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Der Profi

Marcus Hesse spielte in der Bundesliga und war beim Uefa-Cup dabei. Nun beendet er seine Karriere in Riesa.

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© Sebastian Schultz

Von Christoph Scharf

Riesa. Mit dem Kader von Alemannia Aachen ist Marcus Hesse beim Uefa-Cup durch Europa gereist. „Wir waren in Sevilla, Athen und St. Petersburg“, erinnert sich der 34-Jährige. Für Aachen stand er in der Bundesliga gegen Wolfsburg und den HSV im Tor. Seine letzten Gegner aber hießen Reichenbach und Pirna-Copitz: Der Torwart lässt seine Fußballkarriere bei Stahl Riesa ausklingen. „Bei der BSG hat man mich sehr gut aufgenommen und mir das Gefühl gegeben, gebraucht zu werden.“

Marcus Hesse spielte von 2007 bis 2009 bei Dynamo Dresden.
Marcus Hesse spielte von 2007 bis 2009 bei Dynamo Dresden. © Archivfoto: Robert Michael

In wenigen Tagen läuft er noch einmal in der Feralpi-Arena neben der Nudelfabrik auf: Dann erwartet sein Verein Dynamo Dresden zum Testspiel. Der gebürtige Dresdner freut sich auf ein Wiedersehen mit dem einstigen Profi Cristian Fiél, Jugendtrainer bei Dynamo. „Mit dem habe ich damals bei Aachen gespielt.“ Dort, in Deutschlands westlichster Großstadt, erlebte Hesse die Höhepunkte seiner Karriere, die er als Fünfjähriger in seiner Heimatstadt begonnen hatte. Damals hatte ihn sein Vater zur SG Dresden Striesen mitgenommen. „Ich hatte schon als Kind sehr viel überschüssige Energie, die musste irgendwo hin.“ Eigentlich hatte er Angler von Beruf werden wollen: Wenn die Großeltern angelten, schaute der Steppke fasziniert zu. Auch Müllmann stand auf der Wunschliste. „Aber dann ist mir schnell klar geworden, dass ich Fußballprofi werden kann.“ Denn Marcus Hesse zeigte überdurchschnittlich viel Talent – landete in der Bezirksauswahl, in der Landesauwahl, schließlich in der deutschen Jugend-Nationalauswahl. „Dort habe ich auch mit Bastian Schweinsteiger zusammen gespielt.“ Viele Mitspieler aus der Zeit wurden bekannt – René Adler etwa, Alexander Ludwig, David Odonkor.

Für die Karriere von Marcus Hesse war ein Spiel für die U 17 entscheidend. Dort wurde er von Christian Titz entdeckt – der heutige Trainer des HSV Hamburg trainierte damals die U-19-Mannschaft von Alemannia Aachen. „Der rief meine Eltern an, weil ich noch minderjährig war“, erinnert sich Hesse. „Ich hätte seinerzeit auch zu Schalke oder Gladbach gehen können. Aber Titz versprach mir, dass ich in Aachen mit den Profis trainieren darf.“ So kam der Wechsel an die belgische Grenze. Dort sollte der Dresdner bei einer Gastfamilie einziehen – aber die musste kurzfristig ihr Haus verkaufen. So bezog der Minderjährige seine erste eigene Wohnung, die manchmal chaotisch aussah. „Aber der Trainer hat sich sehr um mich gekümmert.“

Sechs Jahre gehörte der Torwart zum Profikader. Dann wechselte er von Aachen zu Dynamo Dresden. Eine Zeit, an die er mit gemischten Gefühlen zurückdenkt. „Nach der Dynamo-Legende Ignjac Krešic im Tor zu stehen, wäre für jeden schwer gewesen.“ Hesse macht sich zusätzlich Druck. „Ich wollte immer trainieren, spielen, Gas geben“, erinnert er sich. Rücksicht auf den Körper nahm er kaum: 27 Verletzungen kamen in seiner Profizeit zusammen. Sprunggelenk, Knie, Hüfte. „Irgendwann sagten die Ärzte zu mir: Mit dem Profifußball ist es vorbei“, sagt der 34-Jährige. Ohnehin sei das Leben als Profi kein Zuckerschlecken – jedes Wochenende unterwegs; nur montags mal einen Tag frei, wenn die Freunde keine Zeit haben. „Viele Profis leben wie in einer Seifenblase.“

Wichtig sei es, auch den Absprung finden zu können. Viele fallen nach Karriereende in ein Loch – nachdem sie teils an Riesengehälter gewöhnt waren. „Vielen geht das Bewusstsein ab, dass es im Fußball schnell vorbei sein kann.“ Wer als junger Mensch 30 000 Euro im Monat verdient, kommt danach mit 2 500 Euro netto nur schwer zurecht.

Marcus Hesse dagegen ist der Anschluss gelungen: Sein Bruder ist schon seit 2007 im Onlinebusiness unterwegs. Gemeinsam betreiben sie das Dresdner Unternehmen Netzproduzenten.de, das Online-Shops beim Marketing und der Suchmaschinenoptimierung berät. „Das Geschäft läuft sehr erfolgreich“, sagt Hesse. Dennoch: Stünde er noch einmal am Anfang, würde sich Marcus Hesse noch einmal für den Fußball entscheiden. „Es gibt nichts Besseres, als mit dem Hobby sein Geld zu verdienen. Ich würde dann aber mehr auf meinen Körper hören.“

Bald geht es Hesse ruhiger an. Der BSG will er als Torwarttrainer erhalten bleiben und im Notfall noch als Spieler zur Verfügung stehen. In seiner Freizeit stehen Wandern und Radfahren in der Sächsischen Schweiz auf dem Programm – mit der Freundin, den Eltern, dem Freundeskreis. „In Riesa möchte ich mich für die Unterstützung durch die Zuschauer bedanken. Das bedeutet mir sehr viel“, sagt Hesse. Am 29. Juni um 18 Uhr werden sie ihn noch einmal auflaufen sehen.