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Der Tausendsassa aus Schirgiswalde

Wie sich Andreas Thomas den Ruf eines Machers erarbeitete, und was Volksmusikanten aus Südtirol damit zu tun haben.

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© Uwe Soeder

Von Tilo Berger

Schirgiswalde. Sein Name taucht immer wieder auf. Wenn es in wenigen Wochen in der Faschingshochburg Schirgiswalde wieder närrisch zugeht, hat Andreas Thomas als Mit-Organisator und Moderator seine Hände und den Kopf im Spiel. Seine Stimme kennen Besucher des Schiebock-Rennens in Bischofswerda und des Apfelfestes in Schirgiswalde. Die Veranstalter der Neschwitzer Schlagernacht buchen ihn ebenso als Moderator wie die Gastgeber des Oktoberfestes in Kemnitz und der Deutsche Gewerkschaftsbund, für den er die Mai-Kundgebungen auf dem Bautzener Kornmarkt organisiert. Zusammen mit einem Bayern holte er drei Jahre hintereinander die Kastelruther Spatzen in die Löbauer Messehalle. Wenn die Oberlausitz jetzt regelmäßig im Tourkalender der Volksmusikkönige aus Südtirol auftaucht, dann ist das auch ein Verdienst von Andreas Thomas. In diesem Jahr kommen die Spatzen übrigens am 31. August in die Görlitzer Landskron-Kulturbrauerei.

Er holte die Kastelruther Spatzen und moderiert das Oktoberfest.
Er holte die Kastelruther Spatzen und moderiert das Oktoberfest. © PR
Er holte die Kastelruther Spatzen und moderiert das Oktoberfest.
Er holte die Kastelruther Spatzen und moderiert das Oktoberfest. © Bernd Gaertner

Wer ist dieser Mann, dessen Name immer wieder im Gespräch ist? Und was macht er eigentlich, wenn er gerade keine Veranstaltungen organisiert und moderiert? Denn das Kulturelle ist für Andreas Thomas eher ein Nebengeschäft. In der Hauptsache verkauft er Reisen. Und erfüllt sich damit einen Kindheitstraum. Fast wäre es ein Traum geblieben. Andreas Thomas blickt fünf Jahre zurück: Gerade hatte er sich in Schirgiswalde und Umgebung einen Namen als Reiseveranstalter gemacht, da drohte schon das Aus. 2013 organisierte er für ein anderes Reisebüro dessen Abschlussfahrt in die Oberlausitz. Doch drei Tage vor Reisebeginn gab das Unternehmen seine Insolvenz bekannt. Andreas Thomas hatte hier bereits ein Hotel gemietet und blieb auf den Kosten sitzen – eine fünfstellige Summe, die er bis jetzt nicht ersetzt bekam.

Aber der junge Schirgiswalder gab nicht auf. „Ich hab mich durchgebissen“, sagt er und presst die Lippen zusammen. Damals wie heute hilft ihm sein Glauben. Der Glauben an sich selbst, und der Glaube an Gott.

Andreas Thomas wuchs in einem katholisch geprägten Elternhaus auf, das ist ihm wichtig wie die Heimat Schirgiswalde. Hier wohnte und wohnt die Familie, und auch der Sohn will in der kleinen Stadt bleiben, selbst wenn er inzwischen Weltreisen verkauft und unternimmt. Zum Beispiel Pilgerreisen. Ganz oft reist Alexander Paul mit, der von 1984 bis 2011 als katholischer Pfarrer in Schirgiswalde wirkte. Andreas Thomas kennt ihn seit der Kindheit als Freund der Familie, und jetzt freut sich der Schirgiswalder, dass viele Reisende ganz gezielt bei ihm buchen, weil sie wissen: Pfarrer Paul ist dabei.

Seine erste Reise in eine unbekannte Welt führte Andreas Thomas Anfang 1990 ins damalige Westberlin. Vater startete den Trabant, und los ging’s, in einen Supermarkt jenseits der bröckelnden Mauer. „Überfluss“ ist das Wort, das dem 1981 Geborenen bis heute dazu einfällt. „Wir leben im Überfluss, der für uns längst selbstverständlich geworden ist.“ Den Trabi fuhr der Vater übrigens, bis er nicht mehr rollte.

Ein einschneidender Moment war für Andreas Thomas, als ihn die Eltern zum ersten Mal mitnahmen in die Alpen. Mit einem Reisebus aus der Oberlausitz, darauf legte die Familie Wert. Der Junge staunte. Über die hohen Berge und den Busfahrer, der so sicher die Serpentinen nahm. Sein Interesse war geweckt. Kaum hatte er das Alter für Ferienjobs, fuhr er als Bordservice in Bussen mit. Seitdem sind mehr als zwei Jahrzehnte vergangen, aber seine Augen leuchten noch immer, wenn er davon erzählt.

Aber noch stand damals nicht fest, dass diese Leidenschaft für ihn zum Beruf werden könnte. Um sich klar zu werden, was er im Leben wollte, ging er für ein Freiwilliges Soziales Jahr in eine Behindertenwerkstatt in Kirschau. Die Arbeit mit den Menschen mit Handicap machte ihm Spaß, und fast wäre er dabei geblieben, hätte es nicht erneut ein einschneidendes Erlebnis gegeben: eine Busfahrt nach Rom mit Pfarrer Paul. Der Frau am Lenkrad blieb das rege Interesse des jungen Fahrgastes nicht verborgen, und so riet sie ihm, sich im Reisebüro als Lehrling zu bewerben.

Der Chef nahm den jungen Mann, den er schon kannte, gern unter seine Fittiche. Und hätte ihn nach drei Jahren auch fest eingestellt, dachte aber weiter. Du kannst mehr, sagte der Busunternehmer aus dem Kreis Bautzen. Geh zu einem großen Reiseveranstalter und lerne noch mehr.

Schlaflose Nächte

Andreas Thomas ging zu Eberhardt-Travel nach Kesselsdorf bei Dresden. „Dort habe ich viel für meine Zukunft mit auf den Weg bekommen“, blickt er zurück. Das Unternehmen schickte den Oberlausitzer zum Studium an die Berufsakademie Breitenbrunn im Erzgebirge. 2006 hatte er seinen Abschluss als Diplom-Betriebswirt für Tourismuswirtschaft in der Tasche.

In Kesselsdorf erinnert sich Geschäftsführer Uwe Lorenz noch gut an den Studenten aus der Oberlausitz: „Wenn Herr Thomas im Hause war, dann musste man ihn gar nicht sehen: Sein Lachen, seine flotten Sprüche waren überall zu hören und zauberten immer ein Lächeln auf alle Gesichter. Wenn wir gesellige Veranstaltungen mit Kunden oder mit Reisebüropartnern hatten, sorgte er immer für eine fröhliche Anmoderation der mehr oder weniger ernsten Themen. Aufgrund seiner unternehmerischen Ambitionen konnten wir ihn leider nicht im Unternehmen halten.“

Seine Zukunft in der Reisebranche schien vorgezeichnet. Doch da gab es noch etwas anderes: In Schirgiswalde war Andreas Thomas’ Talent schon zu Schülerzeiten einem Mann aufgefallen, der Veranstaltungen organisierte und moderierte. Und da er langsam einen Nachfolger aufbauen wollte, fragte er den Gymnasiasten, ob er den Nikolausmarkt moderieren könnte. „Ich hatte damals schlaflose Nächte“, erinnert sich Andreas Thomas. Aber Neugier und Selbstvertrauen besiegten die Zweifel. Und offenbar machte er seine Sache gut, denn nach und nach kam immer mehr zum Organisieren und Moderieren dazu: Apfelfest, Fasching und einiges mehr.

Nach wie vor zieht er gern hinter den Kulissen die Fäden und steht mit dem Mikrofon auf der Bühne. Aber davon leben könnte Andreas Thomas nicht. Muss er auch nicht. ATeams Reisen & Events heißt sein Unternehmen, in dem er seit 2010 beide Standbeine unter einen Hut bringt. Wie es dazu kam? Wieder durch ein einschneidendes Erlebnis. Der Schirgiswalder arbeitete damals in Dresden bei SZ-Reisen, dem Reisebüro der Sächsischen Zeitung. Aber ein Hotel-Investor in seiner Heimatstadt winkte mit einer Anstellung als Veranstaltungsmanager. Noch vor dem scharfen Start musste der Investor jedoch aufgeben und alle Mitarbeiter entlassen. Auch Andreas Thomas, der wieder überlegte: Wie nun weiter?

Familie, Freunde, allen voran aber Lebensgefährtin Bianca stärkten ihm den Rücken für die Selbstständigkeit. Überhaupt Bianca: „So eine Frau findet man selten“, schwärmt ihr Partner. „Sie macht alles mit, obwohl ich nur selten für sie da sein kann.“

Bei der Namenswahl für seine kleine Firma spielte seinerzeit eine Fernsehserie die Hauptrolle. Für das A-Team gab es praktisch keine unlösbaren Probleme, und sein Chef John Smith, genannt Hannibal, liebte funktionierende Pläne. So wie auch Andreas Thomas, der im Firmennamen seine Initialen wiederfinden wollte. ATeams begann im Wohnzimmer der Eltern. Nach einem halben Jahr stand der ganze Raum voller Akten, weshalb der Jungunternehmer sein erstes Büro anmietete.

„Bin nicht größenwahnsinnig“

Zusammen mit dem Schirgiswalder Entertainer Heiko Harig begann er Musikreisen zu organisieren, die sich als Volltreffer erwiesen. Als die Betreiber eines anderen Reisebüros in Schirgiswalde in den Ruhestand gehen wollten, übernahm er deren Mitarbeiter und Kunden. Später kam noch eine Filiale in Wilthen dazu, zwischendurch der Umzug in wieder größere Räume.

2017 dann der Ritterschlag: Die Chefs von Kretzschmar-Reisen in Radibor wollten in den Ruhestand gehen und sprachen Andreas Thomas an, ob er ihre Nachfolge antreten wolle. ATeams wollte – und betreibt nun drei Filialen in Bautzen, Wilthen und Schirgiswalde mit insgesamt acht Mitarbeitern. „Weiter expandieren möchte ich jetzt nicht“, sagt der 36-Jährige. „Ich bin nicht größenwahnsinnig und trage auch Verantwortung für meine Mitarbeiter.“

Um fit zu bleiben, hat er sich einen festen Tagesrhythmus verordnet: ausreichend schlafen, ab 7 Uhr Vorbereitung auf den Arbeitstag, zwischendurch ein Spaziergang mit dem Hund. Von 9 bis 18 Uhr ist Andreas Thomas an normalen Arbeitstagen im Büro. Abends trifft er sich gern mit Freunden, die ihm bei Veranstaltungen helfen, dort zum Beispiel Stühle aufstellen oder Buden für die Händler aufbauen. Vorausgesetzt, ihm bleibt die Zeit dafür.