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Der kühle Hauch

Die Kompressorenbauer von TDDK in Straßgräbchen bringen in immer mehr Autos frisches Klima. Sogar in den Rolls.

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© Manfred Kollosche

Von Reiner Hanke

Straßgräbchen. Gerade an heißen Tagen wie in diesem Frühsommer will es kaum noch ein Autofahrer missen: das kühle Lüftchen aus der Klimaanlage im Auto. Da geht es den Kraftfahrern im Kreis Bautzen nicht anders. Was die meisten wohl nicht wissen: Mit großer Wahrscheinlichkeit wird das Herzstück der Kühlanlage, der Klimakompressor, hier in der Region hergestellt – in Straßgräbchen in der TD Deutsche Klimakompressor GmbH – kurz TDDK. Das ist eine Tochtergesellschaft des japanischen Weltkonzerns Toyota und des japanischen Automobilzulieferers Denso.

Seit drei Jahren ist Sokichi Hibino Geschäftsführer in Straßgräbchen. Deutschland ist ihm nicht unbekannt. Vor 18 Jahren war er bereits für den Konzern in München, damals mit Familie. Diesmal ohne. Die Kinder seien daheim gerade in einer wichtigen Ausbildungsphase, verrät er. Das Unternehmen sei mit der Entwicklung an diesem Standort großartig vorangekommen, lobte der Geschäftsführer. Das hört auch der Dresdner Bundestagsabgeordnete Torsten Herbst gern. Sachsen brauche attraktive Standorte für die Industrie, sagte er jetzt bei seinem Besuch im Werk. Investitionen japanischer Großkonzerne sind im Freistaat eher die Ausnahme. Bei TDDK kann er erfahren, was einen guten Standort ausmacht. Vor 20 Jahren kamen die Japaner in den damaligen Kreis Kamenz und haben die Investition von inzwischen mehreren 100 Millionen Euro in fünf Ausbaustufen nicht bereut. Ganz genau kann es Vizegeschäftsführer Ronald Juhnke gar nicht sagen, wie viel Geld bisher geflossen ist: „Wir haben es nicht zusammengezählt.“ 1998 starteten die Japaner mit bescheidenen Zielen und 85 Mitarbeitern. Anfangs war die Daimler AG der Hauptabnehmer. Der Autokonzern drängte damals auch auf eine Investition im Osten der Republik. Eine Lerche, die zum Besichtigungstermin der Investoren aus Fernost in den Straßgräbchener Himmel stieg, soll als gutes Omen überzeugt haben – so die Legende. Aber vielleicht waren es doch eher die günstigen Bedingungen.

Sachsen rollte den roten Teppich aus bei einer Arbeitslosenquote von 25 Prozent. Der damalige Kreis zog das Genehmigungsverfahren in rekordverdächtigen sechs Wochen durch. Rekordverdächtig ist auch die Entwicklung der TDDK. Die Mitarbeiterzahl hat sich mehr als verzehnfacht. 700 waren es 2016, jetzt sind es schon 900. Eine rasante Entwicklung. So rasant wie der Automarkt wächst. Das Unternehmen versorgt vorrangig den europäischen Markt. Mehr als 14 Automarken setzen mittlerweile auf die Klimatechnik, dabei die deutschen Hersteller wie VW und BMW. Seit kurzer Zeit ist Porsche mit unter den Geschäftspartnern. Volvo und Landrover konnten gerade gewonnen werden. Auch die Reichen und Schönen lassen sich in ihrem Lamborghini oder Rolls Royce bei heißen Fahrten mit der Technik aus Straßgräbchen abkühlen. Absatz und Produktion wachsen. Lag die 2012 noch bei drei Millionen Kompressoren, geht sie jetzt auf fünf Millionen Stück im Jahr zu, bis zu 20 000 am Tag. Auf 72 000 Quadratmeter Werksfläche wird jetzt produziert. Das ist etwa so viel wie zehn Fußballfelder. Die eigene Gießerei für die Gehäuseteile gehörte zu den Ausbauschritten und die neue Logistikhalle. Zuletzt startete 2014 die sechste Fertigungslinie für Kompressoren. Für eine wäre jetzt noch Platz, schätzt Ronald Juhnke ein.

Bald 50 Millionen Autos ausgerüstet

Tatsächlich komme das Unternehmen an die Kapazitätsgrenzen. Um etwa 50 Mitarbeiter werde die Belegschaft demnächst noch aufgestockt, um die Produktion bewältigen zu können. Es gebe auch noch Fläche für eine weitere Ausbaustufe von rund 20 000 Quadratmetern auf dem Gelände. Derzeit habe TDDK aber keine Ausbaupläne. Es gibt ein anderes Ziel im August. Vor vier Jahren lief der 30-millionste Kompressor vom Band. In diesem Sommer soll es der 50-millionste werden. Was so viel bedeutet wie: 50 Millionen Autos sind mit Klimatechnik aus Straßgräbchen unterwegs. Die Klimaspezialisten hantieren viel mit hohen Zahlen. Über eine Million Einzelteile verarbeiten die Fachleute pro Tag: bis zu 90 Teile pro Kompressor. „Das muss logistisch wie am Schnürchen laufen“, sagt Ronald Juhnke.

Hinter Plexiglasscheiben rollen die Kompressoren in den unterschiedlichen Fertigungsstufen auf Förderbändern. Greifarme von Industrierobotern ergänzen die nächsten Teile, weiter geht’s von Station zu Station: Montage Klemme, Montage Winkel ist zu lesen. Dazwischen auch immer wieder Fachleute, die selbst Hand anlegen – wenn es knifflig wird, zum Beispiel, um ein Rückschlagventil passgenau einzusetzen. Dazwischen immer wieder Kontrollen der Qualität: „Die zu sichern, ist hohe Kunst“, sagt Ronald Juhnke. Ein Autoleben lang soll der Kompressor auf jeden Fall halten. Dicht muss er vor allem sein. Das wird mit Helium getestet. Den technischen Vorsprung garantiere das patentierte Innenleben. Dessen Geheimnisse werden streng gehütet. Ein perfektes Produkt ist für die Firma wichtig. Das symbolisiert wohl auch der Slogan über den „kühlen Hauch von Qualität“. Der Bundestagsabgeordnete wünscht sich diesen Qualitätsanspruch manchmal auch für die Politik.

Immerhin können die Kraftfahrer der Sommerhitze gelassen entgegensehen. Im Auto bleibt’s kühl.