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Der Wolf auf dem Vormarsch

Noch gibt es im Osterzgebirge kein Rudel, wohl aber durchziehende Einzeltiere. Diese mögen vor allem eines.

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© www.nabu.de

Von Annett Heyse

Osterzgebirge. Seit sich die Wölfe in den Neunzigerjahren in der Lausitz ansiedelten, polarisieren sie wie sonst kein Wildtier. Längst sind sie auch im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge heimisch – im Bereich Hohnstein/Stolpen und im Hohwald. Im Osterzgebirge hingegen ließ sich der Graurock bisher nur sporadisch blicken. Gesicherte Beweise gibt es zuletzt vom April 2017. Damals tappte ein Wolf in eine Fotofalle bei Altenberg. Vor fünf Jahren hielt sich ein Wolf ein paar Tage lang in der Umgebung von Obercarsdorf auf und riss dort nachweislich auch mehrere Schafe. 2014 gab es Meldungen aus Klingenberg, dort wollten Anwohner mehrmals einen Wolf gesichtet haben. Ende 2016 wurden Beobachtungen aus dem Raum Hermsdorf, Neuhermsdorf, Rehefeld gemeldet. Sonst meidet das Raubtier die Region, die vor Jahren zum Wolfserwartungsgebiet erklärt wurde. Ist mit dem Wolf im Osterzgebirge überhaupt noch zu rechnen? Die SZ geht dieser und anderen Fragen nach.

Warum meidet der Wolf die Erzgebirgsregion bisher?
Es fällt auf, dass Wölfe in Sachsen sich vor allem östlich der Elbe niederlassen und von dort aus sich weiter in Richtung Nordsachsen verbreiten. „Dass die Elbe ein Ausbreitungshindernis darstellt, ist eher unwahrscheinlich, weil Wölfe gut schwimmen können und sich vor allem außerhalb Sachsens schon linkselbisch etabliert haben“, sagt Philipp Kob vom Kontaktbüro Wölfe in Sachsen. Was hält sie also bisher vom Erzgebirge ab? Die Frage ist ungeklärt. Fakt ist, dass sich junge Wölfe zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr von ihrem Elternrudel trennen und eigene Territorien suchen. Fündig werden sie dort, wo noch kein Paar, keine Rudel oder gleichgeschlechtigen Einzeltiere leben. „Wenn ein geeigneter Lebensraum gefunden wurde, verhält sich der Wolf territorial, indem dieser anderen Wölfen im Wesentlichen mit Urin- und Kotmarkierungen und Heulen signalisiert, dass dies sein Revier ist“, erklärt Wolfsexperte Kob.

Welche Umweltbedingungen sind für den Wolf ideal?
Die wichtigsten Voraussetzungen für die Eignung eines Gebietes als optimaler Wolfslebensraum sind ein ausreichend großes Beutetiervorkommen. In der Regel sind dies freilebende Huftiere wie zum Beispiel Reh, Wildschwein, Rothirsch. Auch bevorzugen Wölfe ruhige Rückzugsräume, in denen sie den Tag verbringen und ihre Welpen aufziehen können. Untersuchungen zur Nahrungsökologie durch das Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz zeigen, dass der Anteil verzehrter Biomasse an freilebenden Huftieren knapp 95 Prozent beträgt. Nur um die fünf Prozent der Nahrung machen andere Tierarten aus. Dass darunter auch Weidetiere fallen, macht den Räuber so umstritten.

Welche Erkenntnisse gibt es zu den Wölfen im Osterzgebirge?
Es gibt bisher keine Hinweise darauf, dass sich ein Wolfsrudel in der linkselbischen Sächsischen Schweiz oder im Osterzgebirge etabliert hat. Das nächstgelegene bekannte Territorium ist Stolpen/Hohnstein. Generell ist es aber möglich, dass immer wieder einzelne Wölfe bisher und auch weiterhin durch das Osterzgebirge zogen und ziehen. Erste Beweise gibt es. „Die Frage wird dann jeweils sein, ob es sich um ein Tier auf Abwanderung oder um ein bereits territoriales Tier handelt“, sagt Kob.

Ist mit einer Ansiedlung der Tiere im Osterzgebirge noch zu rechnen?
Ja durchaus, meinen die Wolfsexperten aus der Lausitz. Kob: „Da der Wolf eine sehr anpassungsfähige Tierart ist und sich zurzeit in der Ausbreitung befindet, ist davon auszugehen, dass sich auch in der linkselbischen Sächsischen Schweiz und im Osterzgebirge Wölfe dauerhaft etablieren werden.“ Seit Jahren gilt der gesamte Landkreis als sogenanntes Wolfserwartungsgebiet. Schon jetzt müssten Nutztierhalter mit weiteren Übergriffen durch einzelne, durchwandernde Wölfe rechnen. Wann der Räuber sesshaft wird, ist völlig offen.

Wie verändert der Wolf das Verhalten von anderen Wildtieren?
In Sachsen ernähren sich die Wölfe hauptsächlich von Rehen, Wildschweinen und Rothirschen. „Aufgrund dessen ist davon auszugehen, dass der Wolf vor allem das Verhalten dieser Beutetierarten beeinflusst“, sagt Philipp Kob. In welchem Ausmaß dieser Einfluss stattfindet, ist noch nicht gänzlich erforscht. Eine Untersuchung durch Wissenschaftler der Technischen Universität Dresden gab es in der Lausitz – mit Rotwild. Dabei wurden 14 erwachsene Tiere, die im Gebiet des Daubitzer Rudels lebten, mit Sendern ausgestattet. Die Geräte zeichneten auf, wo sich die Tiere bewegten. Das Ergebnis habe keine Besonderheiten aufgewiesen, erklärt der Wolfsexperte. Die Hirsche ließen sich von den Wölfen nicht vertreiben.