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Die acht wichtigsten Fragen zur Abschiebung

Für die armenische Familie aus der Neustadt gibt es Hoffnung. Eine Kommission nimmt sich des Falls an.

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© Sven Ellger

Von Julia Vollmer

Erleichterung bei Mutter und Tochter der abgeschobenen armenischen Familie. Die Härtefallkommission hat den Antrag des Flüchtlingsrates auf Beratung angenommen. Die Kommission holt jetzt Stellungnahmen der Ausländerbehörden ein. Die nächste Sitzung der Kommission ist am 27. Oktober, bis dahin dürfen Mutter und Tochter nicht abgeschoben werden, sagt Markus Guffler, Sprecher des Ausländerbeauftragten Geert Mackenroth.

Am 18. September hatte die Polizei mit dem Abschiebebescheid bei der Familie geklingelt. Der Grund: Die Eltern waren 2006 nach Deutschland gekommen und hatten sich als Iraker ausgegeben. Der Schwindel flog auf. Elf Jahre lang lebte die Familie in Deutschland, alle drei Kinder sind hier geboren. Der Vater und die zwei sechs und acht Jahre alten Söhne wurden nach Armenien abgeschoben. Die zehnjährige Tochter galt bisher als vermisst und ist jetzt nach Informationen des Jugendamtes sicher bei Verwandten untergebracht. Schicksale wie dieses gibt es viele. Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wie viele Menschen wurden in diesem Jahr aus Dresden abgeschoben?

Diese Frage kann die zuständige Landesdirektion nur für ganz Sachsen beantworten. Bis Ende August 2017 wurden 601 Menschen abgeschoben, so Ingolf Ulrich, Sprecher der Landesdirektion Sachsen (LDS). Bundesweit waren es im ersten Halbjahr 11 606 Abschiebungen auf dem Luftweg, so das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). 2016 waren es sachsenweit 1 790, 2015 waren es 940.

In welche Länder wurden die Flüchtlinge abgeschoben?

Hier gibt es auch nur sächsische Zahlen. 2017 wurden die meisten Menschen in den Kosovo (90), nach Albanien (68), Polen (65) und nach Tunesien (50) zurückgeschickt.

Ab wann darf überhaupt abgeschoben werden?

Wer abgeschoben werden soll, muss ausreisepflichtig sein. Dies ist der Fall, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag abgelehnt hat. Das gilt für die Armenier aus dem Hechtviertel. Nötig sind außerdem gültige Reisedokumente. Die Landesdirektion beschafft die Rückreisedokumente zusammen mit den ausländischen Behörden. Es dürfen keine Abschiebehindernisse oder Duldungsgründe wie Krankheiten vorliegen. Wenn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet oder bereits Klage erhoben wurde, ist ein okay der Staatsanwaltschaft nötig. Gleiches gilt, wenn der Flüchtling in Haft ist.

Was erwartet die Menschen in ihren Heimatländern?

Die Zuständigkeit der Landesdirektion endet mit der Abschiebung in das Heimatland, so ihr Sprecher. Es sei Aufgabe der Heimatländer, sich um ihre Staatsbürger zu kümmern. Auch eine Unterkunft für die ersten Nächte stellt die LDS nicht. So erging es auch dem Vater und seinen Söhnen.

Gibt es eine finanzielle Starthilfe für die abgeschobenen Menschen?

Eine finanzielle Unterstützung durch die Bundesrepublik in Form einer Starthilfe sei nur bei freiwilliger Ausreise möglich. Die armenische Familie bekam nichts.

Wann haben in Deutschland geborene Kinder von Flüchtlingen die Chance auf die deutsche Staatsbürgerschaft?

Grundsätzlich bekommt ein Kind durch die Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil diese besitzt. In bestimmten Fällen müssen weitere Voraussetzungen gegeben sein, so die Landesdirektion. Ein Kind ausländischer Eltern erwirbt die deutsche Staatsangehörigkeit durch die Geburt im Inland nur dann, wenn ein Elternteil seit acht Jahren im Land lebt und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht hat. Das trifft bei den Armeniern nicht zu. Die Zeiten, in denen ein ausländischer Staatsbürger hier nur geduldet wird, werden meist nicht angerechnet.

Was passiert mit den Wohnungen und dem Hab und Gut der Menschen ?

Die armenische Familie lebte in einer Gewährleistungswohnung der Stadt, so das Sozialamt. Die Gegenstände, die ehemalige Bewohner in städtischen Asylunterkünften zurücklassen, werden für einen Monat eingelagert. Danach werden sie verwertet oder entsorgt, so die Stadt. Gleiches gilt für das Eigentum von Menschen, die in Erstaufnahmeeinrichtungen oder Flüchtlingsheimen lebten und abgeschoben werden.

Wer kümmert sich um die Kinder, wenn Familien abgeschoben werden?

Ausländische Minderjährige, die ohne Eltern in der Stadt angetroffen werden, nimmt das Jugendamt in Obhut. Allerdings hätte es einen solchen konkreten Fall noch nicht gegeben, bei dem die Eltern abgeschoben wurden und das Kind in den Kinder- und Jugendnotdienst gebracht wurde. Die Abmeldung von der Kita erfolge durch die Leiter der Einrichtung wegen unentschuldigten Fehlens des Kindes, sagt die Verwaltung. Das Sorgerecht für die Mädchen und Jungen habe das Elternteil, das vor Ort ist. Je nachdem im Ausland oder in Deutschland.