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Der Neue bei Neways

Ein Niederländer leitet jetzt den Riesaer Standort des Elektronik-Riesen – und will mehrere Herausforderungen angehen.

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© Sebastian Schultz

Von Stefan Lehmann

Riesa. Als er zum ersten Mal in Riesa ankam, da sei er überrascht gewesen, gesteht Wim-Jan van Rooijen. „Ich wusste, dass hier die Elbe fließt und dass hier Nudeln produziert werden“, sagt er und lacht. Bekannte hätten ihn dagegen eher mitleidig angeschaut, als er sagte, dass dort Aussicht auf einen neuen Job bestünde. „Aber Riesa ist ein nettes kleines Städtchen, die Elbe ist hier schöner als in Dresden“, erzählt er. „Man muss das Schöne sehen, das habe ich von meinem Sohn gelernt.“

Mehr als 900Mitarbeiter zählt Neways in Riesa nach Konzernangaben mittlerweile. Von hier aus wird außerdem der Standort in Decín geleitet.
Mehr als 900Mitarbeiter zählt Neways in Riesa nach Konzernangaben mittlerweile. Von hier aus wird außerdem der Standort in Decín geleitet. © Sebastian Schultz

Die Stelle in Riesa hat der 61-Jährige schlussendlich bekommen: Seit September ist van Rooijen neuer Geschäftsführer bei Neways in Riesa. Er folgt auf Oliver Seifert, der den Standort zwei Jahre lang geleitet hatte. Man habe sich nicht im Streit getrennt, betont Neways-Vorstand Huub van der Vrande. „In Holland trennt man sich, bevor es zu einem großen Konflikt kommt.“ Nachdem Seiferts Abschied klar war, musste ein Nachfolger her. Wenn aus der Chefetage jemand geht, dann klafft „oft sehr lang ein Loch“ an dieser Stelle, sagt der Wim-Jan van Rooijen. In diesem Fall war das nicht so.

Seine erste Berufserfahrung nach der Fachhochschule sammelte van Rooijen bei einem niederländischen Unternehmen, das Fahrradreifen produzierte. Er war Teil einer Projektgruppe, die sich mit der automatisierten Produktion beschäftigte. Danach ging es in die Halbleiterindustrie. „Ich war 24 Jahre bei Siemens, später Infineon“, erzählt der Niederländer. „Eigentlich wollte ich in die USA“, sagt er und muss schmunzeln. „Da dachte ich: Das geht auch mit Siemens.“ Stattdessen folgten Stationen in Norwegen, Singapur, Frankreich und verschiedenen deutschen Städten.

In den bisherigen Unternehmen sei er immer so etwas wie ein Feuerwehrmann gewesen, „jemand, der kommt, wenn es Probleme gibt, die gelöst werden müssen“. Der letzte Arbeitgeber sei in Berlin gewesen, aber der Vertrag lief aus und es sei klar gewesen, dass es keinen neuen geben würde. Im Juli dann habe er sich mit dem Neways-Vorstand getroffen. Danach ging es relativ schnell: Seit September ist van Rooijen neuer Geschäftsführer in Riesa. „Was sich gut anfühlt, kann man auch schnell entscheiden“, sagt Huub van der Vrande dazu. Neways ist das bisher größte Unternehmen, das „der Neue“, wie er sich der Belegschaft vorgestellt habe, bisher leitet. Wobei das letztlich kein größerer Unterschied sei. „Mein Job ist eigentlich, dafür zu sorgen, dass die Leute miteinander kommunizieren. Ich muss den Weg dafür frei machen, dass die Mitarbeiter ihre Arbeit erledigen können.“ Kommunikation, das ist sein großes Stichwort. Die ersten fünf Minuten am Tag gehören dem Plausch mit der Dame am Empfang. Außerdem sei es sein Ziel, mindestens einmal in der Woche durch die Halle des Unternehmens zu laufen und die Leute zu treffen. Alle sieben Wochen soll es außerdem eine Informationsveranstaltung in der Firma geben, in der über den Konzern informiert wird, und in der auch offen mit dem Geschäftsführer gesprochen werden kann. Ein Credo, das Vorstandschef van der Vrande teilt: „Wenn wir Schulter an Schulter stehen, können wir viel bewirken. Aber wir müssen einander blind vertrauen können.“ Kommunikation sieht er dafür als wichtigen Baustein.

Ein bisschen Vermittler will van Rooijen ebenfalls sein. Er wolle versuchen, die beiden Kulturen zusammenzubringen, die niederländische und die deutsche. Wer könnte besser dafür geeignet sein als der Niederländer, der jahrelang in deutschen Firmen gearbeitet hat? „Ich sage immer: Das Einzige, das an mir noch niederländisch ist, ist mein Ausweis“, sagt Wim-Jan van Rooijen und grinst.

Frank und frei sagt er, dass für Riesa eben auch die Nähe zu Dresden eine Rolle gespielt hat, wo er und seine Familie längst ihren Mittelpunkt haben.

Ein Ziel dürfte für den neuen Chef besonders große Herausforderung darstellen: die Mitarbeitergewinnung. 922 Mitarbeiter zählt der Standort in Riesa zurzeit, sagt Huub van der Vrande. Dem Konzern gehe es gut, in der Branche gebe es ein unglaubliches Wachstum. Um mehr Aufträge zu bewältigen, wären eigentlich mehr Mitarbeiter nötig. Um die zu bekommen, will der Elektronik-Riese auch in der Öffentlichkeit wieder präsenter werden. Er sei neulich beim Wirtschaftsforum gewesen. „Da habe ich viel über Wacker gehört, übers Stahlwerk und so weiter.“ Nur über Neways sei kein Wort gefallen. „Das muss sich ändern.“ Deshalb habe er noch während der Veranstaltung den Oberbürgermeister eingeladen, schon in der vergangenen Woche sei Marco Müller (CDU) zu einer Führung durch die Halle erschienen. „Neue Leute kann ich nur aus der Umgebung bekommen – und dafür brauche ich die Politik.“ Denn die müsse Bedingungen schaffen, um beispielsweise die Fachkräfte für Neways zu schulen. Die Belegschaft könnte übrigens zunehmend aus Quereinsteigern bestehen. Was die gelernten Fachkräfte anbelangt, macht er sich keine Illusionen: „Der Markt ist abgegrast.“

Ein Elektronik-Unternehmen, das auf umgeschulte Kräfte setzt – das ist keine utopische Idee, wie van Rooijen aus eigener Erfahrung weiß. Er erzählt von einer Firma in Magdeburg, für die er einmal gearbeitet hat. „Wir hatten dort acht oder zehn Hausfrauen, die konnten nach zwei Monaten besser löten als unsere Ingenieure.“