
Ihre Partnerin Karla Borger wurde nach dem Erfolg in Dresden vom deutschen Beach-Olympiasieger Julius Brink interviewt. Die Spiele 2020 hat das neue Duo auch in der internen Zielvorgabe stehen. © kairospress

Daran ließen sie in Dresden keinen Zweifel. Auf der zweiten Station der Techniker Beach Tour – zugleich Europas größte nationale Sandserie – triumphierten die beiden blonden Frauen. Im Finale bezwangen Borger/Kozuch das ebenfalls als deutsches Nationalteam eingestufte Duo Victoria Bieneck/Isabel Schneider mit 2:0 (21:18, 21:19). Der erste Sieg auf der deutschen Tour überhaupt – mit 2 500 Euro Siegprämie versüßt. „Es hat unheimlich viel Spaß gemacht. Und darüber haben wir uns unsere Energie geholt“, erklärte Kozuch nach dem Erfolg auf dem Altmarkt.

Dass die 32-jährige Angreiferin und ihre drei Jahre jüngere Partnerin überhaupt wieder beinahe kindliche Freude an ihrem Sport verspüren, hat viel mit einem Sieg zu tun, den das 2017 neuformierte Tandem nicht auf dem Feld erzielt hat. Der Deutsche Volleyball-Verband (DVV) wehrte sich im vergangenen Jahr vehement, Borger und Kozuch den Status eines Nationalteams offiziell anzuerkennen, der ihnen aufgrund sportlicher Leistungen zugestanden hätte. Hintergrund der Blockade-Haltung war, dass sich Borger/Kozuch weigerten, am Bundesstützpunkt Hamburg-Dulsberg zu trainieren. Selbst eine Klage gegen den DVV stand im Raum. „Ich habe überlegt, mit dem Beachvolleyball aufzuhören, weil ich keinen Sinn mehr darin gesehen habe“, sagte Borger dem Hamburger Abendblatt. Nur zum Verständnis: Die Heppenheimerin ist nicht irgendwer im Verband, sie wurde 2013 WM-Zweite, 2014 deutsche Meisterin, 2016 Olympia-Neunte und EM-Dritte. Und ihre neue Partnerin Margareta Kozuch hatte für den DVV in 336 Hallen-Länderspielen die Knochen hingehalten, die Hamburgerin war jahrelang das Gesicht und die Sympathieträgerin der Auswahl.

Training auf Teneriffa

„Wir können uns jetzt wieder auf den Sport konzentrieren“, sagt Kozuch. Der Verband hat sich letztlich – wahrscheinlich auch auf Druck von außen – dazu erweichen lassen, Borger/Kozuch als Nationalteam anzuerkennen, obwohl sie weiterhin nicht in Hamburg trainieren. Den Winter über verzog sich das Duo auf eigene Kosten für drei Monate zum Trainingslager nach Teneriffa, um dort Seite an Seite mit anderen europäischen Top-Teams auf ganz hohem Niveau die Vorbereitung auf die lange Saison zu bestreiten. „Ob das alles aufzuklären ist, was da im letzten Jahr schiefgelaufen ist, weiß ich gar nicht“, erklärt Karla Borger – und klingt auch nicht so, als ob das unbedingt nötig wäre. Sie und ihre Partnerin schauen nach vorn. Meistens mit einem Lächeln auf den Lippen. Die beiden Beachvolleyballerinnen könnten eine Art Prototyp dafür sein, dass Profisport richtig viel Spaß macht, ja Spaß machen muss. „Das System, in das wir uns eingliedern sollten, war noch im Aufbau. Man hätte uns vorgeschrieben, mit wem wir arbeiten sollen“, sagt Borger rückblickend. Nun können sie Vorzüge des Hamburger System, beispielsweise Scouting oder Physiotherapie, kostenfrei nutzen, aber sonst prinzipiell ihren eigenen Stiefel durchziehen. Dazu gehört, dass die Weltranglisten-15. derzeit überhaupt keine Energie an den Gedanken verschwenden, ob sie in die Lücke vorpreschen könnten, die das Olympiasieger- und Weltmeister-Duo aufgrund von Laura Ludwigs Babypause in dieser Saison hinterlässt.

„Ganz ehrlich“, sagt Margareta Kozuch, „wir konzentrieren uns nicht darauf, wer in dieser Saison nicht dabei ist“. Klare Ansage. „Aber hey, wer will nicht die Nummer eins sein. Das wollen wir auch“, sagt das frühere Hallen-Ass, dessen Schwester Katharina mit dem ehemaligen Dynamo-Profi Filip Trojan verheiratet ist und in Dresden lebt. Kozuch verbindet also ein festes Band mit der sächsischen Landeshauptstadt. Dennoch stand der Start der beiden auf der Kippe. „Ich wollte das Turnier eigentlich absagen“, verrät Karla Borger. Ihr Athletik-Trainer Sascha Schlechtweg heiratete am Sonnabend. „Mir hat sehr viel daran gelegen, da dabei zu sein. Wir haben uns dann aber doch für das Turnier entschieden. Aber mir war klar: Entweder gewinnen, oder es ergibt keinen Sinn“. Hat ja ganz gut funktioniert.

Borger und Kozuch ziehen nun weiter nach Ostrava, zum Weltserienturnier, eine Woche später nach Warschau. Dann steht die EM ins Haus. Deshalb war der Start des Nationalteams in Dresden wahrscheinlich der letzte auf der achtteiligen deutschen Tour. „Wir wollen noch in Leipzig spielen, aber es kann auch sein, dass wir für den Kopf mal eine Pause brauchen“, erklärt Borger vorbeugend. Denn jetzt dürfen die zuvor Ausgebooteten endlich auf allen Turnieren spielen, für die sie sich sowohl sportlich als auch finanziell interessieren. Und ein voller Terminplan kostet Energie.