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Der Fan an seiner Seite

Jens Jeremies hat für Dynamo in der Bundesliga gespielt, jetzt berät er Jannik Müller. Der hat es mit ihm manchmal schwer.

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© dpa/Thomas Lehman

Von Sven Geisler

Er wollte keinen Berater. Jannik Müller ist ein kluger Bursche, studiert neben seiner Karriere als Profi-Fußballer Finanzmanagement. „Ich denke, dass ich im Sommer mit der Bachelorarbeit anfangen kann“, sagt der seit vorigem Donnerstag 24 Jahre alte Verteidiger von Dynamo Dresden. Außerdem beschäftigt er sich mit privaten Geldanlagen, investiert in Aktien und Fonds. Mit kalkuliertem Risiko. Er setzt vor allem auf die Marktführer ihrer Branchen, nicht auf spekulative Angebote.

FUER SZ FREI, PAUSCHALE GEZAHLT!!!Fußball, 2. Liga, Saison 2017/2018, SG Dynamo Dresden, Testspiel, SG Dynamo Dresden - SpVgg. Unterhaching, Samstag (15.07.2017), Sandharlanden.Dynamos Jannik Müller. Foto: Robert Michael / www.robertmichaelphoto.deFoto:
FUER SZ FREI, PAUSCHALE GEZAHLT!!!Fußball, 2. Liga, Saison 2017/2018, SG Dynamo Dresden, Testspiel, SG Dynamo Dresden - SpVgg. Unterhaching, Samstag (15.07.2017), Sandharlanden.Dynamos Jannik Müller. Foto: Robert Michael / www.robertmichaelphoto.deFoto: © Robert Michael

Wenn es ums Geld geht, braucht er also keine Tipps. Aber erstens war er direkt nach dem Abitur noch nicht so weit, und zweitens geht es eben nicht nur ums Geld. Als er beim 1. FC Köln aus den Junioren zur U23-Auswahl aufgerückt ist, zog er sich einen Mittelfußbruch zu, fiel drei Monate verletzt aus. „Mein Vater meinte deshalb, es könnte hilfreich sein, noch weitere Kontakte zu haben, um mich eventuell bei einem anderen Verein unterzubringen“, erzählt Müller die Geschichte, wie er zu Jens Jeremies kam.

Auch wenn die Vermutung nahe liegt, beginnt die nämlich nicht erst mit seinem Wechsel zu Dynamo im Sommer 2014. „Es hatten sich bei mir immer mal Berater gemeldet, auch die Agentur, für die Herr Jeremies arbeitet.“ Also hat sich Müller umgehört und einer seiner Mitspieler in Köln ihm Gutes berichtet, nämlich „dass sie sich wirklich um den Spieler kümmern und versuchen, ihn besser zu machen“. Das hat ihn überzeugt, und er ist es bis heute. Besonders schätzt er es, dass Jeremies viele Spiele live sieht. „Es ist mein Glück, dass er mit dem Verein verbunden ist.“

Jeremies mischt sich regelmäßig unter die Fans, hält sich aber selbst aus der Öffentlichkeit heraus und als Berater sowieso im Hintergrund. Interviews, mit denen andere Vertreter der umstrittenen Zunft versuchen, den Marktwert ihrer Klienten zu steigern, gibt er keine. Nachdem er seine Karriere beim FC Bayern 2006 nach einer schweren Knieverletzung beenden musste, sorgte er nur einmal für Schlagzeilen: Als er 2012 die Toten Hosen für ein Privatkonzert in seinen Partykeller eingeladen hatte. Dort röhrte Sänger Campino: „Wir würden nie zum FC Bayern München gehen!“ Es komme nicht infrage, sich bei solchen Leuten seinen Charakter zu versauen, heißt es in dem Schmähsong.

Jeremies hatte acht Jahre beim Rekordmeister in München gespielt, was ihm einer nie zugetraut hätte: Rolf-Jürgen Otto, einst schwergewichtiger Präsident von Dynamo. Von ihm stammt das vernichtende Urteil: „Der wird nie ein Bundesligaspieler.“ Ralf Minge, in der Abstiegssaison als Interimstrainer eingesprungen, sah das anders und brachte Jeremies am 1. April 1995 gegen 1860 München. Die 1:3-Niederlage konnte der Debütant nicht verhindern, er fand sich selbst „in dem Spiel nicht so gut“, wie er mal sagte. Trotzdem hat ihn der Gegner nach der Saison verpflichtet, besser trifft es: Otto hat ihn verramscht für umgerechnet gut 20 000 Euro.

Womit wir wieder beim Geld wären, aber der 2016 verstorbene Baulöwe aus Hessen war ohnehin beratungsresistent und lag mit seinem Urteil über Jeremies völlig daneben. Denn der spielte nicht nur in der Bundesliga, sondern gewann mit den Bayern die Champions League, sechs Meistertitel und viermal den DFB-Pokal. Außerdem bestritt er 55 Länderspiele. Begonnen hatte er als kleiner Junge bei der BSG Motor Görlitz und Übungsleiter Horst Jank. Damals wurden die besten Talente der Region schon im Nachwuchs zu Dynamo delegiert an die berühmte Dresdner Fußballschule.

Es fällt leichter, einem zu vertrauen, der eine Vita wie Jeremies hat. Jannik Müller schätzt seinen Berater deshalb auch als Kritiker, selbst wenn das Urteil mal zu hart ausfallen kann, wie er mit Augenzwinkern erzählt: „Wenn es nicht gut läuft, bekomme ich seine Fan-Sympathie zu spüren.“ Seit er in Dresden spielt, ist der Kontakt enger geworden, mindestens einmal im Monat treffen sie sich. „Er ist sehr kommunikativ und versucht immer, in meinem Sinne zu handeln“, beschreibt Müller die Zusammenarbeit.

Der Innenverteidiger ist vertraglich vorerst versorgt: bis Juni 2019. Aber nur, weil sein Berater ein Herz für Dynamo hat, heißt das nicht, dass Müller keine anderen Optionen prüfen würde. „Wenn sich eine sportliche Perspektive eröffnet, muss man darüber nachdenken“, meint er – sagt aber auch: „Man sollte das schätzen, was man hat, weil man nicht weiß, was man bekommt.“ Wenn man persönlich zufrieden ist und die Mannschaft funktioniert, gebe es wenige Gründe, über einen Wechsel nachzudenken.

Für ihn passt es gerade perfekt, mit 1 336 Minuten steht er in Dynamos Einsatzliste der Hinrunde auf Platz drei, nur Torwart Marvin Schwäbe und Florian Ballas, sein Nebenmann im Abwehrzentrum, haben noch länger gespielt. Deshalb geht Müller den Konkurrenzkampf mit Neuzugang Marcel Franke selbstbewusst an. Seine Einstellung: „Man sollte sich nicht zu sehr unter Druck setzen und auf seine Stärken vertrauen.“ Auf sein gutes Passspiel zum Beispiel.

Und auf seinen eigenen Kopf, wenn es um seine Zukunft nach dem Fußball geht. Sein Fernstudium zieht er durch, was zeitlich kein Problem ist. „Wir haben in der Regel nur an einem Tag in der Woche zweimal Training, sonst nachmittags frei“, sagt er, gibt allerdings zu: „Wenn die Klausuren weit weg sind, lasse ich auch mal die Finger davon, aber je näher sie rücken, desto öfter sitze ich am Schreibtisch.“ Und dabei kann ihm wirklich kein Berater helfen.