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Der Leiser-Macher

Die Schmiede wechselt die Tore. Die neuen schlucken bis zu 30 Dezibel und scheppern nicht.

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© Anne Hübschmann

Von Birgit Ulbricht

Großenhain. Wolfgang Pradella hat sogar noch ein neues Holzrolltor anfertigen lassen. Er muss selber schmunzeln. Denn kurz darauf hat es sich der Schmiede-Chef anders überlegt. Jetzt kommt das Holztor wieder raus und die anderen alten Holzrolltore auf der Rückseite der Schmiede alle mit. Denn die Schmiede ist gut zehn Jahre nach der letzten Lärmsanierung gerade dabei, sich auf den neuesten Stand zu bringen. Im Jahr 2007 war die schallschluckende blaue Verbundglasfensterfront zum Wohngebiet Kupferberg eine von vielen Maßnahmen, um leiser zu werden.

Mike Grauer hat einen ungewöhnlichen Auftrag: Er mauert eine alte Toröffnung zu, die nicht mehr gebraucht wird.
Mike Grauer hat einen ungewöhnlichen Auftrag: Er mauert eine alte Toröffnung zu, die nicht mehr gebraucht wird. © Anne Hübschmann
Die klappernden Lamellentore kommen heraus – dafür werden schallgedämmte Segmenttore eingesetzt.
Die klappernden Lamellentore kommen heraus – dafür werden schallgedämmte Segmenttore eingesetzt. © Anne Hübschmann

Die Fassade der altehrwürdigen Schmiede wurde komplett mit Sandwich-Platten abgehangen. Eine Konstruktion aus Stahl und Schaumstoff schluckte ab da die Schwingungen. Überflüssige Türen und Fenster wurden zugemauert und ebenfalls verkleidet. Das alles kostete damals bereits rund 600 000 Euro. Die Schmiede hauste sich ein. Damals eine Auflage des Regierungspräsidiums. Seitdem hält die Schmiede die geforderten Schallschutzwerte ein.

„Aber gerade bei der Hitze, wenn alle die Fenster nachts öffnen, empfinden das die Anwohner natürlich anders“, ist sich Wolfgang Pradella im Klaren. Schließlich arbeite der Betrieb dreischichtig, die Auftragsbücher sind voll. 150 Menschen arbeiten hier, die meisten haben Familie. Für die Stadt ist das Unternehmen eine feste Steuergröße, mit der sie rechnet.

Mit Wagenachsen zur Pariser Weltausstellung

1896 wurde die Fabrik im einst selbstständigen Mülbitz durch den Dresdner Industriellen Otto Günther eröffnet. Er hatte die Schneidemühle gekauft und entwickelte sie zur Herstellung von ausklinkbaren Wagenachsen. Otto Günther war 30Jahre alt, als er mit seinem Patent auf Federwagen die Großproduktion in Mülbitz begann. Seine Erfindung hatte ihm auf der Pariser Weltausstellung einen Preis von 90000 Mark eingebracht. Der erste Dampfhammer kam schon ein Jahr später.

1905 ging die Firma Konkurs, wurde vom Berliner Otto Gieseke übernommen und hieß Berliner Wagenachsenfabrik und Dampfhammerwerk.

Vor und während der Kriege lebte die Schmiede von der Rüstung. Ansonsten stellte man Freiformstücke für den Braunkohle-Tagebau oder Achsen für Kraftfahrzeuge her. Die Belegschaft wuchs auf 200 Mitarbeiter.

1945 wurde der Kriegsbetrieb aber erst einmal demontiert, ein Jahr später begann die zivile Produktion landwirtschaftlicher Ersatzteile. In der DDR war die „Achse“ für die Massenherstellung von Mähfingern bekannt.

Ab 1958 gehörte sie zum Stahlwerk Gröditz, 1968 kam sie zum Kombinat Fortschritt Neustadt.

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Pradella will den Anwohnern deshalb entgegenkommen, und bei den verschiedensten Investitionen und Anschaffungen das Thema Lärm immer mit im Ohr haben. Herausgenommen werden daher nicht nur alte Holztoren auf der Seite zum Kupferberg hin, sondern auch die Metall-Lamellentore auf der Kupferbergstraße. Die sind inzwischen veraltet, die Lamellen beginnen schon beim Schließen und Öffnen zu scheppern. Ein Geräusch, das sicher auch nicht angenehm ist, gibt Pradella gern zu. „Wir bauen insgesamt zwölf moderne Schallschutz-Industrietore von Hörmann ein“, erklärt er. Kostenpunkt dafür allein 100 000 Euro. Die moderne Dämmung fängt bis zu 30 Dezibel ab.

Außerdem wurden nochmals alle Zugänge logistisch geprüft. Ergebnis: Ein Tor wird zugemauert, ein anderes verkleinert. Auch bei der Auswahl von Decken- und Wandmaterial greift er zur kompakten Version, frei nach dem Motto: Zehn Millimeter sind auch ein ganzer Zentimeter.

Auch im Blick: der Lkw-Verkehr. Die Großenhainer Gesenk- und Freiformschmiede hat jetzt eine eigene Sandstrahlanlage für Werkstücke um die 200 Kilo. Da wird weniger hin- und hergefahren. Und selbst notwendige Fahrten lassen sich manchmal noch erheblich günstiger packen. In diesem Fall durch neue Transportbehälter, die nicht mehr 300 Kilo wiegen, sondern nur noch 70. Das bedeutet spürbar mehr Ladekapazität und damit weniger Lkw-Fahrten. Das spart der Firma Kosten und den Anliegern Krach. Besonders schallschutzgedämmt ist auch die neue zusätzliche Lüftung auf dem Dach. „Ich kann die Schmiede nicht nur einpacken, meine Leute arbeiten dort jetzt bei 80 Grad, die brauchen frische Luft“, so Pradella. In den nächsten Jahren könnte der Werkshof zur Seite Kupferbergstraße neu gepflastert werden. Wenn es soweit ist, will Pradella gleich eine Lärmschutzwand hochziehen. „Dann können wir hämmern wie wir wollen“, sagt Pradella lachend.