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Der Frauenschuh, auf den auch Kerle stehen

Bei der Orchideenschau in der Blumenhalle gibt‘s alles rund um die exotische Pflanze. Die sorgte einst für Zusatz-Kohle.

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© Matthias Weber

Von Markus van Appeldorn

Löbau. Wer ab dem heutigen Freitag die Blumenhalle im Löbauer Messegelände besucht, könnte sich in einem altsprachlichen Seminar wähnen. Da begegnen einem Begriffe wie „Phalaenopsis schilleriana“ oder „Phragmipedium Sedenii“. Für Letzteren fällt eventuell auch manchem Laien sofort die richtige Übersetzung ins Deutsche ein: „Frauenschuh“. Die griechisch-lateinischen Begriffe sind botanisches Fachvokabular. Und dahinter verbergen sich Orchideen – deren populärster Vertreter wahrscheinlich jener „Frauenschuh ist.“

Heute um 14 Uhr öffnen sich wieder die Tore zur Orchideenschau – die größte ihrer Art in Ostsachsen und mittlerweile in der fünften Auflage. Die ganze Welt der Orchideen gibt‘s hier nicht zu sehen – das wäre übertrieben. Denn Orchideen sind eine der weltweit artenreichsten Pflanzengattungen. „Es gibt wahrscheinlich 25 bis 30 000 Orchideen-Arten“, sagt Wolfgang Hoffmann vom Lausitzer Orchideenbund, der die Schau gemeinsam mit der Löbauer Landesgartenschau veranstaltet. Und es würden ständig neue entdeckt, neulich zum Beispiel erst wieder im Urwald von Laos. „Die meisten Arten sind nicht kultivierbar, man könnte sie in der Wohnung nicht halten“, sagt Wolfgang Hoffmann. Allerdings würden viele zur Zucht benutzt, um zum Beispiel eine bestimmte Farbe zu bekommen oder die Haltbarkeit zu verbessern.

„Hier in der Blumenhalle haben wir während der Schau etwa 5 000 Pflanzen von drei- bis vierhundert verschiedenen Arten von allen Kontinenten“, sagt Hoffmann. Schauobjekte sind darunter, aber auch solche, die zum Verkauf stehen. Acht Orchideengärtnereien aus ganz Deutschland schicken ihre schönsten Orchideen in diesen Tagen nach Löbau. Die Aussteller kommen etwa aus dem Hamburger Raum oder auch aus Bischofswiesen, einem kleinen Ort bei Berchtesgaden in Bayerns Süden. Damit hat sich die Löbauer Orchideenschau zu einer der bedeutendsten ihrer Art entwickelt. „Wir erwarten in den drei Tagen an die 5 000 Besucher“, sagt Organisator Hoffmann.

Die Besucher erwartet nicht nur eine Blütenpracht zum Anschauen. Experten der Deutschen Orchideen-Gesellschaft oder der Orchideengruppe Dresden geben Tipps zum richtigen Umgang mit den Pflanzen. Der Lausitzer Orchideenbund bietet einen Umtopfservice an, um die Haltbarkeit der Blumen zu steigern. Und an allen Tagen informiert eine Video-Show zu vielen Themen rund um die Orchidee. Außerdem stehen viele Pflanzen zum Verkauf an die Besucher.

Auch Messechef Joachim Birnbaum ist begeistert von der Schau. „Eine Ausstellung wie diese ist richtungsweisend für unsere Kleinstadt, die mit der Landesgartenschau 2012 aus dem Dornröschenschlaf erwacht ist“, sagt er. Birnbaum hat auch Recherchen zur Wirtschaftskraft der Orchideenschau für Löbau angestellt. „Sämtliche Pensionen sind dieser Tage wegen der Schau ausgebucht“, sagt er. Und viele der Gäste würden ihren Aufenthalt auch dazu nutzen, etwa einen Ausflug ins Umgebindedorf Obercunnersdorf zu unternehmen oder ins Zittauer Gebirge zu unternehmen. „So nutzt die Schau der ganzen Region“, sagt Birnbaum und wünscht sich noch mehr Veranstaltungen, die durchreisende Touristen dazu ermuntern, nicht an Löbau vorbeizufahren, sondern hier einen Stopp zu machen.

Die Orchideenzucht hat in der südlichen Oberlausitz eine lange Tradition. „Vier Orchideen-Liebhaber gründeten im Juli 1974 eine Fachgruppe Orchideen im Kulturbund der DDR“, erzählt Wolfgang Hoffmann. Die Gruppe wuchs schnell – und das habe nicht nur mit Blumenliebhaberei zu tun gehabt, weiß Hoffmann. Gruppen im Kulturbund wurden materiell unterstützt und kamen an die exklusiven Pflanzen. Eines der Hauptmotive war für viele Mitglieder aber sicherlich auch der Zugriff auf Kontingente schwer erhältlicher Güter. „Jedes Mitglied, das ein Kleingewächshaus betrieb, erhielt pro Jahr einen Bezugsschein zum Kauf von einer Tonne Steinkohle oder Koks“, erzählt er – beides war in der DDR nicht frei verkäuflich.