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Der Laden kommt nicht mehr ins Dorf

Vier Verkaufstouren der Tauschaer Landfleischerei fallen weg – keiner will mehr den ganzen Tag herumfahren.

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© Anne Hübschmann

Von Birgit Ulbricht

Tauscha. Christoph Schempp schaut ein letztes Mal aus seinem Verkaufswagen heraus. Nur fürs Foto. Dann tritt das Fleischer-Mobil seine lange Reise nach Ungarn an. Es ist verkauft. Die Tauschaer Landfleischerei hat das Herumreisen aufgegeben.

Vier Überlandtouren sind weggefallen. Die Tour im Osten des Großenhainer Landes führte alleine von Sacka über Stölpchen, Ponickau, Böhla, Kraußnitz, Linz, Schönfeld, Lampertswalde, Blochwitz, Quersa. Auch die Touren von Radeburg bis Wilsdruff, die Röderner Tour rund ums Thiendorfer Land oder die Großenhainer Runde machten da keine Ausnahme. Mit dem Ein- und Ausräumen, Heimfahren und Saubermachen war letztlich nie vor 20 Uhr Feierabend. Etwas, was immer weniger Beschäftigte wollen. Dazu noch im Sommer bei Hitze oder eben bei Kälte. Da ist es besser, im Laden zu stehen, schätzt Fleischermeister Christoph Schempp nüchtern ein. Geändert haben sich aber die Menschen auf der anderen Seite des Verkaufswagens. „Die Leute kommen schon noch, es liegt nicht mal am Umsatz, aber ich glaube nicht, dass das so bleibt. Die Älteren sind mobiler geworden, Frauen haben einen Führerschein“ , sagt er.

Schempp müsste jetzt für die nächsten zehn Jahre einen neuen Verkaufswagen anschaffen, doch so lange würde er bestimmt nicht mehr laufen, ist er sich sicher. Deshalb hat der junge Fleischermeister jetzt einen Schnitt gemacht. Er konzentriert sich aufs Filialgeschäft und legt dort noch einmal zu. Aus Kundensicht gibt es nicht mehr Läden – nur die Betreiber wechseln.

Im Hintergrund findet eine Marktbereinigung statt. Die Landfleischerei hat jetzt eine Filiale in Ottendorf und eine in Königsbrück übernommen. In beiden Fällen gab es nach Todesfällen keine anderen Nachfolger. Für die Kunden ein Glücksfall, weil die beide Orte sonst ohne Fleischer dagestanden hätten. Der Tauschaer Fleischer beliefert neuerdings auch die Edeka-Läden in Laußnitz, Lampertswalde und Sacka. Eine Lücke, die entstanden ist, weil ein Großenhainer Fleischer seinerseits die Filialbelieferung eingestellt hat.

Christoph Schempp deckt das Gebiet ab, so wie er zusätzlich inzwischen drei Automaten betreibt: in Radebeul, Tauscha-Anbau und Volkersdorf – wobei Volkersdorf am besten läuft. Der Grund ist simpel: Der Milchautomat zieht. Außerdem verkauft der dortige Bauern Kartoffeln und Eier – im Gesamtpaket mit dem Wurstautomaten ist so fast ein kleiner Shop entstanden. Auch bestehende Hofläden wie der in Liegau-Augustusbad und Weixdorf sind solche Einkaufspunkte auf dem Land, die es zu beliefern lohnt. Mit der Filiale in Radebeul und dem gerade umgebauten Laden in Tauscha-Anbau, der Dienstag öffnet, hat die Landfleischerei täglich ein Verkaufsnetz zu beliefern, das auch erheblich an logistischer Finesse verlangt. Ein neuer PC-Arbeitsplatz in Tauscha, an dem nur kommissioniert wird, soll helfen, dass niemand die Übersicht verliert und jede Filiale das bekommt, was bestellt und gewünscht wird. Für die Fleischerei ist es trotzdem eine Erleichterung, die Waren ab Geschäft zu verkaufen, statt sie über die Dörfer zu kutschen.

Die Kehrseite: Die vor allem Älteren müssen sich darauf einstellen. Entweder die Nachbarn helfen, Kinder oder Haushaltshilfen. So ein Haushaltsdienst hat sich just in Schönfeld neu gegründet. In der ehemaligen Hebammen-Praxis hat Ines Vetter jetzt eine neue Hauswirtschaftspraxis eröffnet. Solche Alltagsdienste könnten beim Einkauf an Bedeutung gewinnen.

Allein für das Fleischergewerbe hat der Tauschauer Christoph Schempp nämlich so seine Bedenken. Dieses Jahr werden in ganz Sachsen nur elf Fleischer ausgebildet. Eine weitere Filialkonzentration wäre die unausweichliche Folge, wenn dieser Trend anhält.