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Ansteckender Humor

Bei seiner Premiere im Biertheater zeigt Ex-Radio-Mann Thomas Böttcher, dass er unbedingt auf die Bühne gehört.

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Von Jens Fritzsche

Radeberg. Die Generalprobe gab’s ein paar Tage vor der Premiere im Wohnzimmer. Vor Freunden. „Die Auswertung – ich würde es nicht Kritik nennen – dauerte länger, als das ganze Stück“, spöttelte Thomas Böttcher kurz darauf bei Facebook. Und auch nach der Premiere Sonntagabend im Radeberger Biertheater musste er sich viel Zeit nehmen – nicht für Kritik, sondern für die Glückwünsche. Und das völlig zu Recht.

Gerade ist oben auf der Bühne sein erstes Solo-Programm zu Ende gegangen – und unten im Saal stehen die Premieren-Besucher noch immer an den Tischen und wollen irgendwie gar nicht mehr aufhören zu applaudieren. „Ihr seid ja verrückt“, sagt ein sichtlich gerührter Thomas Böttcher.

25 Jahre lang war er ja einer der bekanntesten und vor allem beliebtesten Radio-Moderatoren Ostdeutschlands, in jedem Fall Sachsens. Bis zu jenem Morgen vor gut zwei Monaten. „Eigentlich ein Tag wie immer, ein Montag, 3.45 Uhr klingelt zu Hause in Döbeln der Wecker“, erzählt Böttcher auf der Bühne. Denn das Stück „Lieber radioaktiv – als im Radio aktiv“ ist ja so etwas wie ein Neustart. Für seine Zeit nach dem Radio. Böttcher, die Geschichte ist bekannt, wurde beim Leipziger Sender R.SA entlassen. Unvermittelt – und nicht wirklich zur Freude der Fans. Das legendäre Morgen-Blödel-Duo Böttcher&Fischer gibt es nun nicht mehr. Aber eine böse Abrechnung ist es nicht, was Thomas Böttcher da auf die Bühne bringt. Und das ist gut so. Es würde auch nicht zu ihm passen, zur Frohnatur mit sächsischem Mutterwitz, geboren im Kreißsaal Delitzsch-Ost. Auch das spielt eine Rolle. In einem wunderbaren Theaterabend, in dem Böttcher aber letztlich keine Rolle spielt. Also keine Theaterrolle jedenfalls. Die Hauptrolle schon – und zwar sich selbst. Unverstellt, ungekünstelt, „der Böttcher“ eben.

Radio-Star ohne Allüren

Und so erzählt er mit seinem ansteckenden Humor, von dem kleinen Jungen aus Delitzsch-Ost – damals, im Chemie-Dreieck der DDR, wo sogar zum 1. Mai die weißen Friedenstauben schwarz wurden, wie er es beschreibt. Von dem kleinen Jungen aus dem ein großer Radio-Star wurde. Einer ohne Allüren. Einer, der zunächst im Chemiekombinat Elektriker lernt und seine Facharbeiterprüfung mithilfe der Feinstrumpfhose seiner Tante aus dem Westen besteht. Auch das ist eine dieser urkomischen Geschichten, die Böttcher in diesem ungewöhnlichen Programm erzählt. Sogar ein paar Zaubertricks hat er auf Lager – und er singt. Nicht nur zur Musik „aus der Konserve“, sondern auch live zur Gitarre.

Und das kann er so gut, dass er nicht nur die Mädchen an lauschigen Lagerfeuer-Abenden beeindrucken kann … Mit der Gitarre erklärt Böttcher übrigens auch, wie er als Chef des neu gegründeten Jugendclubs in Delitzsch-Ost mitten in den 1980er-Jahren seinen ersten Auftritt als Schallplattenunterhalter – wie DJs damals noch hießen – politisch überstehen konnte. Denn er hatte weder Schallplatten noch Ostmusik. „Ich hatte nur zwei Kassetten voller Westtitel – und dann stand plötzlich der ABV in der Tür“, erzählt er grinsend. Der Abschnittsbevollmächtigte der Volkspolizei hatte dann natürlich nicht nur ein Auge, sondern auch mindestens ein Ohr auf Böttcher. Denn 60 Prozent der Musik mussten damals aus dem Osten kommen. Ob die Geschichte stimmt oder nicht, sie sorgt in jedem Fall für stürmischen Jubel: Denn Böttcher rettet sich mit „Sag mir, wo du stehst“ vom Oktoberclub und dem Kinderlied „Bummi, Bummi“ vor allzu großem Ärger.

Mannshohe Fotos auf der Bühne

Eine grandiose Idee ist es auch, mannshohe Fotos auf die Bühne zu stellen. Was sicher Mut kostet, denn Preise für die schönste Frisur dürfte er mit diesen Fotos wohl nicht mehr abräumen. Auch nicht mit der ersten Autogrammkarte, die 1992 der frisch gegründete Sender PSR mit ihm drucken ließ. Nach einem Vorstellungsgespräch, bei dem er mit dem Geständnis, er könne Abba von AC/DC unterscheiden, beschrieb, warum er das Zeug zum Radio-Mann habe. Das ist nun 25 Jahre her .

Ein verbitterter Rückblick? Nein! Sogar eher ein Ausblick. Er genießt es spürbar, nicht mehr 3.45 Uhr aus dem Bett zu müssen. Keinen Chef zu haben. Und so greift er noch mal zur Gitarre und stimmt den umgedichteten Westernhagen-Hit „Ich will wieder leben“ an. Das geht zu Herzen.

Und zu diesem Leben wird dabei auch das Biertheater gehören. Dass die Premiere ausgerechnet hier stattfand, war kein Zufall. 2002 gehörte Böttcher zum ersten Ensemble des Theaters, und ist seither regelmäßig hier. Künftig noch häufiger. Nicht zuletzt hat er sein Stück ja auch gemeinsam mit Holger Blum und Thomas Rauch vom Biertheater geschrieben. Und so lässt er es am Ende dann auch noch mal richtig krachen – in seiner Paraderolle aus dem Biertheater-Weihnachts-Renner „Schwipsbogen“ als tuntiger Rentner, der sich für Elvis hält, aber Smokie-Hits schmettert.

Ja, Thomas Böttcher ist wirklich das, was man ein Naturtalent nennen kann – und er gehört auf die Bühne!