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Der Realist

Maximilian Schikore-Pätz ist der jüngste Direktkandidat im Kreis. Sein Beispiel zeigt, wie sehr sich seine Partei verändert hat.

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© Claudia Hübschmann

Von Dominique Bielmeier

Meißen. Busfahrer? Maximilian Schikore-Pätz stutzt. Hält die ältere Frau, die mit ihm auf der Holzbank an der Meißner Elbe kurz hinter der Knorre sitzt, den jungen Politiker gerade für einen Busfahrer? Wegen der Hitze hat er das dunkle Jackett abgelegt, das Hemd ist langärmlig und gut gebügelt. Wer den 27-Jährigen nicht kennt, könnte wirklich auf die Idee kommen, dass der junge Mann sein Geld hinter einem großen runden Steuer verdient. So richtig hat der Wahlkampf ja auch noch nicht begonnen, noch sind keine Straßenlaternen mit seinem großformatigen Porträt versehen.

Nein, nein, mich stört’s nicht, antwortet Schikore-Pätz gut gelaunt auf die Frage der Frau, ob sie sich eine Zigarette anzünden dürfe. „Wir sind ja draußen.“ Dann spricht er weiter über digitale Infrastruktur, Chancengleichheit, Parteienverdrossenheit ...

Die kurze Verwechslung hat den Kreisvorsitzenden der Meißner FDP weder aus dem Konzept noch um die gute Laune gebracht. Er ist der jüngste Kreisvorsitzende in der Geschichte der FDP Meißen und auch der jüngste Direktkandidat zur Bundestagswahl Ende September. Im Gespräch mit der SZ macht er sein Alter selbst immer wieder zum Thema. „Ich bin jung, ich habe Zeit“, sagt er einmal. Da hatte er gerade erzählt, dass er sich darauf freut, nach dem Wahlkampf mal wieder Zeit für ein gutes Buch zu haben. Aber: Sollte er dann nicht bestenfalls in Berlin sitzen und ganz große Politik machen?

Zur Person

1989 Am 7. November kommt Maximilian Schikore-Pätz in Meißen zur Welt. Er wächst in der Domstadt und der näheren Umgebung auf und besucht das Gymnasium Franziskaneum.

2008 Mit 19 Jahren tritt Schikore-Pätz in die FDP ein. Im selben Jahr absolviert er sein Abitur. Danach beginnt er ein Studium an der TU Dresden, das er als Diplom-Soziologe und Kommunikationswissenschaftler abschließt.

2009 Er wird Mitglied im Kreisvorstand der FDP Meißen.

2011 Auch im Landesvorstand der Jungliberalen Aktion Sachsen wird er Mitglied, zunächst als Beisitzer, dann als stellvertretender Landesvorsitzender.

2013 Schikore-Pätz wird Mitglied im Landesvorstand der FDP Sachsen. Bis 2015 ist er Beisitzer im Landesvorstand.

2016 Schikore-Pätz wird Kreisvorsitzender der FDP Meißen. Mit 26 Jahren ist er der jüngste Kreisvorsitzende in der Geschichte der Meißner FDP.

2017 Schikore-Pätz wird Mitglied im Landesvorstand der FDP Meißen. Er ist der Direktkandidat zur Bundestagswahl.

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Sechs Fragen an: Maximilian Schikore-Pätz (FDP)

Was wollten Sie einmal werden, als Sie noch ein Kind waren?

Archäologe.

Wer ist Ihr größtes Vorbild?

Odysseus.

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

In unserer Coswiger Wohnung im Spiegel – genauso gut in Form wie heute, nur zehn Jahre älter.

Welches sind Ihre drei besten Eigenschaften?

Leidenschaftliches Eintreten für meine Überzeugungen, Beharrlichkeit und meine klar verständliche, sächsische Aussprache.

Und was sind Ihre drei schlechtesten Eigenschaften?

Ungeduld, gelegentlich bin ich etwas zu impulsiv und selten multitaskingfähig.

Wenn Sie sich in einem Satz beschreiben müssten …

... dann würde ich meine Frau fragen!

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Doch Schikore-Pätz ist auch Realist: „Ich bin ein C-Kandidat, die FDP wird beim Direktmandat hier wohl leider keine Rolle spielen, das ist mir bewusst.“ So schlimm findet er das jedoch gar nicht. „Vielleicht ist es manchmal auch ganz gut, Erfahrungen zu sammeln.“ Warum er dann trotzdem die Mühen des Wahlkampfs auf sich nimmt? „Ich mache das ja nicht nur für mich“, erklärt Schikore-Pätz. In der FDP gebe es genügend gute und erfahrene Leute, die für Sachsen antreten wollen. „Klar mache ich für die Politik.“ Eine Politik, hinter der er seit fast zehn Jahren mit voller Überzeugung steht.

Was treibt einen jungen Menschen dazu, heute noch in die FDP einzutreten und Politik zu machen für eine Partei, die zuletzt fast vollständig in der Bedeutungslosigkeit verschwunden ist?

Bei Maximilian Schikore-Pätz war es eine Geschichts-AG im letzten Schuljahr am Meißner Franziskaneum, die den Ausschlag gegeben hat. „Da haben wir uns viel mit aktuellen politischen Themen beschäftigt und auch Politiker zu einer Podiumsdiskussion in die Aula eingeladen.“

Mit dabei war auch Martin Bahrmann, Ortsvorsitzender der Freien Demokraten in Meißen. Er trifft sich mit Schikore-Pätz zum Gespräch und lädt ihn danach immer wieder einmal zu sich ein. Und weil der junge Mann, seit er 16 ist, „ein gewisses Gutdünken zur liberalen Politik“ hat, tritt er dann relativ schnell selbst in die FDP ein.

Genau so schnell werden ihm verschiedene Aufgaben zugetraut, er wird stellvertretender Landesvorsitzender der Jungliberalen Aktion, dem Landesverband der Jungen Liberalen in Sachsen, dann Mitglied im Landesvorstand und im vergangenen Jahr Kreisvorsitzender der FDP Meißen. „Und der Vorsitzende hat ein gewisses Vorgriffsrecht auf den Direktkandidaten, so ist es ein logischer Schritt gewesen, mich hier zu engagieren“, erklärt Schikore-Pätz. „In einer Situation, in der die FDP ein modernes, junges Gesicht nach außen stellt, kann es nicht schaden, auch hier in Meißen mit einem eher jungen Kandidaten anzutreten.“

Wie jung die FDP, die sich inzwischen lieber „Freie Demokraten“ nennt, wirklich geworden ist, zeigt sich an den Themen, die Schikore-Pätz im Wahlkampf wichtig sind. Weil der Diplom-Soziologe für einen Dachverband für Jugendarbeit in Radebeul arbeitet, liegt ihm das Wohl von Kindern und Jugendlichen besonders am Herzen. Diese sollen zum Beispiel selbst entscheiden können, wie ein neuer Spielplatz aussehen soll. „Warum entscheiden das Erwachsene?“, fragt Schikore-Pätz.

In der Bildungspolitik fordert er nicht weniger als einen Neustart. Konkret heißt das zum Beispiel: in den nächsten fünf Jahren 1 000 Euro pro Schüler in die technische Ausstattung der Schulen zu investieren. „Bildung ist die größte Ressource, die wir haben“, sagt Schikore-Pätz. „Darin müssen wir investieren.“

Was für die Schulen gilt, hat nach Meinung des FDP-Politikers auch für den ländlichen Raum Bedeutung: Ohne Digitalisierung und schnelles Internet geht es nicht. „Aber wenn man von Lommatzsch nach Meißen fährt, kann man schon nicht mehr durchgängig mit dem Handy telefonieren.“

Immer wieder kommt Schikore-Pätz auf den ländlichen Raum und seine Probleme zu sprechen. Stichwort: Abwanderung in Städte. „Ich finde das ein Stück weit schade, kann es aber auch gut nachvollziehen“, sagt Schikore-Pätz. Er selbst ist aus seiner Heimatstadt Meißen nach Coswig gezogen, lebt dort mit Frau und Katze.

Der ländliche Raum sei – bei der digitalen wie der analogen Infrastruktur gleichermaßen – „ein bisschen ein Krisenthema“, sagt er und gibt offen zu: „Ich habe da selbst nicht immer das beste Konzept.“ Was er aber sagen kann, ist: „Egal, wie gut es uns wirtschaftlich geht, wir werden es nicht schaffen, überall ein Kino oder ein Theater vorzuhalten.“

Doch wenn der ländliche Raum bei der Kultur abgehängt werde, „brauchen wir uns über Auswüchse wie Pegida nicht zu wundern“. Wie in der Region allgemein mit Politik und Politikern umgegangen werde, mache Schikore-Pätz Sorgen. Dass zum Beispiel von Volksverrätern gesprochen wird oder Politiker wie der Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) Morddrohungen erhalten.

„Da mangelt es an vielen Stellen an politischer Bildung“, sagt Schikore-Pätz. Zu dieser gehört seiner Meinung nach auch das Wissen, dass nicht jeder Politiker hauptamtlich beschäftigt ist. „In der sächsischen FDP gibt es momentan noch genau einen Hauptamtlichen. Das ist der Landesgeschäftsführer.“ Alle anderen – auch er – machen die Arbeit ehrenamtlich.

„Ich finde es schade, dass es so eine Parteienverdrossenheit gibt“, sagt Schikore-Pätz. Für ihn sind Parteien eine legitime Interessenvertretung, die gut funktionieren können. Außerdem lerne man dort tolle Menschen kennen. Seine Frau, die ebenfalls FDP-Mitglied ist, habe er zum Beispiel in einem Wahlkampf getroffen.

Der älteren Dame von der Holzbank dämmert nach einer guten halben Stunde auch, wen sie eigentlich neben sich sitzen hat. „Tschüss und Entschuldigung, dass ich sie als Busfahrer erniedrigt habe“, sagt sie und holt ihr Fahrrad aus dem Ständer vor der Bank. „Kein Problem, das ist ja auch eine Region, in die man mal reisen kann“, kontert Schikore-Pätz.

Die Wahlplakate sind schon gedruckt.

Die Vorstellung des Kandidaten der Linken finden Sie hier