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Der letzte Sachsenkönig auf Huldigungstour

1907 reiste Friedrich August III. an einem einzigen Tag in 15 Orte der Oberlausitz. Das sorgte nicht nur für Freude.

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© SZ-Archiv

Von Bernd Dressler

Wenn sich ein Jahr dem Ende zuneigt, ist auch für Ortschronisten die Zeit der Resümees gekommen. Welches Ereignis prägte das Jahr? Vor 110 Jahren dürfte die Antwort übereinstimmend gelautet haben: der Besuch König Friedrich August III. in der Oberlausitz. Die eintägige Reise des letzten Sachsenkönigs am 3. Juli 1907, die von Schirgiswalde über Neugersdorf, Löbau und viele andere Orte zurück nach Bischofswerda führte, hatte es nicht nur wegen der vielen Stationen in sich.

In Seifhennersdorf wurde er am alten Gemeindeamt von Honoratioren erwartet.
In Seifhennersdorf wurde er am alten Gemeindeamt von Honoratioren erwartet. © SZ-Archiv

„Den müssen wir sehen“, hieß es unter den Bewohnern, als die Nachricht vom Kommen des Monarchen die Runde machte. Friedrich August III. galt im Gegensatz zu seinen Vorgängern wegen seiner Lauterkeit, Leutseligkeit und sächselnden Unbekümmertheit als ein Herrscher zum Anfassen. Die Honoratioren der Orte, die er an jenem Sommertag durchreiste, überboten sich folglich in Huldigungszeremonien. Sie wollten ihre Kommunen im besten Licht erscheinen lassen.

Neugersdorf bemühte sich nach Kräften, seinen hohen industriellen Stellenwert in der Region zu unterstreichen. Da kam eine Ausstellung über „großindustrielle Erzeugnisse Neugersdorfs“ in der Turnhalle der neuerbauten Fichteschule gerade recht. Einen Eindruck von der Königsbegrüßung vermittelt eine Zeitzeugen-Schilderung, die im Heft 12/1996 der Neugersdorfer Beiträge zur Heimatgeschichte zu finden ist. „Gegen 12 ¼ Uhr endlich verkündeten Signalschüsse das Nahen des Königs. Glockengeläut setzte ein, Böller donnerten, Musik spielte und unter Hochrufen bog das Königs-Automobil in die Schillerstraße ein.“ Er freue sich, so der König im unverfälschten sächsisch, dieses „sich seines Weltrufes erfreuende Neugersdorf“ kennenzulernen. Und er konstatierte, dass die Verwaltung so einer Industriegemeinde bestimmt nicht leicht sei. Ähnlich der Besuch in Seifhennersdorf, wo er ein Spalier von Gemeindeoberen und Vereinsvertretern abschritt und sich in der Oppeltschen Fabrik interessiert die Schuhproduktion anschaute. In Neueibau lobte der Monarch die „geschmackvolle, einen besonderen Stil zeigende Schule“, die damals kurz vor der Einweihung stand.

Vor allem der aufstrebenden einheimischen Wirtschaft kam der Besuch sehr gelegen. Die Unternehmen, die der vielseitig interessierte Monarch inspizierte, wurden damit erheblich aufgewertet, bekamen eine zugkräftige Werbung für ihre Erzeugnisse. Und die Fabrikbesitzer nutzten die günstige Gelegenheit ihr soziales Licht strahlen zu lassen. So spendete Textilfabrikant Max Hoffmann in Eibau 10 000 Mark für die Gemeinde-Diakonie und den Bau des Volksbades. In Großschönau gab es von Rittmeister Häbler und der Gemeinde 5 000 Mark für ein neues Krankenhaus, in Leutersdorf 7 000 Mark für die örtliche Krankenpflege. Diese Stiftungen konnten sich ziemlich sicher sein, den Namen Seiner Majestät tragen zu dürfen.

Doch nicht an allen Stationen verlief die Besuchsreise eindrucksvoll und glatt. Schon am Vormittag war nach Aufenthalten in Schirgiswalde, Oppach und Neufriedersdorf die Zeit so weit vorangeschritten, dass in Ebersbach trotz großen Bahnhofs nicht einmal die Zeit zum Stopp der Autos blieb. In Spitzkunnersdorf und auch in Ruppersdorf gab es nur ein kurzes Begrüßungszeremoniell, in Leutersdorf und Oderwitz hielten die Autos wenige Minuten und der König stieg nicht aus.

Das erregte die Gemüter. Immerhin hatten beispielsweise in Leutersdorf Schüler „2 Stunden lang in musterhafter Ordnung ausgeharrt“ – ohne den König zu sehen, zumal wegen Regenwetters das Verdeck des Wagens geschlossen blieb. Von vielen bemängelt wurde daher das völlig überladene Programm der Reise, für das das Zeitbudget viel zu klein war. Der König sah das ähnlich und kritisierte die Verantwortlichen, sowohl am Hofe als auch vor Ort. Seine Unzufriedenheit darüber soll er so ausgedrückt haben: „Ich habe wieder so viel als Tafelaufsatz dienen müssen, daß ich todter als todt bin.“

Bei aller Volkstümlichkeit blieb Friedrich August der III. in höfischen Konventionen gefangen und hatte seine Eigenheiten. Als Militär, der die Offizierslaufbahn durchlaufen hatte, war er meist in Generalsuniform unterwegs und erwartete auch von seinen Gastgebern ein Auftreten in Uniform. Doch in Zittau wurde er vom damaligen Oberbürgermeister Dr. Wilhelm Külz in Zivil empfangen. Külz war der Meinung, dass sich ein ziviles Amt mit einer Uniform nicht vertrage. Wie der Historiker und König-Biograf Walter Fellmann herausfand, missdeutete der Monarch das Auftreten des OB. Er glaubte, Külz habe sich wegen seines niedrigen militärischen Ranges (Oberleutnant der Reserve) geniert, eine Uniform zu tragen – und beförderte ihn deshalb umgehend zum Hauptmann.

Dennoch bekam die Beliebtheit des Wirtschaftsförderers, Jagdliebhabers und Kunstmenschen Friedrich August III. im Volk nur wenig Kratzer. Als der König 14 Jahre nach seinem Rücktritt am 18. Februar 1932 starb und am 23. Februar in Dresden beigesetzt wurde, war er nicht aus den Augen, aus dem Sinn. Ein Spalier Hunderttausender säumte den Trauerzug. Zu denen, die ihm die letze Ehre erwiesen, gehörten auch viele Oberlausitzer.