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Der offene Brief der Lehrer des Gymnasiums Dresden-Cotta

Halbherzigkeit, Hohn und Herabsetzung - Droht eine Spaltung im Lehrerzimmer? Ministerpräsident Kretschmer hat für einen starken gesellschaftlichen Zusammenhalt im Freistaat mit dem Slogan „Unser Plan für Sachsen: Zusammenhalt festigen, Bildung sichern, neue Wege gehen“ geworben.

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Halbherzigkeit, Hohn und Herabsetzung - Droht eine Spaltung im Lehrerzimmer?

Ministerpräsident Kretschmer hat für einen starken gesellschaftlichen Zusammenhalt im Freistaat mit dem Slogan „Unser Plan für Sachsen: Zusammenhalt festigen, Bildung sichern, neue Wege gehen“ geworben. Sieht so dessen Umsetzung aus?

Das von der Staatsregierung vorgelegte Handlungsprogramm für „nachhaltige Sicherung der Bildungsqualität“ stellt eine ernste Bedrohung für den Frieden im Lehrerzimmer dar! Kultusminister Christian Piwarz will durch die Verbeamtung der Lehrer, welche noch nicht das 42. Lebensjahr vollendet haben, die Attraktivität des Lehrerberufes steigern und damit nun endlich gegen den seit Jahren bestehenden massiven Lehrermangel vorgehen. Es scheint der Sächsischen Staatsregierung unmöglich gewesen zu sein, solide und belastbare Zahlen bei Schulanfängern einerseits und bevorstehender Verrentung von Kollegen andererseits zu erheben. Die einen haben ganz plötzlich ihr Rentenalter erreicht und die anderen wurden unerwartet Schulkinder!

Der verbeamtete Lehrer erhält, ohne mehr Leistungen als die anderen Lehrer zu erbringen, ein Gehalt, welches zwischen 500 und 1 000 € netto über dem der angestellten Lehrer liegt, ganz zu schweigen von den gravierenden Unterschieden zwischen Beamtenpension und Angestelltenrente. Die Anerkennung für die Lehrer, die während der vergangenen Jahrzehnte ihren Dienst gewissenhaft und engagiert geleistet haben, soll nach Ansicht des Kultusministers aus einem frei aufteilbaren Prämienbudget bestehen oder für 20 % dieser Pädagogen eine Höhergruppierung in die nächste Entgeltgruppe ermöglicht werden.

Wir Ü42, übrigens ca. 75% der Lehrerschaft, sind empört und fühlen uns vonseiten der Sächsischen Regierung verhöhnt. Wir haben über Jahre hinweg den Schulbetrieb unter dauerhaftem Sparzwang, Zwangsteilzeit oder Stundenzahlerhöhung (die vorübergehend sein sollte) aufrechterhalten. Wir haben in der Anfangszeit auftretende Mängel in Fächern wie Englisch, zweiter Fremdsprache, Ethik, GRW, Informatik einen sich abzeichnenden Lehrermangel kompensiert, indem wir zusätzlich zu unserer Unterrichtsverpflichtung ein berufsbegleitendes Studium absolvierten und parallel dazu bereits in diesen Fächern unterrichteten. Mehr noch, wir haben unsere Schülerschaft stetig zu überdurchschnittlichen Ergebnissen bei Schulvergleichen geführt. Dass sächsische Absolventen an den Unis gern gesehen werden, fußt auf unserer Arbeit. Nicht zuletzt haben viele von uns mit großem Einsatz außerunterrichtliche Aktivitäten begleitet.

Was meint die Staatsregierung, wie sich ihre „Wertschätzung“ auf die Motivation der Lehrkräfte auswirkt? Sollen wir Alten alle Tätigkeiten, außerhalb des Unterrichtens, wie Betreuung von Referendaren, Organisation von Exkursionen oder Wandertagen, die Begleitung bei Klassenfahrten oder Sprachreisen, die Ausgestaltung von Schulfesten, die Fachkonferenzleitung oder auch sonderpädagogische Förderung … an die deutlich besser bezahlten jüngeren Lehrkräfte delegieren? Eine entsprechende Anfrage eines Ü42-Kollegen im Blog des SMK wurde sehr zynisch mit einem Zitat des dänischen Philosophen S. Kierkegaard beantwortet: „Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.“ Weiterhin wurde dem Kollegen empfohlen, über eine Teilzeitvariante nachzudenken, wobei er sich dann ja selbst bestrafe und der „Geldsegen“ ausbliebe.

Dem SMK scheint nicht bewusst zu sein, dass oben genannte Aufgaben, gleich gar nicht die Tätigkeit eines Klassenleiters, um die erwähnten 25% gemindert werden können!

Die jungen Kollegen – auf deren spritzige, neue Ideen wir jahrzehntelang verzichten mussten, befürchten nun, dass ein kollegialer Erfahrungsaustausch nicht mehr stattfinden wird und sie mit den meisten Aufgaben des schulischen Alltags allein gelassen werden. So viele, das alles zu stemmen, sind sie aber gar nicht. Eine solche Spaltung des Lehrerzimmers darf niemand wollen!

Die neue Landesregierung hat durch ihre Ankündigung, die Bedingungen der Lehrer zu verbessern, sehr viel Hoffnung geweckt. Die jetzt angekündigten Maßnahmen kommen aber praktisch nur den Kollegen U42 zugute. Nachhaltigkeit besteht nicht darin, Löcher aus der Not heraus zu stopfen, indem man bei der Minderheit der Gymnasiallehrer Begehrlichkeiten weckt und die Mehrheit Ü42 diskriminiert.

Uns verbindet der Wunsch, optimale Rahmenbedingungen für Bildung und Erziehung vor allem im Interesse unserer Schüler zu schaffen, deshalb lassen Sie uns in den Dialog eintreten zu nachhaltiger Bildungsqualität (siehe auch Petition „Mensch, Sachsen“ von Manuela Haenelt und Susann Weber).

Unter Wertschätzung verstehen wir: gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit!

Unter Wertschätzung verstehen wir: ins Gespräch kommen!

Kolleginnen und Kollegen des Gymnasium Dresden-Cotta