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Der Pförtner vom Kanzleramt

Kabarettist Lothar Bölck besucht auf Abschiedstournee seine Lieblingsbühnen. Eine davon steht in Dresden.

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© Detlef Schroeder

Von Nadja Laske

Wasser oder Wald, das ist die Frage. Vom Arbeitszimmer aus sieht Lothar Bölck ins Grüne. Jedenfalls dann, wenn er mal den Blick vom Bildschirm abwendet. Zum Denken schaut der Kabarettist gern auf den Fluss. Denn fließende Gedanken braucht, wer Worte im Schwall verarbeitet. So wohnt Bölck perfekt in Frankfurt direkt an der Oder. Von dort aus reist er zu zahlreichen Gastspielen im ganzen Land und zu den Dreharbeiten für die Satire-Sendung „Kanzleramt Pforte D“, die jeden Sonntagabend im MDR zu sehen ist.

Seit seinem 65. Geburtstag im Januar befindet sich Lothar Bölck auf einer Art Abschiedstournee. Nicht, dass er verstummen und die Welt verdummen lassen wollte. Nur mit immer neuen Soloprogrammen mag er nicht mehr auf Tour gehen. Dafür lässt er sich für sein Ade reichlich Zeit. Rund 90 Auftritte plant Lothar Bölck im Laufe seiner dreijährigen Tour. Der Fernsehgemeinde bleibt er indes treu, und selbst live soll ihn sein Publikum als Gastspieler erleben können. Doch vorerst gibt er einer Sehnsucht statt: „Bis zum 27. Januar 2021 will ich alle Bühnen, auf denen ich gern aufgetreten bin, noch einmal besuchen.“ Eine davon befindet sich dort, wo die Zuschauer zum Lachen in den Keller gehen – im Dresdner Comedy und Theater Club. In der Tiefe des Kügelgenhauses an der Hauptstraße wird er am Sonnabend Reste seines Pförtnerdaseins offerieren.

Bevor Lothar Bölck Künstler wurde, gehörte er zum Gegenstand seiner eigenen Kabarettistengeneration. Als studierter Ökonom arbeitete er im Außenhandel und machte Spiel- und Sportwaren made in GDR zu dringend benötigten Devisen. „Ich habe Camping- und Tauchausrüstungen ins französischsprachige Ausland vertrieben. Die DDR war spitze in der Produktion von Zelten und Faltbooten.“, erzählt er. Mit dafür zu sorgen, dass Produkte das Land verlassen, die von den eigenen Leuten so vermisst werden, Mangelwaren bei westlichen Discountern und Versandhäusern angepriesen zu sehen, das ärgerte Lothar Bölck auf Dauer so, dass er die Chance ergriff, beruflich völlig neu zu starten.

Das war in den 80er-Jahren, als staatlich verordnet Berufskabaretts gegründet wurden, sozusagen als Ventil für die Bevölkerung. „Ich hatte schon in meiner Freizeit Kabarett gemacht und bekam Engagements in verschiedenen Ensembles.“ Bei den Kugelblitzen und in der Zwickmühle in Magdeburg spielte er, später an der Leipziger Pfeffermühle. Aus dieser Zeit stammen seine Freundschaften zu Berufskollegen wie Manfred Breschke, Uwe Steimle und auch zu Wolfgang Stumph. „In dessen Film „Heimweh nach drüben“ hatte ich sogar mal eine kleine Rolle.“ Seit 2005 ist Lothar Bölck als Solokünstler unterwegs.

Der Klassenkasper sei er nie gewesen, erinnert sich der 65-Jährige an seine Schulzeit. Aber Otto nachgespielt habe er und Herricht und Preil bewundert. „Ich möchte mal neben Rolf Herricht beerdigt werden.“ Auf dem Berliner Dorotheenstädtischen Friedhof ruhen Friedrich Hegel, Bertolt Brecht und Helene Weigel, Hans Mayer, Heiner Müller und Johannes Rau. Neben seinem satirischen Idol sei noch Platz, sagt Bölck. Aber noch hat er viel vor. Zum Beispiel, einen Roman zu schreiben. Der ist schon in Arbeit und wird eine Art „Autobiografie in der dritten Person.“ Möglich, dass der Leser darin erfahren wird, dass Lothar Bölcks Mutter eine außergewöhnlich starke Frau aus der Wolgageneration war, die tags als Flickschneiderin arbeitete, abends ihre drei Kinder versorgte und nachts für Bekannte schneiderte, um die Familienkasse aufzubessern. „Als ich sechs Jahre alt war, ließen sich meine Eltern scheiden“, erzählt Bölck. Seinen Vater hat er als Bohemien in Erinnerung: weltgewandt und elegant.

Auch ein eigenes kleines Theater will Lothar Bölck gründen. FKK soll es heißen – Frankfurts kleine Komödie. Zu tun ist immer. Satire bringt nur zuwege, wer sich ständig über den Weltenlauf informiert. So gehören Nachrichten, Dokumentationen, Talkrunden zum ständigen Konsum. „Ich versuche auch, so viel wie möglich mit den verschiedensten Menschen ins Gespräch zu kommen.“ Deshalb ist Lothar Bölck gern unterwegs, am liebsten mit dem Auto und gern mit seiner Freundin, die zwar etliche Jahre jünger als er ist, aber keine Trophäe. „Sie hat sich mich nämlich ausgesucht“, betont er und erzählt, dass er einst auf ihrer Jugendweihe auftrat, woran zumindest sie sich noch erinnerte, als sich die beiden später verliebten. Und eine weitere Leidenschaft pflegt Lothar Bölck: „Ich bügle für mein Leben gern!“ – ohne Witz.

Pfortissimo oder Rest of Pförtner, 25. August, 20 Uhr, Comedy & Theater Club, Hauptstraße 13, 4644877