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Der Weg macht süchtig

Seit 15 Jahren führt der Ökumenische Pilgerweg von Görlitz nach Vacha. Das wurde am Freitag an vielen Orten gefeiert.

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Von Ines Eifler

Görlitz. Wer einmal pilgern war, den lässt es selten wieder los: dieses Gefühl, auf den eigenen Füßen mit der Natur zu verschmelzen und der Erde wie dem Himmel ein Stück näher zu sein. Roswitha Wintermann hat das vor 15 Jahren zum ersten Mal erlebt. Sie erfuhr damals, am 6. Juli 2003, zufällig von der Gründung des Ökumenischen Pilgerweges in Königsbrück und schloss sich der Erstbegehung eine Woche später an. „Ich war hin und weg“, erinnert sie sich an die viertägige Wanderung von Görlitz bis Königsbrück. „Ich wäre damals gern sofort weiter mit bis nach Erfurt gelaufen, hatte aber nicht so viel Zeit. Ein Jahr später habe ich es nachgeholt.“ Seitdem pilgert die Görlitzer Fotografin fast jedes Jahr, meist allein, immer wieder ein anderes Stück auf diesem Teil des Jakobsweges, der von Görlitz bis ins thüringische Vacha reicht und dem Verlauf der Via Regia folgt.

Roswitha Wintermann (r.) engagiert sich für den Weg und bietet vielen Pilgern eine Bleibe.
Roswitha Wintermann (r.) engagiert sich für den Weg und bietet vielen Pilgern eine Bleibe. © pawelsosnowski.com

Roswitha Wintermann ist mehr als nur Pilgerin. Sie engagiert sich mit zehn anderen Leuten aus Sachsen und Thüringen in einem Verein für die Betreuung, Weiterentwicklung und Bekanntmachung des Ökumenischen Pilgerweges. Dieser Verein ist den evangelischen und katholischen Herbergen auf dem Weg ein guter Partner, sorgt für die Beschilderung und unterstützt die Pilger mit einem ausführlichen, handlichen Pilgerführer sowie einer Homepage.

Seit 2006, als ihre sechs Kinder langsam das Haus verließen, bieten Roswitha Wintermann und ihr Mann auch selbst vorbeiziehenden Pilgern eine Unterkunft. Bis zu 80 Wanderer sind pro Jahr in ihrer Wohnung in der Brückenstraße über Nacht zu Gast. „Es ist immer wieder interessant, diese ganz unterschiedlichen Menschen und ihre Beweggründe fürs Pilgern kennenzulernen“, sagt Roswitha Wintermann. Die meisten befänden sich an gewollten oder ungewollten Lebensumbrüchen: zwischen Abitur und Studium, nach einer Trennung oder einem anderen Verlust, kurz vorm Ruhestand, in einer Auszeit. Manchmal seien es Elternteile mit ihrem beim früheren Partner lebenden Kind. Und viele Pilger kämen aus dem Westen Deutschlands, um zu Fuß mehr über den Osten zu erfahren. Der Trend zum Pilgern halte jedenfalls an.

Pilger-Wegweiser

Alle 15-Jährigen haben 2018, im 15. Jahr des Ökumenischen Pilgerweges, freien Eintritt in allen privaten Herbergen zwischen Görlitz und Vacha.

www.oekumenischer-pilgerweg.de bietet Hinweise für Pilger. Pilgerführer mit Pilgerausweis dort bestellbar.

Unter „Weitergehen“ auf der Website kann man für Ausbau und Betrieb des Weges spenden, zum Beispiel für den steinernen Pilgerwegweiser an der Görlitzer Altstadtbrücke.

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Das empfindet auch Alfred Hoffmann so, Generalvikar des Bistums Görlitz. Er ist seit 20 Jahren leidenschaftlicher Pilger, war mehrmals auf dem Camino in Spanien, zweimal hat er in der Kathedrale von Santiago de Compostela Dienst getan, um die deutschen Pilger am Ziel des Jakobsweges zu empfangen. Meist pilgert er im Sommer mit einer Gruppe ein längeres Stück auf dem Jakobsweg, außerdem nach Ostern ein kurzes Stück, vor allem auf polnischen Wegen bis zur Grenze. Die Begeisterung fürs Pilgern sei ungebrochen, sagt Alfred Hoffmann, aber im Vergleich zu vor zehn oder 20 Jahren seien heute mehr ältere Pilger und mehr Frauen unterwegs. Damals seien zwei Drittel Männer und viele in den 40ern dabei gewesen, heute zwei Drittel Frauen und mehr Leute in den 50ern und 60ern. Auch Leute über 70 trauten sich das lange Wandern und Entbehren zu.

In Görlitz finden Pilger bei den Wintermanns, in der Stadtmission, in der Wartburg und im Pelegrinus in der Langenstraße Unterkunft, weiter auf dem Weg alle fünf bis zehn Kilometer, etwa in Arnsdorf, Melaune und Buchholz. Kommen sie über die Altstadtbrücke nach Görlitz, finden sie sich manchmal nicht gleich. Deshalb setzt sich Roswitha Wintermann an der Stelle für einen neuen Wegweiser ein. Einige der 40 Pilgerfreunde, die sich dort am Freitag zu einer Andacht trafen, um die 15 Jahre zu feiern und später bis nach Ebersbach zu pilgern, spendeten dafür. Generalsuperintendent Martin Herche bestärkte das Vorhaben mit einem Leitspruch seiner Andacht: „Pilgern: starke Sache, sehr zu empfehlen.“