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Der Heimkehrer

Torsten Seifert stammt aus Görlitz, ist aber gleich nach dem Abitur weggegangen. Voriges Jahr hat er seinen zweiten Roman veröffentlicht. Daraus liest er Freitag in Görlitz.

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© Kathleen Friedrich

Von Ingo Kramer

Görlitz. Über seinen bisher wohl größten Erfolg als Schriftsteller ist Torsten Seifert immer noch ein bisschen erstaunt. Der 51-Jährige hat das Manuskript für seinen zweiten Roman beim renommierten Blogbuster-Wettbewerb eingereicht. „Unter 250 Teilnehmern habe ich den ersten Preis gewonnen“, sagt er stolz. Erster Preis hieß: eine Veröffentlichung beim Klett-Cotta Verlag in Stuttgart. Dort ist der Roman „Wer ist B. Traven“ dann im vorigen Herbst tatsächlich erschienen – und seither überall erhältlich, wo es Bücher gibt. Über die bisherige Auflage und die Verkaufszahlen hat der Autor zwar noch keine aktuellen Infos erhalten, aber bei Lesungen hat er den Roman schon in einigen Städten vorgestellt.

Freitagabend ist Görlitz dran: im Literaturhaus Alte Synagoge, Eingang über den Obermarkt 16/17. Dort wird Torsten Seifert ab 19.30 Uhr daraus lesen. Für ihn ist es ein Heimspiel: Er wurde 1966 in Görlitz geboren, wuchs in der Lessingstraße auf und besuchte die 15. Oberschule, gleich um die Ecke in der Carl-von-Ossietzky-Straße. An der damaligen EOS am Wilhelmsplatz legte er 1984 sein Abitur ab – und ging danach aus Görlitz weg, zunächst zur Armee, dann zum Studium nach Leipzig, später nach Berlin, erneut Leipzig und schließlich Potsdam, wo er heute mit seiner Frau im Stadtteil Babelsberg lebt, nur anderthalb Kilometer von den berühmten Studios entfernt. „Mit Filmproduktionen aber habe ich nichts zu tun“, sagt er. Sein Kontakt nach Görlitz sei nie abgerissen. Zwar sind seine Eltern gestorben, aber seine Schwester lebt noch hier, seine Tante, seine Cousine – und viele Freunde. Entsprechend war er auch immer wieder hier zu Besuch: „Ich bin kein Verschollener.“ Beruflich aber braucht er die Nähe zur Großstadt: Nachdem er Betriebswirtschaft und Marketing studiert hat, arbeitet er als freier Autor, Texter und PR-Journalist. Einen Schwerpunkt hat er in der Energiewirtschaft, wo er mittlerweile ein großes Fachwissen aufgebaut hat. Für Vattenfall arbeitet er unter anderem: „Dort schreibe ich auch mal eine Rede für den Vorstand.“ Nebenbei unterstützt er Internetseiten von jungen Unternehmen und betreut auch ein paar Kunden in seinem Potsdamer Umfeld: „Es wird nicht langweilig, man hat jeden Tag mit einem anderen Thema zu tun.“

Ab und an spielt sogar Görlitz in seinem Berufsleben eine Rolle. „Kurz nach der Kulturhauptstadt-Entscheidung für Essen und gegen Görlitz habe ich mit meiner Agentur versucht, Görlitz zu helfen“, sagt Seifert. Zu dieser Zeit sei er wieder mehr zum Görlitz-Fan geworden. Seine Hilfe wurde angenommen: Er arbeitete mit dem damaligen Wirtschaftsförderer Lutz Thielemann und dessen Europastadt GmbH zusammen. Ein Logo und eine Imagebroschüre mit Texten von Seifert erschienen im Jahr 2007. Die Zusammenarbeit ging auch nach Thielemanns Abgang weiter: 2017 folgte die zweite Image-Broschüre mit Texten von Seifert. Zwischendurch kamen auch ein paar kleinere Aufträge aus der Neißestadt, etwa für einen Beherbergungsführer oder eine Spezialbroschüre für Bustouren zur Sächsischen Landesausstellung 2011. Romane schreibt der 51-Jährige tatsächlich nur „nebenbei“, denn davon kann er nicht leben, jedenfalls bisher. Der erste erschien 2007 und hieß „Rodeo für Anfänger“. Für die Literaturbranche zählt dieser aber nicht, denn Seifert veröffentlichte ihn allein, also ohne einen größeren Verlag. Nach dieser Rechnung hat er mit „Wer ist B. Traven“ tatsächlich erst 2017 seinen Debütroman veröffentlicht. In dem Buch versucht ein Reporter namens Leon die wahre Identität des sagenumwobenen Schriftstellers B. Traven aufzudecken. Er will herausfinden, ob es stimmt, dass alle, die nach Traven gesucht haben, unter mysteriösen Umständen ums Leben kamen. „B. Traven“ ist das Pseudonym eines 1969 gestorbenen deutschen Schriftstellers, dessen echter Name, Geburtsdatum und -ort sowie Einzelheiten des Lebens unter Literaturwissenschaftlern lange Zeit umstritten waren.

Seifert freut sich, dass er Freitag in seiner Geburtsstadt daraus lesen kann: „Es ist anders, nach Görlitz zu kommen, als in jeden anderen Ort.“ Er hat Rainer Michel, den Besitzer des Literaturhauses, direkt angesprochen. Er kannte ihn vom Hörensagen und aus der Zeitung. Michel hat das Buch gelesen – und anschließend zugesagt. Dass die Lesung nun am Kindertag stattfindet, ist Zufall: „Es sollte einfach ein Freitag sein, weil der gut für Lesungen passt.“ Könnte sich Seifert auch vorstellen, für immer nach Görlitz zurückzukehren? Ausschließen will er das nicht: „Vielleicht als Rentner.“ Aufgrund seines Berufes sei das momentan aber kaum vorstellbar.