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Die Affenmenschen vom Balkan

Eine serbische Initiative streitet für die Entfernung der Evolutionstheorie aus den Schulbüchern des Landes.

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© dpa

Von Thomas Roser

Ausgerechnet einer oft als rückständig belächelten Region winkt die Aufwertung zur Wiege der Menschheit: Laut den jüngsten Erkenntnissen Tübinger Wissenschaftler könnten die ersten Vormenschen nicht wie bisher angenommen aus Ostafrika, sondern vom Balkan stammen.

Doch Freude und Stolz über die spät entdeckten Affenmenschen vom Balkan kommt in der streitbaren Vielvölkerregion keineswegs bei allen von deren Nachkommen auf. Engagiert streitet in Serbien eine Initiative rechtsklerikaler Intellektueller gegen die weitere Verbreitung der Evolutionstheorie in den heimischen Schulbüchern.

„Globalisten und Atheisten, die heute in der Welt die einflussreichsten Positionen einnehmen, finanzieren die Verbreitung der Evolutionstheorie“, klagt eine zu Monatsbeginn veröffentlichte und von 166 Professoren, Wissenschaftlern, Ärzten und Geistlichen unterzeichnete Petition, die die Einführung der biblischen Schöpfungsgeschichte im Biologie-Unterricht fordert.

Die These des britischen Naturforschers Charles Darwin, dass der Mensch vom Affen abstamme, sei eine „Beleidigung für alle Gläubigen“ – nicht nur die der Serbisch-Orthodoxen Kirche, erklärt die frühere Erziehungsministerin Ljiljana Colic den von ihr unterstützten Feldzug gegen die Evolutionstheorie.

Die Darwin-Gegner wollten die Wissenschaft religiösen Überzeugungen unterordnen, kritisiert derweil nicht nur Serbiens Akademie der Wissenschaften den Vorstoß. Soziologen werten diesen wiederum als Ausdruck des „Erwachsens“ eines rechtsgerichteten und rückwärtsgerichteten Serbiens.

Mit der Verbannung von Darwin aus Serbiens Schulbüchern ist zwar vorläufig nicht zu rechnen. Doch die Kritiker der bibelfesten Darwin-Gegner sehen sich einer merkwürdigen Hexenjagd ausgesetzt. Gegen den Direktor von Serbiens Zentrum zur Förderung der Wissenschaft wurde mittlerweile ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet, weil er Serbiens Erziehungsminister dazu aufgefordert hatte, sich von den „pseudowissenschaftlichen“ Verlautbarungen der Initiative klar zu distanzieren. Bei der jüngsten Synode der Serbisch-Orthodoxen-Kirche sollen konservative Bischöfe laut Berichten der heimischen Presse ein wütendes Kesseltreiben gegen einen Amtskollegen entfacht haben, der es gewagt hatte, einen Theologen-Aufruf gegen die Verbannung von Darwin zu unterstützen.

Die Frage, wer vom Balkanaffen abstammt oder sich zum Affen macht, ist für Spötter mit der Anti-Darwin-Kampagne ohnehin beantwortet. Die Satire-Site „Njuz.net“ berichtet derweil, dass nun auch der Schimpanse im Belgrader Zoo die Petition zur Abschaffung der Darwin-Theorie unterzeichnet habe, deren Anhänger er bisher gewesen sei. Einem Affen würde eine derart unsinnige Petition nie in den Sinn kommen, habe dieser seinen Meinungswechsel begründet: Dies sei der beste Beweis, dass der Mensch eben doch nicht vom Affen abstamme.