Merken

Der Radeburger Hof ist Geschichte

Der Radeburger soll verkauft werden. Über 40 Jahre schwang Wirtin Monika Krause hier die Bierkrüge am Tresen.

Teilen
Folgen
NEU!
© Kristin Richter

Von Birgit Ulbricht

Großenhain. Johannes Rentsch ist dieses Bild im Kopf: Er kommt mit dem Moped an und die Menschenschlange muss beiseitetreten, damit er durch den Hauseingang auf den Innenhof fahren kann. Das war zu tiefsten DDR-Zeiten. Am Radeburger war immer Betrieb. Johannes Rentsch ist das Dritte von fünf Kindern von Wirtin Monika Krause. Im Oktober hätte die Großenhainerin 41 Jahre hinterm Tresen gestanden. Doch am 20. Juli verstarb sie unerwartet, wie Johannes Rentsch erzählt. „Sie hatte den Stammgästen noch erzählt, dass sie am Wochenende wieder öffnet, aber dazu kam es nicht mehr.“ Die 76-Jährige hatte da schon 62 Jahre lang gearbeitet und nach dem Tod ihres Mannes die Kneipe allein weitergeführt. Ihre große Freude – die vielen Blumen und Pflanzen im Innenhof, die sie liebevoll pflegte. Sie sind schon abgeholt, jemand muss sich schließlich kümmern, sagt Johannes Rentsch. Ihn wie seine Schwester Kathrin Lambertz wundert es vor allem, dass so wenig bleibt, dass es kaum ein Wort von der Stadt, von Großenhainern gegeben hat, denn seit jenem 20. Juli ist der Radeburger Hof Geschichte.

An der Bundesstraße: Im Gegensatz zum Roten Haus gegenüber hat der Radeburger Hof den Schritt in die neue Zeit nicht mehr geschafft. Der Gasthof liegt an der Ecke zum Steinweg.
An der Bundesstraße: Im Gegensatz zum Roten Haus gegenüber hat der Radeburger Hof den Schritt in die neue Zeit nicht mehr geschafft. Der Gasthof liegt an der Ecke zum Steinweg. © Kristin Richter
Gastraum steht leer: Seit 20. Juli steht der Gastraum plötzlich leer. Die Wirtin wollte nach einer OP wieder öffnen, aber dazu kam es nicht mehr. Sie wohnte über der Wirtschaft.
Gastraum steht leer: Seit 20. Juli steht der Gastraum plötzlich leer. Die Wirtin wollte nach einer OP wieder öffnen, aber dazu kam es nicht mehr. Sie wohnte über der Wirtschaft. © Kristin Richter
Wände voller Deko: Noch aus der Sammlung ihres Mannes stammen die Wände mit Werbegeschenken von Brauereien – kleine Modell-Lkw aus etlichen Jahrzehnten.
Wände voller Deko: Noch aus der Sammlung ihres Mannes stammen die Wände mit Werbegeschenken von Brauereien – kleine Modell-Lkw aus etlichen Jahrzehnten. © Kristin Richter

„Wir werden hier nicht weitermachen“, sagt Johannes Rentsch, der mit seiner Schwester in Stadtlohn bei Münster wohnt. Auch von den anderen Geschwistern ist keiner in der Gastronomie gelandet, obwohl sie die Schankwirtschaft am Radeburger Platz von Kindertagen an kennen. Tatsächlich ist es schwierig, über die eigentlich stadtbekannte Kneipe historisches Material zu finden. Sie wird zunächst als Garküche Großenhain und Spezial-Ausschank der Stadtbrauerei geführt, mit gutem bürgerlichem Mittagstisch. Ab 1920 heißt das Restaurant „Zur Garküche“ dann „Radeburger Hof“, 1977 wurde Monika Krause Inhaberin des Gasthofs. Und während draußen vor der Haustür die Namen des Platzes je nach den politischen Umständen wechselten, blieb der Radeburger Hof bis jetzt, was er seitdem war – eine Schankwirtschaft. Die Offiziere vom Flugplatz machten den Radeburger Hof zu DDR-Zeiten schnell zur Russenkneipe. Hier wurde bei manchem Krug Bier so manches Geschäft abgeschlossen. Regisseur Thomas Jacob, ebenfalls ein Kind dieser Stadt, brachte die bekannte Eckkneipe 4. März 1990 im Polizeiruf 110 mit einer Sequenz ins Fernsehen. „Tödliche Träume“ hieß er Streifen der Folge 136, der mit den Ermittlern Peter Borgelt, Jürgen Frohriep und Andreas Schmidt-Schaller die Machenschaften im Gebrauchtwagenhandel beleuchtete.

Doch das ist alles Vergangenheit, graue DDR-Vergangenheit, aus der der Radeburger Hof nie so recht herausgekommen ist. Vielleicht war das sein Charme oder sein Pech, denn am Radeburger Platz donnerten von Jahr zu Jahr mehr Lkw vorbei. Der früher geräumige Vorplatz war längst wegen der Bundesstraße geschrumpft. Draußen zu sitzen – ein Unding. „Hier kommt man nicht mal über die Straße am Steinweg – ich bin entsetzt“, sagt Johannes Rentsch. „Bis zur Landesgartenschau 2002 fand ich, dass sich Großenhain ganz gut macht, aber inzwischen ist die Fehlplanung vor allem beim Stadtverkehr offensichtlich“, findet Rentsch. Zurückkommen würde er nicht. Und was aus den Häusern hier werden soll, weiß er auch nicht so recht.