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Der Schandfleck im Unterdorf

Der ehemalige Jugendwerkhof verfällt. Was ist aus den Plänen geworden, daraus ein Pfadfinderlager zu machen?

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© Anne Hübschmann

Von Jörg Richter

Rödern. Ein Anruf erreichte vor Kurzem die SZ-Lokalredaktion Großenhain. Eine Frau aus Rödern ließ ihrem Frust freien Lauf. Sie ärgert sich darüber, dass der Röderhof immer mehr verfällt und zuwächst. Niemand scheint sich wirklich um ihn zu kümmern. So wie die Anruferin würden viele Anwohner der Dorfstraße denken, die mit dem verlassenen Gebäudekomplex in der Nachbarschaft leben müssen. Sie befürchten, dass es dort Ratten, Marder oder Waschbären gibt, die sich ungestört vermehren können. Zudem wuchere überall Unkraut und Sträucher. Und nicht zuletzt sei auch die Gefahr vorhanden, dass Kinder, die unerlaubterweise in dem ehemaligen Jugendwerkhof Verstecken spielen, verletzt werden könnten. Das Gelände ist zwar eingezäunt. Doch die Versuchung, in die Gemäuer mit ihrer dunklen Geschichte als DDR-Erziehungsheim einzusteigen, ist groß.

Die Frau am Telefon, die nicht namentlich genannt werden möchte, fragt, was aus den Plänen geworden ist, aus dem Gelände eine Art kirchliches Ferienlager zu machen. Diese Idee existiert spätestens seit dem Juli 2016, als rund 250 christliche Pfadfinder aus Schleswig-Holstein hier für anderthalb Wochen ihre Zelte aufschlugen. Sie waren Gäste des evangelisch-lutherischen Diakonenhauses Moritzburg e.V., dem der Röderhof gehört. Dessen Verwaltungsleiter Jens Knechtel zeigte sich damals erfreut darüber, dass die Röderner die Pfadfinder als Nachbarn akzeptierten. Die leider vor wenigen Tagen verstorbene Ebersbacher Ex-Bürgermeisterin Margot Fehrmann war damals ebenfalls von den Pfadfindern begeistert. „Es gab keine Beschwerden aus dem Dorf. Abends wurde gesungen – und auch früh am Morgen. Und niemanden hat es gestört“, sagte sie damals der SZ. In Gesprächen zwischen Pfadfindern und Dorfbewohnern hatte sich gezeigt, dass die Röderner nichts dagegen hätten, wenn hier in Zukunft Kindergruppen ihre Ferien verbringen.

Die Idee, den Röderhof zu einem dauerhaften Pfadfinderlager umzubauen, werde nach wie vor verfolgt, bestätigt Prof. Dr. Thomas Knittel, der Vereinsvorsteher des Diakonenhauses Moritzburg. Doch dafür würden noch ausführliche Gespräche benötigt. „Momentan geht es noch nicht richtig voran“, gibt Knittel zu.

Das Diakonenhaus macht sein Engagement auch von einer Abwasserleitung abhängig. Sie fehlt zurzeit auf der Dorfstraße in Rödern. Das hatte sich beim Pfadfinderlager vor zwei Jahren als Manko herausgestellt. Die Schleswig-Holsteiner mussten extra für viel Geld einen WC-Container aufstellen lassen und sich dafür auch noch eine Ausnahmegenehmigung vom Gesundheitsamt des Landkreises Meißen einholen.

Ursprünglich sollte die Abwasserleitung auf der Dorfstraße in diesem Jahr gebaut werden. Doch wie der zuständige Abwasserzweckverband Gemeinschaftskläranlage Kalkreuth auf Anfrage der SZ mitteilt, sei der Bau der Abwasserleitung im unteren Teil des Dorfes erst ab 2019 geplant. 2020 soll sie fertig sein.

Mindestens so lange wird also nichts Gravierendes auf dem Röderhof passieren. Und wahrscheinlich auch noch länger. Denn das Diakonenhaus Moritzburg hat momentan eine ganz andere Priorität. Wie Knittel am Donnerstag in einer Pressemitteilung bekannt gab, habe das Diakonenhaus die Gründung der Evangelischen Schule für Sozialwesen „Hans Georg Anniès“ in Moritzburg beschlossen. Dort sollen Sozialassistenten und Erzieher ausgebildet werden. Wie bereits im März bekannt wurde, sollen dafür drei Gebäude auf dem weitläufigen Gelände des Diakonenhauses hergerichtet werden. Ein Schulgebäude und zwei Wohnheime sollen entstehen. Die neue Bildungseinrichtung ist für circa 125 Fachschüler konzipiert. Im August 2019 soll der erste Jahrgang für die Ausbildung zum staatlich geprüften Sozialassistenten an den Start gehen. – Ein großes Vorhaben, das der Trägerverein des Diakonenhauses finanziell erst einmal stemmen muss. Die Zukunft des Röderhofs bleibt vorerst zweitrangig.